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Bloc by Bloc – Uprising

Autoren: Greg Loring-Albright & T.L. Simons
Verlag: Out of Order Games
Spielende: 1-4
Alter: ab 13/12 Jahren
Spieldauer: 1-2 Stunden

Bloc by Bloc ist kein Spiel, das Spaß macht. Es ist viel interessanter als das. Es sorgt nicht für „Spaß“, so wie ein Spiel wie Spirit Island nicht für „Spaß“ sorgt. Stattdessen wird man mit einer anspruchsvollen Herausforderung konfrontiert, der man sich unbedingt stellen will. Aber es ist kein Spiel, bei dem die Gruppe in Gelächter ausbricht, weil ein Würfelwurf in eine unerwartete Richtung geht oder eine aufgedeckte Karte einen besonders spannenden Konflikt beendet. Solche Situationen sind unterhaltsam, aber Bloc by Bloc ist nicht darauf ausgelegt ist, sie zuverlässig entstehen zu lassen.

Auf dem Spielplan ist eine Stadt zu sehen, die sich am Besten als Anyplace, USA beschreiben lässt (oder Ortstadt, Teutonien oder ähnliche hypothetische Allerweltsorte). Zwei große Gruppen stehen sich hier gegenüber. Auf der einen Seite die Polizei, auf der anderen eine Koalition aus 2-4 sozialen Gruppen, die versuchen, bestimmte Teile der Stadt zu besetzen und zu befreien. Die Aufgabe besteht darin, so viele der eigenen Holzwürfel wie möglich zu mobilisieren und an die gewünschten Orte zu manövrieren. Gleichzeitig muss man sich gegen die Polizei zur Wehr setzen, die versucht, diese Menschenansammlungen zu zerschlagen.

Wenn ein Ort mit den eigenen Würfeln überrannt wurde, wird er befreit. Das heißt, man dreht den Stadtblock auf seine bunte Seite. Darunter befindet sich eine Befreiungskarte („liberation card“), die einen Erzählschnipsel liefert in dem sich Menschengruppen in irgendeiner Form solidarisieren. Diese Karten fühlen sich weniger wie Kapitel einer fortlaufenden Geschichte an. Es sind vielmehr kleine Siegesfeiern, weil man seinem Ziel ein Stück näher gekommen ist. In einer der subtileren Design-Entscheidungen ist, kann ein befreiter Stadtblock nicht wieder vom Staat unterdrückt werden. Das hält nicht nur die Spielzeit im Zaum. Es legt auch den Grundstein dafür, dass sich Bloc by Bloc optimistisch anfühlt. Eine positive Veränderung kann nicht rückgängig gemacht werden.

Hier brennt gleich nicht nur die Luft

Selbst dann haben taktische Überlegungen weniger mit Solidarität zu tun, als damit wie man strategisch wichtige Engpässe auf der Karte angreifen kann. Man stellt Barrikaden auf (um die Polizei einzuschränken), organisiert Vorräte (um sich besser verteidigen zu können) oder rekrutiert neue Leute (um einfacher Stadtblöcke zu befreien). Manchmal opfert man eigene Blöcke, um den Feind an einem bestimmten Ort zu halten, damit man genug Zeit gewinnt an einem anderen Ort handeln zu können.

Das macht nicht „Spaß“ wie die meisten kooperativen Spiele. Man hat nicht das Gefühl, dass die Entscheidungen exakt so entworfen wurden, dass sie durch Schwierigkeit oder Spannung unterhalten. Kooperative Spiele machen Spaß, weil man darin kooperieren kann. Man muss auf clevere Weise das nächste Hindernis überwinden, dass einem das Spiel vorsetzt. Wir können individuelle Aktionen geschickt miteinander koordinieren. Wir geben uns innerhalb der strengen Kommunikationsbeschränkungen ganz ausgefuchste Tipps. Manchmal setzen wir einfach alles darauf, dass die Würfel dieses eine Mal genau so fallen, wie wir es brauchen. Alles das sind bewährte Situationen, in denen kooperative Spiele Spaß machen. Darum sind auch viele dieser Spiele darauf ausgelegt, diese Situationen entstehen zu lassen.

Aber wie ich schon sagte, Bloc by Bloc macht keinen „Spaß“. Denn ich würde behaupten, dass Bloc by Bloc kein kooperatives Spiel ist, auch wenn es viele seiner Merkmale teilt. Es gibt spielerspezifische Spezialfähigkeiten. Es gibt ein Regelwerk, das den Spieler ständig unter Druck setzt ohne vorhersehbar zu sein. Aber wenn man es genau nimmt, versucht Bloc by Bloc nicht, die Spielgruppe zum Lachen zu bringen. Die Herausforderungen, die es stellt, sind nicht „spaßig“. Wenn man sie aber meistert, hinterlassen sie ein starkes Gefühl der Genugtuung.

Wir organisieren einen Bürgeraufstand gegen eine unterdrückende Staatsgewalt. Wir analysieren den Stadtplan nach strategischen Knotenpunkten. Wir versuchen Wege zu finden, um die Ansammlung gegnerischer Truppen zu knacken. Wir müssen Versorgungslinien aufbauen und unsere Position an bestimmten Orten festigen. Wenn der Feind in voller Stärke angreift, müssen wir die Stellung halten können aber auch Fluchtmöglichkeiten im Petto haben. Wir müssen durchgehend die Orte im Auge behalten, die wir kontrollieren müssen, um den Sieg zu holen.

Bloc by Bloc mag wie ein kooperatives Spiel aussehen und sich auch so lesen. Aber es fühlt sich an wie ein Kriegsspiel. Und genau darum geht es.

Politisch waren Brettspiele vermutlich schon immer. Aber erst vor ein paar Jahren hat man begonnen, die politische Aussagekraft von Spielen zu hinterfragen. Genauer gesagt, wurde bis vor kurzem in der zugegebenermaßen konsum-orientierten Szene nicht darüber gesprochen, dass das Thema eines Spiels politische Aussagen implizieren könnte. Die kritische Diskussion über Brettspiele hat seitdem sicherlich an Fahrt aufgenommen. Das Thema eines Spiels wird stärker interpretiert und man versucht zu erkennen, was das Spiel wirklich aussagt.

Allerdings werde ich mit der Idee, das Thema eines Spiels zu dekonstruieren, um seine Botschaften besser zu verstehen, nicht warm. Denn anders als Filmzuschauer oder Buchleser übernehmen Spieler in Spielen eine viel aktivere Rolle die Aussagen eines Spiels zu bilden. Sie ordnen das Thema eines Spiels in den Kontext ein, in dem sie es sehen wollen. Sie verbinden einzelne Mechanismen mit einem übergreifenden Motiv ihrer Wahl. In einigen Fällen ersetzen sie sogar die Begriffe des Spiels durch solche, die sie für passender und kohärenter halten, und verändern so die Bausteine, aus denen sich das Thema des Spiels zusammensetzt.

Barrikaden zur Inneren Sicherheit

Darum sagt das Thema, das wir beim Spielen des Spiels artikulieren, mindestens genauso viel über uns selbst aus wie über das Spiel. Das Thema eines Spiels zu dekonstruieren und zu untersuchen bedeutet in gewisser Weise, die Annahmen zu kritisieren, die wir selbst auf das Spiel projiziert haben. Wir lernen weniger darüber, was das Spiel tatsächlich aussagt, sondern viel mehr darüber, was wir hören können.

Wenn wir uns also mit der politischen Ebene eines Spiels befassen wollen, müssen wir über das einkleidende Themas hinaus schauen. Wir müssen uns die grundlegenden Annahmen ansehen, auf denen das gesamte Spiel beruht. Bei Bloc by Bloc sind diese Annahmen der Grund, warum sich das Spiel wie ein Kriegsspiel anfühlt. Denn die Grundannahme, welcher man bei Bloc by Bloc zustimmen muss, ist, dass ein Aufstand eine Form von Krieg ist. Alles andere – von der Art und Weise, wie die Gruppen identifiziert werden, bis hin zu den Namen der Orte, um die gekämpft wird, oder sogar der Art und Weise, wie die gegnerischen Einheiten dargestellt werden – veranschaulichen diese Annahme mit Beispielen, die wir wiedererkennen können.

Die einzige Sprache, die der Feind in Bloc by Bloc versteht, ist Gewalt. Wir können zwar Gebäude besetzen oder Orte auf der Karte befreien, um die feindliche Moral zu schwächen, aber wir interagieren ausschließlich durch physische Gewalt. In diesem Fall bedeutet das, dass wir Spielfiguren vom Spielbrett entfernen.

Als ich schrieb, dass Bloc by Bloc keinen „Spaß“ macht, habe ich das nicht getan, um das Spiel als schlecht zu bezeichnen. Das ist es nicht. Sondern weil ein „Spaßspiel“ etwas Frivoles suggeriert. Bloc by Bloc zu spielen hat sich für mich nicht frivol angefühlt. Als ich mich das erste Mal hinsetzte, um es zu spielen, tauchten auf meinen Social-Media-Kanälen gerade die ersten Meldungen aus dem Iran auf. Die Menschen im Iran gingen auf die Straße, um sich gegen ein gewalttätiges und tyrannisches Regime zu wehren (und es hoffentlich zu stürzen), das sich durch unmenschliche Formen der Unterdrückung an der Macht hielt. Die Geschichten, die die Menschen erzählten, waren erschütternd. Die Momente in denen sie sich erfolgreich widersetzen konnten, fühlten sich wie eine Katharsis an.

Bloc by Bloc zu spielen war für mich eine willkommene Form des Eskapismus. Nicht, weil ich jugendliche Fantasien hege, wie ich heldenhaft auf den Straßen gegen Bullen kämpfe. Es war Eskapismus in dem Sinne, dass ich mir – zumindest für einen Abend – eine Welt vorstellen durfte, in der ich mich aktiv gegen das beängstigende Bild der politischen Unterdrückung durch Polizeibrutalität wehren konnte. Es war ein Spiel, in dem sich Menschen gegen die gewalttätigen Kräfte, die sie unterdrückten, zur Wehr setzen konnten.

Es war Eskapismus in der Art, wie die beste Art von Fiktion die Realität beeinflusst: weil sie eine vage Vorstellung davon vermittelt, wie Hoffnung aussehen könnte. Bloc by Bloc ist kein Spiel, das mir „Spaß“ macht. Es ist sehr viel interessanter als das.

Georgios Panagiotidis
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