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Verlagsvorstellung Gung Ho Games

Da ich morgen ein paar Tage weg fahre, bereits heute ein Interview!

Piratenspiele sind immer wieder beliebt. Ein neuer (britischer) Verlag, Gung Ho Games, hat als Erstlingswerk gerade dieses Thema gewählt und dem sogar eine relativ neue Seite abgewinnen können. Mehr davon nach und während des Interviews!

Bitte stelle Dich und Deinen Verlag unseren Lesern vor!

Ich heiße Gabrio Tolentino. Ich wurde 1973 in Trieste, Italien geboren. Ich habe immer viele Brett- und Miniatenspiele gespielt. 1997 habe ich Italien verlassen, um in England für Games Workshop zu arbeiten. Nachdem ich in der für Italien zuständigen Handelsabteilung gearbeitet habe, wurde ich für vier Jahre Leiter des italienischen Studios (verantwortlich u.a. für die monatliche Ausgabe von White Dwarf, die Übersetzungen der Regelbücher und der Webseite und Veranstaltungen wie Turniere oder den Games Day) und der Dirketverkäufe (Mail Order) 2004 begann ich im englischen Design Studio als Oberer Projektmanager wo ich Projekte wie die neueste Space Hulk Ausgabe betreute und Eavy Metal (Bemalungen) managte.

2011 gründete ich dann zusammen mit Pete Casson, einem sehr talentierten Künstler, einen eigenen Verlag. Im Moment sind wir noch ein unabhängiger, sehr kleiner Verlag, aber wir haben viel vor und wollen denselben Kundenservice bieten, wie ihn auch große Verlage bieten. Wir wollen gute Brettspiele machen und später vielleicht auch Miniaturenspiele. Wenn möglich bieten wir unsere Spielregeln in vier Sprachen (Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch) an. Unser Sitz liegt in Nottingham, England.

Bitte erzähle uns mehr über eure Spiele!

Unser erstes Spiel ist Pirates of Nassau. Es ist ein Eurogame, in dem man Handelsschiffe um Silber und Güter erleichtert, mit denen man sein Schiff ausbaut, um mehr plündern zu können. Am Anfang des 18. Jahrhundert war der Haffen von Nassau ein berüchtigter Ort, der Piraten von nah und fern anzog.

In Pirates of Nassau operiert man von Nassau aus. Man kapert und plündert die Handelsschiffe, die auf den naheliegenden Handelsrouten verkehren und verwendet das Diebesgut zum Ausbau des Schiffes und zum Anheuern von weiteren Freibeutern. Dabei wird man immer berüchtigter und wird zum Ziel der Royal Navy, die versucht die Piarten in der Karibik auszulöschen. Hast Du die Fähigkeiten, Mut und Hinterlist, die man braucht um zum größten Piraten aufzusteigen?

Das Spiel macht Spaß, hat ein sehr ungewöhnliches Bewegungssytem und das Thema ist sehr passend. Es hat eine Menge guten Materials und wiegt durch die ganzen Holzressourcen, Karten und Pappmarker 2 Kilo!

Was habt ihr für die Zukunft geplant?

Unser nächstes Spiel ist zur Zeit noch in Entwicklung und sollte dieses Jahr erscheinen. Es heißt Vicious City und ist ein Film Noir Erzähl-Kartenspiel. Die Mechanismen sind einfach: Man ergänzt die aktuellen Verdächtigen oder Verschwörungstheorien entweder um be- oder entlastende Beweise. Am Ende gibt es Punkte, wenn die eigenen Verdächtigten verurteilt werden oder die Verdächtigen, die man für unschludig hielt, frei kommen. Aber der eigentliche Witz der Sache ist, dass man jede Beweiskarte mit einem passenden Statement des Charakters zu den jeweiligen Umständen untermalen soll. Dadurch entsteht jedes Mal eine einzigartige Film Noir Handlung und das Aufbauen dieser Geschichten ist der Kern des Spieles.

Nehmt ihr auch Prototypen von anderen Autoren an?

Ja, wir nehmen einen ausführlich getesteten Prototypen jedes Spieles an, es sollte aber mit einer sehr detaillierten Beschreibung kommen. Wir versuchen im Falle einer Ablehnung alles wieder zurück zu schicken, vorrausgesetzt wir bekommen das Rückporto (oder es gibt eine ähnliche Lösung), können das aber nicht garantieren.

Hast Du noch einen abschließenden Rat für alle Leute, die einen Verlag gründen wollen?

Mein Rat ist: Beginnt mit einem Geschäftsplan! Es gibt viele Faktoren, die man einplanen muss – mehr als ich hier aufzählen kann, aber der Plan sollte auf jeden Fall den Verkauf, Werbung, Kundendienst und Preisgestaltung ebenso beinhalten, wie die offensichtlicheren Dinge wie Lagerhaltung, Versand, Produktion, Transport vom Produzenten usw.

Wer sich damit nicht auskennt, sucht sich Hilfe! Die Spieleszene bietet oft große Hilfe untereinander für wenig oder gar kein Geld an. Ich zum Beispiel, helfe anderen Möchtegernverlagen gerne bei Projektplanung oder Buchhaltung für einen sehr niedrigen Freundschaftspreis

Wer einen ordentlichen Geschäftsplan macht, stellt fest, was er sich aufbürdet, wie viel es kosten wird und erlaubt einen letztlich eine sehr begründete Entscheidung dafür (oder dagegen) zu treffen.

Vielen Dank für das Interview!

Wie im Interview bereits angedeutet ist Pirates of Nassau insofern ein besonderes Spiel, als dass es ein thematisches Piratenspiel ist, dass allerdings dem Euro-Vielspieler-Genre zuzurechnen ist und daher zum Teil eher an ein Aufbauspiel erinnert.

Jede Runde beginnt damit, dass die Spieler reihum drei Aktionen durchführen. Dabei bewegen sie sich in einer ziemlich einzigartigen Manier auf dem Brett, die ganz rudimentär an Kingsburg erinnert und zwar insofern als dass die Bewegung zwar würfelgesteuert ist, aber für die richtige Mischung aus Einschränkung und Freiheit sorgt. Auf den Zielfeldern ist entweder (fast) nichts zu holen oder es sind Häfen (fest) oder Handelsschiffe (Karten). Letztere können gekapert werden, wenn die Ausstattung im Schiff ausreicht. Tut sie es nicht, kann mit Karten nachgeholfen werden. Die fehlen dann aber am Ende, denn nach jeder Runde muss man sich mit einem recht heftigen Kriegsschiff anlegen – wobei diese um so stärker sind, desto mehr man den Behörden bislang durch Plünderungen und Kaperfahrten aufgefallen ist. Ein schöner Mechanismus – sowohl spielerisch als auch thematisch! Wer gegen die Kriegsschiffe verliert, verliert entweder Ansehen oder Waren und wer richtig platt gemacht wird, sogar beides!

In den Häfen gibt es entweder 1-2 Güter oder man plündert diese gleich für bis zu 6 Münzen (wobei jede Münze einen Wert von 2 Gütern hat), was einen erst recht auf die Abschlussliste setzt und den Hafen dauerhaft aus dem Spiel nimmt.

Nach allen Aktionen darf man sein Schiff aufrüsten. Da gibt es bessere Segel (zum Kapern von Schiffen) und Kanonen (zum Kapern von Schiffen und Plündern von Häfen) sowie allerlei Gedöns mit Sonderfähigkeiten sowie einmalig einsetzbare Mannschaftsmitglieder. Da alles Platz braucht (ebenso wie gekaperte Waren), sollte man regelmäßig auch über eine Schiffsvergrößerung nachdenken, die natürlich ebenfalls teuer ist. Wer danach tatsächlich noch Geld übrig hat, darf dieses für die Endwertung vergraben.

Ich habe hier sehr stark vereinfacht – die Regeln sind nicht schwierig aber ein Spiel vom Kaliber „Ora et Labora“ darf man regeltechnisch schon erwarten. Das gilt auch für das Spielgefühl. Trotz aller durchaus vorhanden thematischen Nähe sind die Piraten von Nassau aus dem Lande Euro-Aufbauspiel und fühlt sich größtenteils auch so an. Das ist nichts schlimmes, aber wissen muss mans. Da passt es auch, dass Siegpunkte in verschiedenen Kategorien vergeben wird (Schiffsausbauten, Mannschaft, vergrabenes Gold und die erwähnte Abschlussliste), von denen höchstens zwei (Gold und Abschlussliste) wirklich „Piratenhaft“ sind und nicht auch zu friedlichen Stadtausbauern passen. Doch das sind Details.

Wer gerne Euros spielt und gerne Piratenspiele, wird an der Schnittmenge durchaus gefallen finden. Das Material ist OK, teilweise etwas sehr unübersichtlich aber definitiv kein Hinderungsgrund!

ciao

peer

Peer Sylvester
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