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Cäsars Imperium

Verlag: Holy Grail Games
Autor: Matthieu Podevin
Spieleranzahl: 2-5
Alter: ab 10 Jahren (eher ab 6 Jahren)
Spieldauer: 30-60 Minuten

In der Spielszene ist der Gedanke recht weit verbreitet, dass man sich Spiele schon mal schönredet. Sei es, dass man den real-historischen Hintergrund herunterspielt, weil man die spielerische Interaktion so reizvoll findet. Oder auch dass man die Designschwächen als zielgruppen-bedingte Eigenheit umdeutet, weil die thematische Auseinandersetzung so viel Freude bereitet.

Die Wege nach Rom führen auch übers Mittelmeer

Ein verwandter Ansatz ist nicht weniger selten in der Szene vertreten, wird aber kaum angesprochen. Manche Spiele hat man sich ganz schnell schlecht geredet. Vielleicht stehen sie nicht auf einem Niveau mit den Besten des Genres. Vielleicht ist das Thema zu diffus, oder die Regeln sind flink von Vielspieler*innen ausgehebelt. Das ist bedauerlich, denn damit erheben wir das Herausragende zum Feind des Guten.

Um es einfach zu machen, Cäsars Imperium ist ein gutes Spiel. Es ist kein herausragendes Spiel, aber vielleicht muss es das ja auch nicht sein. Aufmachung und thematischer Hintergrund signalisiert zuerst Familienfreundlichkeit. Die „Römer“, wie man sie aus den Geschichten von Uderzo & Goscinny kennt, liefern hier den thematischen Aufhänger. Die noch viel bekannteren Gallier hingegen, sucht man vergebens. Durch das Auslegen römischer Plastiklegionen breiten wir Cäsars Imperium aus. Das erinnert entfernt an Zug um Zug, in dem ebenfalls Städte durch das Anlegen von Spielsteinen auf einer Karte verbunden werden.

Hier jedoch wird deutlich einfacher gespielt: man verbindet die nächstgelegene Ortschaft mit dem Römischen Reich, nimmt sich die dortigen Plättchen und verteilt Punkte an die Legionen, die zur neuen Ortschaft führen. Sind alle Ortschaften mit dem Römischen Reich verbunden, ist das Spiel vorbei.

Man beachte die kleinen visuellen Gags des Spielbretts

Dieser Kurzbeschreibung macht zwei Dinge deutlich. Zum einen, dass die Anleitung furchtbar umständlich geschrieben ist, aber auch dass Cäsars Imperium im Herzen ein knuffiges Mitbringspiel ist. Es braucht nicht viel Zeit, um es zu begreifen und wenig Aufwand es zu spielen.

Der eigentliche Kniff liegt in der etwas verschachtelten Punkteabrechnung zum Ende des Spiels. Hier spielen die Art der Plättchen, ihre Zahl und die Verteilung im eigenen Besitz eine Rolle. Dank dieser Umrechnung kann es bei der finalen Punkteabrechnung schon mal zu unerwarteten Wendungen und überraschenden Siegen kommen. Es ist eine Eigenheit, die zumindest bei Familienspielen sehr lobenswert ist.

Wer diese Schlussrechnung jedoch in das laufende Spiel zieht und genaustens austariert welche Pfade welche Punktegewinne mit sich bringen, wird sich schon ab der 4. oder 5. Runde wahlweise die Haare raufen oder den Kopf gegen den Tisch hauen. Zu viele Variablen und Möglichkeiten breiten sich vor einem aus, um mit Sicherheit sagen zu können, welcher Pfad zum Sieg führt. Mehr noch, das Spielgefühl zerfällt in eine Rechnerei, die dem Familienanspruch zuwider steht. Es liegt hier an der Spielgruppe die richtige Mischung aus Bauchentscheidung und grob im Kopf überschlagenen Punktegewinn zu machen. Man kann Cäsars Imperium sehr anstrengend spielen. Aber dann ist es halt anstrengend.

Einiges an Waren konnte La Triviata bereits für Cäsar ergattern

Das tatsächliche Manko des Spiels ist nicht sein Schwierigkeitsgrad, sondern seine Aufmachung. Die Größe des Spielplans, das Volumen der Spielsteine und auch die Zahl der Punkteplättchen erwecken den Eindruck, man hätte es hier mit einem sehr viel aufwändigeren Spiel zu tun als es tatsächlich der Fall ist. Ein Spiel mit versteckten strategischen Tiefen und taktischen Kunststücken, die man vollführen kann. Stattdessen gibt es kleine Momente, in denen gerade unerfahrene Spieler*innen ein Erfolgserlebnis erfahren, wenn sie eine Handvoll Punkte schnappen, die sie vorher gar nicht gesehen haben. Das macht Cäsars Imperium zu einem einladenden und auch dankbaren Einsteigerspiel.

Größe, Aufmachung und auch die Erfahrung der Spielgruppe selbst mögen hier Erwartungen wecken, die das Spiel nicht erfüllen kann. Das wäre bedauerlich, denn damit lässt sich ein gutes Spiel sehr schnell und einfach schlecht reden.

Georgios Panagiotidis
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