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Coyote / Anansi (Doppelrezension)

Titel: Anansi
Verlag
: Heidelbär Games
Autoren: Cyril Blondel und Jim Dratwa
Spielerzahl: 3-5
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: 30 Minuten

Titel: Coyote
Verlag
: Heidelbär Games
Autoren: Spartaco Albertarelli
Spielerzahl: 3-6
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: 20 Minuten

Die Einschränkungen die durch Corona nötig waren, haben unter anderem auch dazu geführt, dass eine regelmäßige Spielrunde nicht immer möglich war. Das gilt auch für mich, weshalb verschiedene Spielrezensionen quasi auf halber Strecke liegen geblieben sind. Auch wenn ich keine Garantie geben will, dass sich meine derzeitigen Einschätzungen zu den Spielen in einer später fertigen Rezension nicht ändern werden, möchte ich zumindest einen Eindruck geben, was in den Wochen und Tagen nach der Spielemesse an Neuheiten auf den Tisch kam und wie es dabei abgeschnitten hat.

Anansis Karten sind farbenfroh und stylisch

Beginnen möchte ich mit etwas Kleinem. Anansi von Cyril Blondel und Jim Dratwa, Illustrationen von Emmanuel Mdlalose und Dayo Baiyegunhi, erschienen beim Heidelbär Games. Es handelt sich dabei um eine Neuauflage eines Stichspiels, welches vor einigen Jahren unter dem Namen Eternity erschienen ist. Diesmal kommt es in einer schmucken Glanzschachtel, wie sie bereits bei Spicy zum Einsatz kam. Als erstes fällt auf, dass sich Anansi mit lediglich drei Spielfarben begnügt. Als Nächstes springt die thematische Einkleidung des Spiels ins Auge. So lauten die Spielfarben hier Hornisse, Schlange und Leopard. Erklärt wird diese Wahl mit einer ungewohnten Hintergrundgeschichte. Das mag den Spielablauf oder auch das Spielverständnis nicht beeinflussen, aber gibt dem Spiel durchaus eine besondere, ja auch exotische, Note.

Der eigentliche Kniff mit dem Anansi aber auffährt, hat damit zu tun wie man hier Punkte holt. Über drei Runden wird gespielt und in jeder Runde erhält man Punkte, wenn man exakt so viele Stiche holt, wie man angesagt hat. So weit, so gewöhnlich. Interessant wird das ganze, weil diese Ansage durch das Abwerfen von Karten während des laufenden Spiels passiert. Mehr noch, dieser Kartenabwurf wirkt sich auch darauf aus, welche Farbe nun als Trumpf gilt. Das führt zu amüsant verkopften Zügen in denen man die Stärke des eigenen Blatts abwägt. Offensichtlich kann sich im laufenden Spiel viel verändern, wenn man plötzlich nur noch Trümpfe auf der Hand hat. Dadurch bleibt das Spiel kontinuierlich in Bewegung. Selbst eine sichere Hand kann man nicht ohne weiteres herunterspielen, sondern muss seine Mitspieler immer gut im Auge behalten. Wie so oft, lebt auch dieses Stichspiel von seiner Metaebene, d.h. der Art und Weise wie man die Spielmuster seiner Mitspieler lernt, antizipiert und so in seine taktischen Überlegungen einbezieht. Um Einzuschätzen wie sich das in der Praxis auswirkt, bräuchte ich noch einige Spielrunden mehr.

 

Ständer statt Bänder, aber dennoch pfiffig

In ähnlichem, wenn auch fremden Fahrwasser bewegt sich ein weiteres Spiel von Heidelbär Games: Coyote von Spartaco Albertarelli, Illustrationen von Zona Evon Shroyer. Auch hier handelt es sich um eine Neuauflage eines bereits erschienenen Spiels. Pow-Wow hat bereits einige Jahre auf dem Buckel. In dem Spiel banden sich Spieler Karten an die Stirn, und mussten wie bei Coyote die Summe sämtlicher Spielerkarten richtig einschätzen. In seiner mockierenden Darstellung wäre das Spiel aber in dieser Form heute nicht mehr zu veröffentlichen. Mit Ausnahme der Leute, die sich noch ärgern, dass man Schaumküsse nicht mehr so nennen darf wie früher oder seine Kollegen mit dem komischen Namen nicht immer fragen soll, woher sie „wirklich“ kommen, würde auch niemand Pow-Wow unverändert mehr veröffentlichen. Es ist daher sowohl löblich wie auch nachvollziehbar, dass für Coyote nun auch kulturelle Berater hinzugezogen wurden, die selbst Mitglieder der Cheyenne und Apacho Tribes sind. Handelt es sich bei Coyote also um ein tief thematisches, die Kultur amerikanischer Ureinwohner abbildendes Spiel? Nein. Es ist ein leichtfüßiges und oft sehr humorvolles Bluffspiel. Man versucht sich gegenseitig zum Überreizen zu bewegen ohne genau zu wissen was eigentlich die Zahl ist, über die man nicht gehen darf. Hier kulturelle Berater ins Boot zu holen, mag übertrieben wirken, ist es aber absolut nicht. Gerade wenn man sich bei der Bildsprache und Historie fremder Kulturen bedient, sollte das die Norm sein.

Coyote entfaltet seinen ganzen Reiz jedoch nicht schon in der ersten Spielrunde. Es lebt davon mehrfach hintereinander gespielt zu werden. Denn gerade wenn die Wahrscheinlichkeitsrechnung (bzw. das Bauchgefühl, auf das wir uns verlassen) von der tatsächlichen Kartenverteilung aufs Kreuz gelegt wird, ist das Gelächter am Größten. Je öfter man spielt, umso mehr persönliche Erfahrungen mit dem Spiel und der Launenhaftigkeit des Kartenglücks kann man anhäufen. Es sind genau diese Geschichten mit denen Coyote in Erinnerung bleibt. Das Besondere an der Spieldynamik entfaltet sich oft in den Momenten, wenn sich abzeichnet wer aus der laufenden Runde durch das koordinierte Ausreizen der Spieler aufs Glatteis geführt werden soll. Aber auch hier gilt, dass erst wiederholte Spielrunden zeigen werden, ob die Mischung aus geheimen und offenen Informationen, sowie die Kombination aus Täuschen und Kopfrechnen wirklich interessant ist oder einfach nur ungewohnt.

Georgios Panagiotidis
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