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Einspruch! – Duell der Anwälte

Verlag: Rock Manor Games / Giant Roc
Autor: Samuel W. Bailey & Mike Gnade
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 60 Minuten

In „Einspruch – Duell der Anwälte“ bestreiten zwei Personen als Anwälte einen Fall vor Gericht. Dabei orientiert sich dieser spielerische Gerichtssaal nach jenen, die man aus US-Amerikanischen Filmen und Serien kennt. Wer mit Better Call Saul, Die zwölf Geschworenen oder den verschiedenen John Grisham-Verflimungen etwas anzufangen weiß, wird sich hier schnell wiederfinden.

Mit Hilfe von Zeugenaussagen, Argumenten und Indizien (d.h. Ausspielen von Karten) sollen die Geschworenen (d.h. farbige Plättchen) überzeugt werden (d.h. auf die richtige Seite bewegt). Am Ende einigen sich die Geschworenen über Schuld und Unschuld der oder des Angeklagten (d.h. die Plättchenmehrheit bestimmt wer gewinnt). Wer diesen Absatz schwer zu lesen fand, wird in diesem Spiel eine vergleichbare Erfahrung machen.

„Einspruch – Duell der Anwälte“ ist kein elegantes Spiel. Es zu spielen löst nicht die gleiche feinsinnige Spielfreude aus, die andere Designs wecken, wenn sie mit nur wenigen Regeldetails ein facettenreiches Bild zeichnen können in dem jede Entscheidung und jede Überlegung ein spannendes Potential aufzeigt, wohin sich das Spiel entwickeln könnte.

Die Aufmachung ist lobenswert divers

Spannend und auch voll interessanter Entscheidungen bzw. spannender Konsequenzen ist das Spiel alle mal. Aber es erreicht diesen Punkt mit Hilfe einer gewissen Regelfülle. Ein mechanisches Gerüst welches man erst erklimmen muss, um sich auf die Momente einzulassen, die vermutlich die größte Spielfreude verursachen sollen. Mit Hilfe der quasi-juristischen Kniffe, die man aus Anwaltsserien und Gerichtsdramen kennt, buhlt man taktisch um die Gunst der 12 Juroren. Die daraus entstehende Interaktion soll Erinnerungen und Bilder wecken, die als „thematisch“ bezeichnet werden.

Gemeint ist damit hier die etwas geheimnisvolle Eigenschaft von Spielen, die nicht durch Preis, Seltenheit oder Komplexität beeindrucken. Vielmehr bezeichnet man damit Spiele, die dem oft unterforderten Vorstellungsraum der Spielenden Platz lassen, um sich die Kartenaktionen bildlich vorzustellen zu können statt sie mit mathematischen Berechnungen und strategischen Abwägungen zu füllen. Aber genau hier findet sich die Hürde an der eine Runde „Einspruch – Duell der Anwälte“ gelegentlich in Straucheln gerät.

Ein schlankeres Spiel lässt mehr Raum für die eigene Vorstellungskraft. Es ist aber gleichzeitig nicht feinkörnig genug, um die unterschiedlichen Ereignisse klar von einander zu unterscheiden. So findet im Kopfkino schnell die immer gleiche Inszenierung einer Aktion statt, bis man anfängt diese zu ignorieren. Sind die Regeln zu glatt und damit einfach in der Spielfiktion hin und her zu schieben, fällt es schwer einem schlanken Regelwerk eine thematische Ebene abzugewinnen.
Das thematische Erleben des Spiels fühlt sich aufgesetzt an. Als würde man versuchen das Spielbrett wie einen Kaffeesatz zu lesen, der Aufschlüsse über vielschichtige und facettenreiche Situationen gibt. Man muss schon fest daran glauben, um etwas darin erkennen zu können.

Diese Jury gilt es zu überzeugen

„Einspruch – Duell der Anwälte“ findet nicht ganz das richtige Gleichgewicht zwischen interpretationsförderndem Detailreichtum und eleganter Spielbarkeit. Im Grundspiel finden sich zwei Fälle und durch Erweiterungen lassen sich zusätzlich erwerben. An Details fehlt es sicherlich nicht. Aber der Regelaufwand den es zu bewältigen gibt, ist nicht ganz zu unterschätzen. Wer in Szenen, Begriffen und Momenten eines Gerichtsdramas denken kann, wird sich schnell das Thema erschließen können. Wer jedoch die charakteristischen Szenen und Momente nicht parat hat, wird vom taktischen Kartenspiel schnell überrollt werden.

Dabei entlarvt „Einspruch – Duell der Anwälte“ eher unfreiwillig, wie belanglos die Wahrheit in einem solchen Gerichtssaal eigentlich ist. Obwohl beide Anwälte mit der Zeit vermuten könnten, was wirklich in ihrem Fall vorgefallen sein mag, versuchen sie dennoch die Gerichtsverhandlung nach bestem Können zu beeinflussen, um zu gewinnen. Wer hier darauf hinweist, dass das daran liegt dass „Einspruch – Duell der Anwälte“ nur ein Spiel ist, hat damit Recht. Ja, es ist nur ein Spiel. Aber so kann man auch das Gerangel zwischen Anwälten verstehen. Es ist ein Spiel bei dem – so lange man sich an die Regeln hält – lediglich das eigene Honorar in Mitleidenschaft gezogen wird. Das hat durchaus Humor, auch wenn dieser leicht verbittert und zynisch anmutet.

Vielleicht findet sich an dieser Stelle der Grund, weshalb „Einspruch – Duell der Anwälte“ trotz eines vielversprechenden Konzepts und einer einladenden Aufmachung nicht so richtig überzeugen mag. In den besten und erinnerungswürdigsten Momenten der Gerichtsdramen, nach denen das Spiel ausgerichtet ist, geht es um einen aufgebrachten Anwalt (z.B. gespielt von Tom Cruise), der mit lauter Stimme und voller Inbrunst nach der Wahrheit verlangt. Aber darum geht es hier eben nicht. Es geht darum zu gewinnen und damit fehlt dem Spiel genau der leidenschaftliche Funken, der das Thema erst so spannend macht.

Georgios Panagiotidis
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