Autor*innen: Rosaria Battiato, Massimo Borzì, Martino Chiacchiera
Verlag: DV Games / Kosmos
für 1 – 4 Spieler*innen
ab 10 Jahren
Dauer: 30-45 Minuten
Brettspiele sind in der Regel darauf ausgelegt ein gemeinschaftliches Spielerlebnis zu ermöglichen. Durch Interaktion soll eine spielende Gemeinschaft geformt werden, die das Erlebnis miteinander teilt. Bonsai hingegen geht in eine andere Richtung.
Manchen Spielen wird vorgeworfen (oder zumindest wertend angemerkt), dass sie eigentlich Solospiele sind. Zuletzt kamen derartige Äußerungen um Dorfromantik – Das Brettspiel auf. Da die Regeln den Spieler*innen keine klar abgegrenzte Rolle zuwiesen und auch keine feste Abfolge der Entscheidungen vorgaben, mussten die Spielenden als Gruppe handeln. Es ging darum eine gemeinsame Einigung zu finden, wohin das gezogene Plättchen gelegt werden sollte. Wie man zu einer Entscheidung kam, war der Gruppe selbst überlassen. Dafür gab es keine Regelvorgaben. Man musste sowohl Gesprächskompetenz beweisen als auch die Fähigkeit den bestmöglichen Spielzug aus der Situation heraus zu identifizieren.
Bonsai knüpft an letzteres an. Auch hier geht es darum die eigene Auslage zu optimieren, um möglichst viele Punkte zu machen. Ein kluger Designkniff ist hier, dass einzelne Entscheidungen meist wenige Möglichkeiten bieten. Man kann entweder eine von vier ausliegenden Karten wählen und zusätzlich Plättchen erhalten, oder man kann bereits gesammelte Plättchen in die eigene Auslage legen. Welche und wie viele Plättchen man legen darf, hängt wiederum davon ab welche Karten man bisher schon gezogen hat.
Diese enge Schlaufe an Entscheidungen und Auswirkungen hat zur Folge, dass sich Bonsai beim Spielen sehr fokussiert anfühlt. Jede kleine, überschaubare Entscheidung eröffnet Möglichkeiten in eine Richtung und verschließt Optionen in die andere. Schritt für Schritt wägt man ab, wie man seine Auslage (den namensgebenden Bonsai) verbessern möchte. Das hat zum einen zur Folge, dass sich das Spiel durchgehend konstruktiv anfühlt. Der eigene Baum wächst unentwegt, wenn man nicht sehr viel falsch gemacht hat. Aber dieser enge Fokus führt auch dazu, dass die Erfolgsmomente und Herausforderungen sehr individuell erlebt werden. Wir teilen uns keine gemeinsame Auslage und sehen die Errungenschaften anderer. Der Spielgenuss gehört mir allein und nicht uns allen. Erst wenn das Spiel zu Ende ist, können wir uns an den Auslagen der Mitspieler*innen erfreuen.
Damit schafft Bonsai eine gewisse Resonanz mit seinem Thema. Ähnlich wie die Pflege eines realen Bonsai durch Sorgfalt und Konzentration geprägt ist, finden wir uns hier in einer Rolle wieder in der wir ähnlich sorgfältig und konzentriert an unserer Aufgabe sitzen. Das ist für ein Spiel dieses Genres nicht ungewöhnlich, aber die thematische Auskleidung passt hier deutlich besser als bei Spielen in denen wir z.B. Handelsgüter international kaufen und verkaufen oder nordamerikanische Naturreservate planen.
Aber ganz ohne traditionelle Strukturen will Bonsai auch nicht bleiben. So werden Wettbewerbsideen eingestreut, um dem Spielverlauf die meditative Ruhe seines Themas zu nehmen und mehr Dringlichkeit einzubringen. Im Kartenstapel befinden sich Wertungskarten, die man sich nehmen kann, um alleine zusätzliche Punkte am Ende des Spiels zu ergattern. Der eigene Bonsai wird dadurch nicht verändert, aber man kann natürlich versuchen die eigene Auslage in diese Richtung zu optimieren. Zusätzlichen liegen immer drei Arten von Punkteplättchen aus, die man sich nur nehmen darf, wenn der eigene Bonsai bestimmte Eigenschaften erfüllt. Je anspruchsvoller (und zeitaufwändiger) diese Bedingung ist, umso mehr Punkte erhält man für das Plättchen. Man bietet sich ein Wettrennen mit den anderen Spieler*innen am Tisch, um sich ein solches Plättchen vor den anderen zu holen. Der verstohlene Blick auf die Auslage der anderen wird hier unvermeidlich.
Man bekommt das Gefühl, dass dem Verlag oder den Autoren ein klein wenig der Mut ausging ein reines Solospiel zu entwerfen. Das kompetitive Element in Bonsai wirkt aufgesetzt, auch wenn es sauber in den Spielverlauf eingearbeitet ist. Aber die Reihe an Herausforderungen für den Solomodus im Regelheft deutet darauf hin, wo das Herz dieses Spiels wirklich schlägt. Denn der Grund weshalb man Bonsai wiederholt aus dem Schrank zieht, ist das individuelle Spielerlebnis, das es ermöglicht. Es ist die ruhige Spielweise und die Möglichkeit sich mit Zeit und Muße zu verbessern, die Bonsai so angenehm macht. Bonsai ist ein Spiel, um Entspannung zu genießen und sich gleichzeitig an einer nicht zu hoch gesteckten Herausforderung zu erfreuen.
Manche Menschen lösen das Kreuzworträtsel in der Zeitung, um sich einen ruhigen Nachmittag zu gönnen. Für Brettspieler*innen gibt es jetzt Bonsai.
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