Verlag: Pegasus Spiele
Autor: Muneyuki Yokouchi
für 2 – 5 Spieler*innen
ab 10 Jahren
Dauer: 20 – 50 Minuten
#Spiel23
Hier steht ein Witz über Schrödingers bekanntes Gedankenexperiment zu einer Katze, die er nicht mochte. Oder auch nicht.
Aus Gründen, die ich etwas irreführend finde, hab ich in meinem Umfeld den Ruf keine Stichspiele zu mögen. Dabei ist das Problem eigentlich ein ganz anderes. Die Personen mit denen ich diese Spiele oft probiere, haben weit mehr Erfahrung in diesem Genre als ich. Das führt oberflächlich gesehen vor allem dazu, dass ich diese Spiele nie gewinne. Zumindest nicht vorsätzlich. Aber was sehr viel prägender für mein Spielerlebnis und meine Spielbeurteilung ist: mit fehlt der Erfahrungsschatz, um die Feinheiten dieser Spiele wertzuschätzen. Während meine Mitspieler sich am Synapsenfeuerwerk erfreuen, das mit ihrer eben erhaltenen Kartenhand ausgelöst wurde, starre ich etwas orientierungslos auf meine Kartenhand und frage mich was sie mir genau sagen sollte.
Ich behaupte mal, dass dieses Phänomen nicht nur an meiner Person liegt. Mehr noch, es ist ein weitverbreitetes Spielerlebnis, welches vor allem Seltenspieler*innen kennen, die zum ersten Mal mit den Favoriten der Spielszene konfrontiert werden. Denn wie bei eigentlich allen Spielen, besteht die größte Hürde nicht darin, dass die Aufgabe, die gestellt wird zu schwierig ist. Die große Herausforderung besteht darin, zu erkennen welche Faktoren die Aufgabe des Spiels überhaupt ausmachen.
Cat in the Box gelingt nun das kleine Meisterwerk beide Fragen des „Wie?“ und „Wie schwer?“ nicht nur getrennt zu beantworten, sondern sie auch in einem unterhaltsamen Kartenspiel zu vereinen. Wie bereits angedeutet, handelt es sich bei Cat in the Box um ein Stichspiel mit allen seinen gängigen Stichspielregeln. Es gibt Bedienzwang. Es gibt eine Trumpffarbe. Höhere Zahlen schlagen niedrigere Zahlen. Man sagt zu Beginn an wie viele Stiche man holen wird. So weit, so vertraut.
Hinzu kommen jedoch zwei Kniffe, welche Cat in the Box herausstechen (hah!) lassen. Der in meinen Augen bedeutsamere, mag für manche eher banal wirken. So werden die Karten, die in jeden einzelnen Stich gespielt wurden, auf einem Spielbrett markiert. So bald man eine Karte gespielt hat, legt man einen der eigenen Spielsteine auf die entsprechende Farbenreihe und in die entsprechende Zahlenspalte. Damit ist für alle Teilnehmer*innen ersichtlich, dass diese Karte nicht mehr im Spiel ist. Daraus ergibt sich sofort das Logikrätsel, welches eben vielen Stichspielen zu Grunde liegt. Mit welchen Karten auf meiner Hand kann ich mir einen Stich noch sichern und welche Karten sind effektiv nutzlos? Das Spielbrett breitet ein Raster aus, aus dessen Befüllung man durch logische Deduktion herleiten kann welche Stärken die eigene Hand besitzt. Es sind diese Fragen und diese Überlegungen, die man beim Erlernen eines solchen Spiels schnell erkennen muss, um überhaupt zielführend spielen zu können. Mehr noch, es sind diese Gedankenmodelle, die man üben und trainieren muss, um in solchen Spielen besser zu werden.
Es ist ein Umstand, der meines Wissens nach in keiner Anleitung eines Stichspiels ausgesprochen wird. Auch in Cat in the Box findet das keine Erwähnung. Stattdessen wird einem jedoch ein Spielbrett geboten, dessen Informationen nicht nur die Aufmerksamkeit auf den Kern des Spiels richten, sondern auch das Kurzzeitgedächtnis entlasten. Anders als in anderen Stichspielen üblich, kann man jederzeit erkennen welche Karten nicht mehr in die Mitte gespielt werden können. Es ist also nicht nötig sich bei jeder Hand zu merken, ob mein Gegenspieler eine bestimmte Karte noch auf der Hand haben könnte oder nicht.
Dieser Punkt würde Cat in the Box schon zu einem sehr modernen Stichspiel machen: es ist einsteigerfreundlich und besitzt ein Interface, welches auf Spieler*innen-Komfort ausgelegt ist.
Aber Cat in the Box ist auch ein sehr forderndes Stichspiel. Denn jenseits der Basiskompetenzen des Stichspiels, die man hier trainiert; gibt es noch weitere Ebenen, die Spieler*innen zu viel Taktik, Bluff und Strategie einladen. Das ergibt sich aus dem zweiten Kniff, der oft mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht und nicht zuletzt die Grundlage liefert, weshalb das Spiel nun mal Cat in the Box heißt. Denn die Karten auf der Hand haben zwar vorgedruckte Zahlenwerte, aber keine vorgedruckte Spielfarbe. Diese legt man selbst erst fest, wenn man die Karte spielt. Die daraus entstehende Flexibilität (bzw. Unberechenbarkeit) nimmt erfahreneren Stichspieler*innen einiges an Planungssicherheit. Die Anzahl an potentiellen Zügen der Konkurrenz, die es zu antizipieren gilt, werden dadurch ins beinahe Unüberschaubare vergrößert. Erst nachdem die ersten Stiche gespielt worden sind, schärft sich das Bild und man kann ungefähr einschätzen welche Stiche man sich noch sichern kann und welche nicht.
Zusätzlich gibt es noch Bonuspunkte, die man erreichen kann, wenn man auf dem Spielbrett einen zusammenhängenden Bereich an gespielten Karten aufweist. Um diese für sich zu beanspruchen, muss man jedoch zuvor die Anzahl der angesagten Stiche auch geholt haben. Diese Verschränkung zweier strategischer Ziele hat etwas bemerkenswertes zur Folge. Ungeübte Spieler*innen empfinden das Erreichen beider Ziele oft als stark motivierenden Glücksfall, während sich versierte Stichspieler*innen in hochkomplexen taktischen Abwägungen verlieren, die spannend und belohnend zu gleich sind. Sie müssen ihre Kartenhand nicht nur auf erzielbare Stiche prüfen, sondern gleichzeitig die gespielten Karten nutzen, um sich einen Punktezuschuss zu ergattern, der ihnen den Sieg garantiert.
Wer das Glück (oder Pech) hat Cat in the Box nur mit erfahrenen Stichspieler*innen zu spielen, wird wohl spannende Gefechte auf höchstem taktischen und strategischem Niveau genießen können.
Dennoch ist Cat in the Box überraschend effektiv darin Spielgruppen vom Einsteigerlevel bis hin zum anspruchsvollen Stichspiel zu begleiten. Das Spielkonzept vermittelt auf visuelle und praktische Art und Weise in welchen Bahnen man denken und planen muss. Während die ungewöhnlichen Kniffe des Spiels dabei helfen auch mit eingespielten Gruppen fordernde und außergewöhnliche Partien zu schaffen.
Damit wird Cat in the Box dann auch seinem thematischen Motiv bzw seinem Verweis auf Gedankenexperimente wider der Quantenphysik gerecht. Es ist ein Spiel, welches gleichzeitig extrem einsteigerfreundlich ist und höchst anspruchsvolle Stichspielpartien bieten kann. Was es am eigenen Spieltisch dann tatsächlich wird, hängt davon ab wer auf die Karten schaut. Aber das hat ja auch irgendwie mit Quantenphysik zu tun.
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