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Clockworker

Verlag: Sylex
Autor: rikkati
Spieler*innen: 2-4
Spieldauer: etwa 45 Minuten

Ich habe einen Kapuzenpullover, den ich mag. Darauf ist ein pummeliges Einhorn mit bunter Regenbogenmähne zu sehen. Obwohl ich ihn mag, trage ich ihn nur selten. Denn er ist – entgegen seiner Größenangabe – etwas zu eng, um mich damit bei jeder Tageslaune hinauszuwagen. Ich muss ihn immer erst ein paar Stunden am Körper haben, bevor ich mich in meinem Dad Bod wohl fühle. Diese Info wird gegen Ende noch mal relevant.

Clockworker ist ein sympathisches Brettspiel, in dem wir mit Hilfe von kleinen Roboterminiaturen aus Plastik Ressourcen produzieren und diese ausgeben, um Fähigkeiten zu erwerben, Siegpunkte zu kaufen oder uns neue Möglichkeiten erschließen, um weitere Ressourcen produzieren zu können. Unter Vielspieler*innen mag man hier an ein „worker placement“-Spiel denken und liegt dabei gar nicht so verkehrt. Wobei Clockworker viellecht eher mit Machi Koro verwandt ist, als mit Agricola. Denn an Stelle eines Brettes, gibt es lediglich eine Kartenauslage aus der man Karten erwirbt und in den eigenen Spielbereich legt. Die Miniaturen, die dem Wort „mini“ wirklich gerecht werden, zieht man von derartigen Karten ab, um sie gemeinsam mit einer dort abgebildeten Ressource in den eigenen Vorrat zu legen. Statt der bei Machi Koro oft (und zu Unrecht) kritisierten Würfel, befüllen wir die Karten und entleeren sie im Verlauf des Spiels ganz deterministisch. Das hat zur Folge, dass statt des Nervenkitzels eines Glücksspielautomats hier die Herausforderung einer effizienten Rundenplanung im Mittelpunkt steht.

Es gilt hier den richtigen Rhythmus zu finden, um in jeder Runde Ressourcen zu erhalten, die man im Anschluss direkt in besondere Fähigkeiten, Siegpunkte oder weitere Ressourcengeneratoren investiert. Das Regeldesign ist robust, solide und in gewisser Weise sogar elegant. Hat man sich in die Abläufe eingespielt, gewinnt dieses handliche Optimierungspuzzle sogar richtig an Fahrt. Schon nach kurzer Zeit hat man eine positive Feedback-Schlaufe losgetreten. Es macht Freude sie so gut man kann am Laufen zu halten. Anreize werden hier nicht dadurch gesetzt, dass man für ineffizientes Spiel mit zusätzlichen Kosten bestraft wird. Stattdessen ist man angetrieben jeden Ressourcengewinn in zukünftige Runden zu investieren.

Der Charme des Ganzen ist schwer von der Hand zu weisen

Kurz gesagt: Clockworker ist ein richtig gutes Spiel, welches ein schlankes Design an den Tag legt, positive Anreize bietet und auf Konfrontation verzichtet. Dafür findet man sich in einem Punktewettlauf wieder, in dem kluge Planung und effiziente Ausführung entscheidend sind.

Leider hat das Ganze einen merklichen Schönheitsfehler: die grafische Inszenierung des Spiels erschwert den Einstieg ins Spiel. Das ist ärgerlich, da gerade die überschaubare Spieldauer dazu einlädt Clockworker kurz auf den Tisch zu holen.

Das Problem liegt hier nicht in der Qualität der Illustrationen. Diese sind, wenn man sich die Zeit nimmt sie näher zu betrachten, humorvoll und charmant. Sie strotzen vor Details und erzählen ulkige Momente aus dem Jahre 2XXX in dem knuddelige kleine Roboter Fabrikarbeit für uns verrichten. Aber das Thema eines Spiels ist mehr als nur visuelle Ästhetik. Es erfüllt nicht allein den Zweck die Spielmechanismen und unser Verhalten einzurahmen. Es muss diese Dinge vor allem auch leisten können, ohne dabei den Spielfluss ins Stocken zu bringen.

Denn wenn das Einbinden des Themas die spielerische Interaktion irgendwie verlangsamt, reagieren Menschen so wie auf alle Hindernisse reagieren: sie suchen den einfachsten Weg sie zu umgehen.

Das bedeutet hier, dass Spielbegriffe durch einfach verständliche ersetzt werden. Statt von einer „Bergung“ zu sprechen, bekommt man Ressourcen. Statt von „Inbetriebnahme“, „Reparatur“ und „Kommunikation“ zu sprechen, kauft man einfach etwas aus der Auslage. Das kann eine Ressourcenkarte, Fähigkeit oder Siegpunkte sein. Erfahrene Spieler*innen sind diese kleinen kognitiven Abkürzungen während des Spielens gewohnt. Auch wenn das Thema dadurch weniger präsent erscheint, so macht es den Spielablauf flüssiger.

Stimmungsvolle Zeichnungen können viel dazu beitragen, dass während der strategischen Überlegungen auch die Vorstellungskraft angestoßen wird. Aber auch hier, kommt Clockworker leider kurz vor der Zielgeraden zum Stehen. Die Illustrationen sind einfallsreich und voller Eigenheiten. Sie zeichnen ein interessantes Bild einer fernen Roboterzukunft. Zumindest wenn man sie sich wahlweise vor oder nach dem Spiel zur Hand nimmt und sorgfältig studiert.

Der feine Unterschied zwischen klar erkennbar und gut lesbar

Während des Spiels nimmt man sie nur aus dem Augenwinkel wahr, da die Konzentration auf den spielrelevanten Symbolen liegt. Da man die Bilder in diesen Momenten eben nur oberflächlich wahrnimmt, verbleibt nur ein vager Eindruck aus Rostbraun und sandigem Beige.

Zum Abschluss gibt es da noch die kleinen Symbole auf den Fähigkeitskarten, deren Regelfunktion mit Symbolen ausgedrückt werden soll. (Und natürlich in der Anleitung per Text erläutert werden.) Die abstrahierten Spielhandlungen, Bedingungen und Konsequenzen sind nicht immer klar ableitbar und man gerät am Tisch immer wieder ins Stolpern bis man sich die Effekte einfach gemerkt hat. Auch das ist eine Hürde, die Vielspieler*innen kaum noch als eine solche wahrnehmen, weil die geübt und erfahren genug sind, diese Dinge mit jedem neuen Spiel zu machen, das auf den Tisch kommt.

Um es deutlich zu sagen, nichts davon ist ein Beinbruch. Selbst wenn man alle diese Punkte zusammennimmt, wird das Spiel dadurch weder unspielbar noch ungenießbar. Clockworker ist ein Spiel, dessen Stärken den Schwächen überlegen sind. Aber die kleinen Schönheitsfehler, machen das Eintauchen in das Spielerlebnis schwieriger als es sein muss. Man hat den Eindruck, dass es den Machern wichtiger war ein schönes Spielobjekt zu produzieren, statt für ein samtweiches, angenehmes Spielgefühl zu sorgen.

Die große Ironie von Clockworker besteht vielleicht darin, dass es ein Spiel ist, welches Spieler*innen darauf trimmt zweckoptimiert zu spielen. Gleichzeitig wird die grafische Aufmachung diesem Punkt aber nicht gerecht. Clockworker zu spielen fühlt sich jedes Mal so an, als würde ich meinen etwas zu engen Kapuzenpullover anziehen. Anfangs ist es etwas unbequem und steif. Aber nach einiger Zeit, fühle ich mich darin sehr wohl. Aber ich werde auch immer wieder gefragt, warum ich den Pullover nicht entsorge, wenn ich ihn doch so selten aus dem Schrank hole. Ich glaube, Clockworker wird es ähnlich gehen.

Georgios Panagiotidis
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