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Faraway

Autoren: Johannes Goupy, Corentin Lebrat
Illustration: Maxime Morin
Verlag: Catch Up Games
für 2-6 Spieler*innen
ab 10 Jahren
Dauer: 25 Minuten

Hype kann für ein kleines Spiel fatal sein. Wenn man nicht auf eingeschworene Fanboys zurückgreifen kann, die selbst grobe Designfehler als subversives Brechen mit veralteten Erwartungen umdeuten, wächst die freudige Mundpropaganda einem kleinen Spiel oft über den Kopf. Plötzlich hebt die Begeisterung anderer die eigene Erwartungshaltung ins Unerreichbare und eine Enttäuschung ist vorprogrammiert. Erst recht, wenn man Monate lang darauf warten muss dieses ruhmreiche Spiel selbst in den Händen zu halten. Es wäre sehr bedauerlich, wenn Faraway ein solches Schicksal ereilen sollte. Denn Faraway ist wirklich ein gutes Spiel.

Faraway ist ein Kartenspiel, bei dem man mit insgesamt acht Karten versucht möglichst viele Punkte zu holen. Manche Karten bieten einfach so ein paar Siegpunkte an. Einige Karten knüpfen ihre Punkte jedoch an eine Vorbedingung (in Form von Symbolen) und wieder andere Karten bieten eben solche Symbole. In den 68 Karten, die das Spiel bietet, sind natürlich verschiedene Kombinationen an Punkten, Bedingungen und Symbolen vorhanden. Das an sich ist weder knifflig, noch besonders ungewöhnlich. Was zu Beginn sicherlich eine Herausforderung darstellt, ist die Art wie man erst die Punktekarte ausspielt und in späteren Runden die Karten ausspielt, um diese Bedingung zu erfüllen. Vorausgesetzt man kommt an eben diese Karten heran. Aber auch hier stellt sich nach einigen Partien eine Vertrautheit mit dem Spielablauf ein. Der vermeintliche Kniff des Spiels ist letztendlich auch nur eine Art wie man dem Karten zapfen (neudeutsch: „drafting“) eine klare Struktur verleiht. Erst wählt man seine Ziele und danach erfüllt man sie.

Auf halbem Weg ist die Hoffnung noch groß

Das allein würde Faraway bereits zu einem sauber funktionierenden Kartenspiel machen, welches ähnlich wie etwa Fantastische Reiche oder Mischwald, die Optimiersucht zahlloser Vielspieler*innen zu stillen weiß. Aber Faraway ist, wie anfangs erwähnt, ein gutes Spiel. Der Grund weshalb es oft und immer wieder Mundpropaganda und zum Teilen auch Hype weckt, liegt andernorts. Es sind nicht die quadratischen Spielkarten. Auch sind es nicht die bunten Illustrationen, die vage an Wanderschaften in kaum erforschte Regionen Südamerikas erinnern. Der thematische Rahmen des Spiels erzählt von einer Reise durch den mysteriösen Kontinent Alula. Das hilft ungemein als Gerüst bei der Erklärung des Spiels, aber ist beim Spielen bestenfalls Stichwortgeber für das Auslegen einer neuen Karte. Zumindest wenn man den eigenen Zug gerne erzählerisch präsentieren will.

Der eigentliche Clou an Faraway versteckt sich in den eher unscheinbaren Einschränkungen mit denen man zurecht kommen muss. Acht Runden lang wählt man aus nicht mehr als drei Handkarten aus. Das verleiht der Entscheidung welche Karte man spielt Gewicht. Mit jeder Karte geht man entweder eine Verpflichtung ein, oder versucht einer vorher gespielten nachzukommen. Obwohl der Entscheidungsraum eng geschnürt ist, entsteht dadurch ein Gefühl der Einflussnahme. Faraway lässt einen immer selbst den Kurs setzen. Der Weg zum selbst gesteckten Ziel windet sich nur häufig. Unsere gespielten Karten bestimmen die Zugreihenfolge und diese bestimmt wer zuerst die eigene Hand mit Karten aus der Auslage füllen darf. Wenn in dieser Auslage wiederholt nicht die Karten erscheinen auf die man gehofft hat, dann kann das schon mal zu einem empörten Aufschrei führen. Aber auch zu einem erfreuten Lächeln, wenn sich eine kaum erfüllbar erscheinende Punktebedingung durch die richtigen Karten in der Auslage in einen Erfolg verwandeln lässt.

Es ist dieses Spannungsfeld zwischen gefühlter Kontrolle über das Spiel und der Abhängigkeit vom Kartenglück, welches für Dramatik sorgt. Gerade weil diese Momente begeistern, will man anderen davon erzählen und sie vielleicht sogar mit ihnen teilen. Das mag wie Hype klingen, aber es ist halt auch einfach das Ergebnis guten Spieldesigns ohne grobe Designfehler.

Georgios Panagiotidis
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