Autor: Saashi
Verlag: Iello
Spielerzahl: 1-5
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: 30 Minuten
Unterschiede sind der Nährboden einer jeden Spielkritik. Wie unterscheidet sich ein Spiel von seinem geistigen (oder auch direkten) Vorgänger? Wie weicht das Spiel in der Praxis von der Erwartungshaltung ab? Was macht ein Spiel anders als andere, vergleichbare Spiele? Get on Board Paris & Rom ist ein Spiel dessen Unterschiede mit dem Wort „marginal“ fast noch überzeichnet werden. Das stellt diese Kritik und auch diesen Kritiker vor Herausforderungen.
Denn Get on Board Paris & Rom ist von den Regeln und auch vom visuellen Stil praktisch identisch zu Get on Board New York & London. Wir legen Holzstäbchen auf einer Karte einer Stadt aus, verbinden damit unterschiedliche Punkte auf dem Plan und streichen Symbole auf unserem Zettel ab. Am Ende des Spiels wandeln wir die abgestrichenen Symbole nach bestimmten Regeln in Siegpunkte um. Der charmante Zeichenstil von Monsieur Z verleiht dem Spiel erneut ein schönes Vintage-Ambiente. Im Laufe des Auslegen der Stäbe entstehen unweigerlich kleine erzählerische Momente, die das Spielgefühl bereichern ohne jemals in den Mittelpunkt zu rücken. Get on Board hat in beiden Varianten ein schönes, einladendes und nicht überforderndes Spielgefühl.
Die für Kritiken so wichtigen Unterschiede zwischen den beiden Spielen – wenn man von den neuen Spielplänen mal absieht – finden sich in der Punkteberechnung einzelner Symbole und dem Zusammentreffen ausgelegter Holzstäbe. Wobei erstere das Spielgefühl kaum zu verändern scheinen. Die thematische Interpretation der Punkteregel rückt lediglich das Ambiente des Spiels in eine etwas andere Richtung: eine romantische Zusammenführung von Paaren entlang der ausgelegten Verkehrslinie. Wer die Städte Paris oder Rom vielleicht mit Filmen wie Amélie oder Ein Herz und eine Krone in Verbindung bringt, mag sich dieser neuen Version von Get on Board näher verbunden fühlen.
Unabhängig des eigenen Vorwissens besitzt Get on Board Paris & Rom aber einen kleinen, feinen Unterschied. Der als „Interaktion“ verschleierte Ärgerfaktor des Vorgängers fehlt hier. Wurde man in New York & London dafür bestraft, die eigenen Stäbe auf die selben Straßen zu legen wie andere Spieler*innen, so erhält man in Paris & Rom nach einem sehr ähnlichen Prinzip Bonuspunkte. Anders gesagt: die Regel hat in dieser Version einen Vorzeichenwechsel erhalten. Das klingt nach wenig und das ist es auch. Aber es ist auch nicht nichts. Gerade wenn man wiederholt Paris & Rom spielt, fällt auf wie sympathisch und einladend das dadurch Spielerlebnis doch wirkt. Es ist ein ruhiges nebeneinander Knobeln, um eine möglichst gelungene U-Bahn-Route durch die jeweilige Stadt zu legen. Entsprechend wundert es auch nicht, dass Paris & Rom auch eine Solovariante bietet, welche weniger einen Kontrahenten stellt als dem Spielverlauf Taktung und Struktur gibt.
Get on Board Paris & Rome ist keine verbesserte, 2. Edition von Get on Board New York & London. Es ist auch keine anspruchsvollere Version des Spiels oder eine neue Auslegung der gleichen Spielidee. Es ist eine gleichwertige Alternative zum Vorgänger. Während das Aufdecken, Legen und Ankreuzen in New York & London vor allem recht traditionell wirkte, kann sich Paris & Rome zumindest anrechnen lassen, dass es das negative Feedback aus dem Spiel entfernt har. Wir nehmen unsere Mitspieler*innen nicht mehr als potentielle Ärgernisse wahr, sondern als Menschen mit denen wir unseren Spielspaß und unsere Mühen teilen. Das hat etwas entfernt romantisches an sich; aber zumindest mir fällt es hier noch leichter Stift und Stäbchen immer wieder gerne in die Hand zu nehmen.
- Drei Begriffe in einem Trenchcoat - 3. November 2024
- Darf der das? – Egoismus und das kompetitive Spiel - 20. Oktober 2024
- Ist das jetzt Journalismus oder nicht? - 13. Oktober 2024