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Dune Imperium

Verlag: Direwolf / Legendary
Autor: Paul Dennen
Spieleranzahl: 1-4
Alter: ab 13 Jahre
Spieldauer: 60-120 Minuten

Dune ist die Geschichte des jungen Jedi-Ritters Jean-Luc Picard vom Planeten Galifrey, der mit seinem Turnschuh-förmigen Raumschiff „Galactica“ gegen den Peacekeeper Mork vom Planeten Zeist kämpft. Wer diesen Satz ohne unfreiwillige Gesichtszuckungen lesen konnte, der kennt sich mit Science-Fiction in etwa so gut aus, wie ich mit Dune. Das hat für diese Besprechung des Spiels Dune Imperium dahingehend den Vorteil, dass ich weder überkritisch noch zu wohlwollend auf das Thema blicken werde. Die Geschichte der Romanreihe, sowie die darin erschaffene Welt, eröffnet sich mir fast nur über das Spiel selbst und gelegentliche Anspielungen, die ich hier und da mal aufgeschnappt habe.

Damit bietet Dune Imperium vor allem ein schönes Beispiel dafür wie viel Einblick, Wissen und Erkenntnis ein Spiel zu seinem Thema vermitteln kann: nämlich gar keinen. Mir ist Dune nur in seinen Begriffen näher gekommen. Kwisatz Haderach, die Fremen, Paul Atreides, die Bene Gesserit und der Mentat sind nun Worte, die ich wiedererkenne und umgehend mit Spieleffekten in Verbindung bringe. Was Dune ist, worum es darin geht und was die Geschichte ausmacht, ist mir weiterhin bestenfalls schemenhaft (aber genaugenommen überhaupt nicht) bekannt.

Für diese Besprechung hat das jedoch wenig Relevanz. Denn die Spieleffekte, welche an diese vorsätzlich entlehnten Begriffe gebunden sind, setzen sich zu einem sehr überzeugenden Paket zusammen. Auch wenn die Bestandteile des Designs durchaus vertraut sind, sorgt Dune Imperium wiederholt für sehr spannende Spielrunden. Der Spielverlauf speist sich vor allem aus dem Spannungsfeld zwischen Karten ausspielen & einsammeln („deck building“) sowie dem Setzen der eigenen Spielsteine („worker placement“). Die Karten erlauben es Spielsteine zu setzen, um so an Ressourcen zu gelangen, die man benötigt, um sich neue Möglichkeiten zu erschließen (z.B. bessere Karten oder weitere Ressourcen) und diese dann in Siegpunkte zu überführen. Hat man 10 von ihnen erreicht, ist das Spiel gewonnen.

Das liest sich ein klein wenig umständlich und das ist auch nicht ganz falsch. Die Verzahnungen und Verschachtelungen zu erkennen und zu verstehen, ist Teil der reizvollen Herausforderung, die Dune Imperium an die Spielgruppe stellt. Aus den Karten und den Aktionsfeldern auf dem Spielbrett gilt es jene zu wählen, die sowohl kurzfristig wie auch langfristig von Nutzen sein werden. Dabei fordert das Spiel ein, sich in Geduld und Zurückhaltung zu üben, wenn man sein Ziel erreichen will. Denn einige Funktionen der Karten sind nur möglich, wenn man sie bis zum Ende der laufenden Runde auf der Hand hält. Gleichzeitig muss man aber eben diese Karten ausspielen, um die Aktionsfelder auf dem Spielbrett überhaupt nutzen zu können.

Heiße Schlacht am heißen Sandplaneten

Es gibt Spiele, die sich damit zufrieden geben die Spielgruppe in diese Zwickmühle zu stecken. Dune Imperium jedoch setzt noch eins drauf und bietet parallel laufende Wettkämpfe, in denen um wichtige Ressourcen oder um den Fortschritt auf einer Siegpunkte-versprechenden Leiste gerungen wird. Karten wie auch Spielsteine müssen hier klug kombiniert und abgestimmt werden, um sich die Mittel zu beschaffen, mit denen man sich gegen die Konkurrenz behauptet. Aber auch hier hat das Design von Paul Dennen noch nicht genug. Innerhalb der beiden Arenen (militärischer Konflikt und diplomatische Verbindungen) gibt es weitere Anreize und kurzfristige Vorteile, die man nicht verstreichen lassen will. Kurz gesagt: es gibt überall etwas zu holen.

Anstatt dass die eigenen Entscheidungen bei einem solchen Überangebot an Zielen in Beliebigkeit versinken, wird das Spannungsfeld, welches durch die Handkarten aufgezogen wird noch vertieft. Man muss auf kurzfristige Vorteile verzichten, um langfristige Ziele zu verfolgen. Diese erzwungene Zurückhaltung führt zu Anspannung. Eine Anspannung, die dadurch erhöht wird, dass man die Konkurrenz in ihren Plänen voran schreiten sieht und Selbstdisziplin braucht, um eben nicht im falschen Moment schwach zu werden und mit allem was man hat in die Schlacht zu ziehen. FOMO (Fear of missing out, zu Deutsch: die Angst etwas zu verpassen) ist hier einer der emotionalen Haken mit denen man geködert wird.

Aber Dune Imperium ist nicht allein ein Spiel der Willenskraft und Selbstbeherrschung. Es zieht seine Spannung auch aus der Unberechenbarkeit mit der ausgewählte Karten das sorgfältig erarbeitete Gleichgewicht in den finalen Momenten zerschlagen können. Das gibt dem Spiel eine dramatische Dimension, wenn der mühsam errungene Vorsprung durch das Auftauchen dieser Karten zunichte gemacht wird. Das mag ungerecht wirken, aber es ist eben genau dieser seltene, aber dafür umso unvergesslichere, Moment, der Dune Imperium herausstechen lässt.

Es ist diese Angst vom Schicksal bzw. den geheimen Plänen anderer eiskalt erwischt zu werden, weshalb eine Partie beim wiederholten Spielen immer spannender und nervenaufreibender wird. Wenn man weiß welche scharfen Klingen im Dunkeln auf einen warten, drehen sich die Zahnrädchen im Kopf umso schneller. Ein Spiel in dem die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit immer zum „richtigen“ (also siegreichen) Spielausgang führt, ist nahezu so dramatisch wie das Einräumen des eigenen Geschirrspülers. Es bietet als emotionalen Höhepunkt nur das wohlige Gefühl alles unterbekommen zu haben, was sich bis dato angestaut hatte. Der Nervenkitzel, den Dune Imperium, auszulösen weiß, rührt aber nicht zuletzt daher, dass die völlige Kontrolle über den Spielverlauf einem immer wieder aus den Händen gleitet.

Zum Beispiel, weil man wiederholt die falschen Karten in die Hand zieht und die dringend benötigten Felder unerreichbar bleiben. Dann muss man improvisieren, seine Pläne umstellen und neue Chancen suchen, um sich zu behaupten. Sei es, weil die Zugreihenfolge dazu führt, dass der sorgfältig ausgeheckte Plan nicht mehr möglich ist und man nun einen anderen Weg suchen muss, diese Runde mit einer Verbesserung der eigenen Position abzuschließen. Oder sei es weil ein unerwarteter Karteneffekt die Spielsituation leicht verschiebt, aber die eigenen Alarmglocken Sturm klingeln.

nicht abgebildet: Angstschweiß

Es sind solche Spannungsmomente mit denen Dune Imperium in Erinnerung bleibt. Der Nervenkitzel, der daraus entsteht, prägt nicht nur das Spielgefühl, sondern hallt noch nach, wenn das Spiel längst wieder eingepackt und in den Schrank gestellt wurde. Das dafür keine ausgefallenen Regelkniffe von Nöten sind, macht das Spiel jedoch nicht gewöhnlich, sondern sehr beeindruckend.

Ich weiß nicht, ob ich mich wegen Dune Imperium näher mit den Büchern oder Filmen befassen will. Dafür sind die Begrifflichkeiten oder die haarscharf am Uncanny Valley vorbeischrammenden Illustrationen der Karten („Ist das da nicht Drax?“), nicht griffig und einprägsam genug. Sollte ich das Buch tatsächlich einmal lesen, würde ich mich nicht wundern, wenn ich dabei öfter an meine Spielpartien von Dune Imperium denke werde.

Der fachlich fundierte Begleitkommentar von Peer S. aus B.

Dune Imperium und Dune

Dune Imperium ist prinzipiell ein Eurogame mit Dune-Thema. Ich bin großer Fan des Buches, mag den Film und auch einige Nachfolger des ersten Wüstenplanetbuches. Daher wollte ich den oben stehenden Text noch ein bisschen dahingehend ergänzen, in wieweit Dune Imperium ins Dune-Universum passt. Zur Einordnung: Mir gefällt Dune Imperium wirklich gut, das liegt aber nun gerade nicht an der thematischen Immersion.

Stefan Brück hat einmal bezogen auf Eurogames gesagt: „Das Thema ist in erster Linie dazu da, um den Spielsteinen und Karten Namen zu geben“. Und stellt man das Mikroskop auf diese Ebene ein, so ist Dune Imperium thematisch: Die Karten haben thematische Namen und die Effekte lassen sich von den Spielenden passend einordnen, ohne dass größere Brüche entstehen. Die Spielenden verkörpern unterschiedliche Charaktere aus dem Buch (mit Graphiken, die an den Film angelegt sind), was sich in unterschiedlichen Spezialfähigkeiten niederschlägt. Diese sind aber eher auf dem Niveau eines Civilization: A new Dawn und weit von der Asymmetrie des anderen Dune-Spieles entfernt.

Dreht man das Mikroskop aber auch nur eine kleine Schraube weiter, fällt schnell alles thematische in sich zusammen. Zwar sorgen die kleinen Asymmetrie durchaus für unterschiedliche Schwerpunkte, aber dennoch, liegt es in der Natur des Deckbaus, dass jeder sein Deck nach Gusto baut, ohne Rücksicht auf das Universum: Paul Atreides kontrolliert die Saurdukar? Glossu Rabban bekommt bei einem Kampf Hilfe der Fremen? Gurney Hallack im Dienste von Baron Harkonnen? Und dann auch noch im Einsatz gegen Rabban? Das ist nicht einmal mehr eine alternative Geschichte, das ist reines Name-Dropping.

Stellt man dann das Mikroskop beiseite und beachtet das große Ganze, dann fehlen nicht nur die großen Themen des Buches wie (Anti-)Kolonialismus oder Religiösem Übereifer und Märtyrereffekt – Themen die hier vermutlich niemand ernsthaft erwartet hat. Es fehlen auch offensichtlichere Dinge: Intrigen sind z.B. praktisch Nichtexistent. Ja, man bekommt „Einfluss“ auf bestimmte Gruppen, doch das sind nur Leisten, die Boni bringen, dauerhafte Effekte sind da selten. Die Intrigenkarten sind halt Sonderkarten, die manchmal eine Überraschung bringen können – vor allem im Kampf – aber ansonsten eher harmlos sind. Mit den epischen Intrigen aus Buch und Spiel hat Dune Imperium nichts am Hut. Insofern ist es nicht weiter verwunderlich, dass die lebenden Computer, die Mentaten, lediglich als temporäre Arbeiter fungieren. Die größte thematische Enttäuschung ist aber, dass der Wüstenplanet selbst so wenig präsent ist. Ja, wir prügeln und auf dem, aber die Schlacht findet abstrakt auf dem immer gleichem Schlachtfeld statt. Für manche Arbeitereinsetzfelder muss ein Wassermarker abgegeben werden. Thematischer wird es sonst kaum. Vor allem aber fehlt „der große Gleichmacher“, der Wurm. Die Wurmphase bringt lediglich ein paar Brocken Spice – eine von drei Ressourcen. „Gleich“ macht er hier nichts. Unterrepräsentierter war in der Spielevergangenheit nur Jean dÁrc im gleichnamigem Spiel (wo sie auf einer Karte zu sehen war). Dune Imperiums Wüstenplanet strömt keine unmittelbare Gefahr aus, außerhalb des Kampfes riskiert man nichts.

Wie schon eingangs gesagt: Dune Imperium ist ein Europgame mit thematischer Einkleidung. Als solches funktioniert es gut. Wer aber Dune auf dem Spieltisch erleben möchte, sollte zum gleichnamigen Spiel und nicht zum Imperium greifen.

Georgios Panagiotidis
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