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Verlagsübersicht Play with us Design : Cheers, VITA MORS, Vita Mors: Conspiro

Play with us Design ist ein Verlag aus Taiwan, der Spiele des Taiwanesischen Autoren Shi Chen veröffentlicht. Doch das ist nicht das einzige gemeinsame Merkmal der Spiele: Zumindest die drei Spiele, die ich in Essen mitgenommen habe, basieren alle auf dem Umgang mit Informationen. Wie das geschieht ist jeweils unterschiedlich, aber stets ungewöhnlich. Da ist es ein bisschen Schade, dass die Spielregeln diesen Punkt nicht richtig herausarbeiten. Zudem erschwert das Format und die Schriftgröße (die vermutlich eigens für diese Spielereihe erfunden wurde) das Lernen der Regeln. In alle drei Spiele muss man sich daher in das jeweilige Spiel reinarbeiten, idealerweise mit offenen Proberunden. Dabei geht es nicht nur um das pure Regelverständnis (bereits eine gewisse Hürde), sondern nicht zuletzt auch ein Verständnis dafür Was man eigentlich Wie und Warum tut.

Ob sich der Aufwand lohnt? Das hängt davon ab, was man will. Ungewöhnlich sind die Spiele allemal, man wird also zumindest etwas neues kennenlernen.

Cheers

Für 3-6 Spielende ab 6 Jahren (sinnvoll eher ab 8)

Spieldauer: 15-25 Minuten

Cheers ist in erster Linie ein Partnerspiel (mit Varianten für ungeraden Spielerzahlen) bei dem es darum geht ein Rezept aus 5 Drinks nachzubauen. Dazu muss man die erforderlichen Getränkekarten auf der Hand haben, ohne dass falsche Getränke dabei sind. Man darf also gerne zu viele Karten der geforderten Arten haben (Mehr Rum ist immer gut!), aber eben nichts falsches (Aber bloß keinen Eierlikör da reinkippen!) Getränke(karten) bekommt man vor allem von den anderen. Wer in einer Partnerschaft den Auftrag erfüllt spielt keine Rolle, so ist es sinnvoll wenn einer eher sammelt und der andere ihm die Drinks zuschustert. Wie in der Wirklichkeit.

Nun ist das nicht so einfach, wenn man die Karten der anderen Person nicht kennt und da kommen wir zu den erwähnten Informationen:

Wer einfach nur eine Karte übergibt, weiß nicht, ob das jetzt sinnvoll war oder nicht – hatte mein gegenüber diesen Drink schon? Bin ich nützlich gewesen oder habe ich nur wertvolle Zeit vertrödelt?

Daher gibt es die Möglichkeit eine Karte zu spielen: Jede Karte zeigt neben dem Drink noch ein kleines Bild einer anderen Flasche. Hat die angespielte Person diese Flasche auf der Hand, wird angestoßen und beide beteiligten Karten müssen an verschiedene Personen abgegeben werden. So kann man nicht nur seinem Gegenüber helfen nicht benötigten Fuel loszuwerden, sondern auch Informationen sammeln, wer welche Karten überhaupt hat. Das ist trotz einfacher Regeln recht ungewöhnlich und vor allem ein bisschen über Bande gespielt: Man testet mit einer Karte ob eine andere Karte im Deck ist und gleichzeitig werden beide Karten zu anderen Personen bewegt. Welches Spielen da wann sinnvoll ist, wird nur langsam klar. Vieles ist experimentell und dieser Eindruck wird durch den Zufallsfaktor noch verstärkt: Gerade am Anfang spielt man noch relativ blind Karten und wenn dadurch ein Team gewinnt, ist das unbefriedigend. Erst wenn die Spieldauer etwas länger dauert, kann man etwas gezielter gegen ungewollte Karten vorgehen (auch gegen eigene, denn man darf eine Karte auch auf sich selbst spielen). Allerdings bleibt das Nachziehglück Nachziehglück.

Für mich ist Cheers noch etwas zu wenig strukturiert, Zufallseffekte lassen sich kaum von Gewolltem unterscheiden. Es ist irgendwo interessant, aber es fehlt genauso irgendwo auch noch ein Puzzleteil.

 

VITA MORS

Für 3-6 Spielende ab 10 Jahren

Spieldauer: 15-25 Minuten

„Social Deduction“ ist ein merkwürdige Genrebezeichnung, denn wirkliche „Deduktion“ findet in den wenigsten Spielen dieses Genres statt. Die meisten Social Deduction – Spiele sind eigentlich Bluffspiele mit geheimen Teams. Oft ist das Erraten der Teams implizit oder explizit das einzige Ziel dieser Spiele.

Vita Mors ist in diesem Sinne eigentlich kein Social Deduction – Spiel; Zwar gibt es auch hier eben jede traditionellen geheimen Teams, aber die Teamzugehörigkeit ist bis auf eine gewisse  Unsicherheit schnell zumindest grob bekannt: Um ihr Ziel zu erreichen, gibt es nicht viele Möglichkeiten, als im offensichtlich besten Interesse des Teams zu agieren. Einzig eine Person versucht zu verhindern, dass kein Team gewinnt und so dafür sorgt, dass man die Teamzusammensetzung eben nicht zu 100% bestimmen kann. Diese Restunsicherheit ist alles was das Spiel braucht, weil die soziale Deduktion hier eben kein reiner Selbstzweck ist: Beide Teams müssen durch Abstimmung erreichen, dass bestimmte Karten für die jeweilige Seite gewählt werden. Die ersten ein, zwei Runden dienen daher zur Informationssuche, wer vermutlich auf der eigenen Seite ist und wer nicht. Denn dann kann man gezielt seine (einmaligen) Fähigkeiten einsetzen, um Stimmen zu verdoppeln oder Leute zu blockieren oder ähnliches. Da in jeder Runde jede Person nur einmal Ziel einer solchen Aktion sein darf, spielt zudem die Reihenfolge in der agiert wird, eine große Rolle. Dadurch wird Vita Mors sehr taktisch: „Spiele ich eine schwache Sonderfähigeit auf mich selbst, damit mich niemand blockiert? Oder soll ich verhindern, dass die Startspielerin ihren Verdoppler auf sich selbst einsetzt, in dem ich sie blockiere? Aber wenn die nächste Runde eine wichtigere Karte kommt, fehlt mir die Blockadeeigenschaft … Eine der Fähigkeiten ist zudem „Drehe die Stimme des Zieles ins Gegenteil!“ was für schöne „Er denkt, dass ich denke“-Momente sorgen kann.

Da zudem die Karten, über die man abstimmt auch Sonderfähigkeiten haben, die aber erst sichtbar sind, wenn über sie abgestimmt wird, muss ständig improvisiert werden. Das Spiel steht dadurch spätestens von Runde Drei an ständig auf Messers Schneide. Obwohl es „nur“ um Abstimmen und den etwaigen Einsatz einer kleinen Sonderfähigkeit geht, ist Vita Mors unglaublich spannend. Und weil es eben trotz der geheimen Teams kein Social Deduction – Spiel darstellt, gilt das auch bei kleineren Spieleranzahlen.

Allerdings: Die Person, die auf Zeit spielen muss, hat bei uns kein einziges Mal gewinnen können. Es ist (vermutlich) nicht unmöglich, aber eben sehr schwierig. Die Rolle ist für die Dynamik sehr wichtig, erfordert aber mehr Spielerfahrung als die normale Teamzugehörigkeit. Spaß machte sie mir dennoch. Vita Mors ist eines der Spiele, die man nach einer Partie sofort noch einmal spielen muss, weil man erst dann weiß, woher und wohin der Hase läuft und wem er den Most mitbringt. Zum Glück ist Vita Mors kurz genug, dass diese Zweitpartie auch problemlos folgen kann. Und dann eine dritte…

 

Vitamors: Conspiro

Für 5-10 Spielende ab 15 Jahren

Spieldauer: 30-60 Minuten

Conspiro ist dagegen ein „echtes“ Social Deduction Spiel. Aber eines was mit dem Informationsmanagement umgeht, wie kaum ein anderes. Man könnte es in dieser Hinsicht als Ergebnis der Progression ansehen, die mit dem eher zufälligen Cheers begann und mit dem sehr sorgfältigen Informationshaushalt von Vita Mors weitergeführt wurde.

Auch hier gibt es zwei Teams (aber keine neutralen Spielenden), wie bei dem Wiederstand kennt sich eines davon. Wie bei Vita Mors muss auch hier eine bestimmte Kombination aus Personenkarten per Abstimmung auf eine Seite gezogen werden, damit das eigene Team gewinnt. Wie auch beim Wiederstand ist ein Team hier in der Minderheit und so eigentlich kaum in der Lage, alleine Abstimmungen zu gewinnen.

Alles andere macht Conspiro anders, als andere Social Deduction – Spiele; Hier geht es nicht darum, lautstark die eigene Unschuldigkeit zu beteuern, um die anderen zu Fehlern zu zwingen. Hier geht es darum,  Informationen zu manipulieren:

Der Kniff, mit dem dies gelingt, ist der: Damit die Mehrheit überhaupt gewinnen kann, muss sie mindestens vier Abstimmungen verlieren. Also, mit Absicht. Welche Abstimmungen verliert man denn freiwillig? Was braucht man nicht? Und sehen das die anderen in meinem Team genauso? Und wer ist das überhaupt?

Der zweite Kniff ist, dass alle Personenkarten ausschließlich verdeckt gespielt werden und erst mit dem Spielende aufgedeckt werden. Wie bei Vita Mors gibt die Rückseite zwar eine grobe Richtung vor, aber nur dahingehend  dass dargestellt wird, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Karte welche Person darstellt.

Wer eine Karte spielt, kennt diese natürlich, aber eben als einzige*r und kontrolliert somit den Informationsfluss mit (und kann natürlich auch lügen). Alle haben lediglich einmal pro Spiel die Möglichkeit sich eine gespielte Karte anzusehen – aber nur eine Person kann dies pro Runde tun und es besteht eine Chance, dass dabei sogar Informationen verloren gehen. Der Informationsfluss ist also wohltemperiert. Das sorgt für Unsicherheit und Spannung, weil die Wahrscheinlichkeiten schnell erfasst werden können und alle am Tisch unterschiedliche Karten kennen – aber niemand alle Informationen hat (anders als bei Spielen wie Wiederstand oder Werwölfe). Wo sich die soziale Deduktion woanders darauf beschränkt, herauszufinden, wer denn jetzt „die Bösen“ sind, ist die Identitätsfrage hier bestenfalls Mittel zum Zweck. Hier ist die Kernfrage ob die „gewonnenen“ Karten überhaupt wichtig für das jeweilige Team waren und wie unsicher ein etwaiger Sieg wohl wäre. Das hängt schon damit zu tun, wer eigentlich für die eigene Seite spielt, aber eben nur mittelbar.

Ob jemand gewonnen hat, entscheidet sich erst, wenn mindestens zwei Personen das Spielende einläuten wollen . Sie können das aber nur tun, wenn beide Seiten genügend Karten gesammelt haben, um theoretisch gewinnen zu können. Und wer einen Spielsieg fordert, muss den auch erreichen, sonst verliert man! Aber manchmal kann man nicht warten, weil das andere Team voraussichtlich die benötigten Karten in der nächsten Runde bekommt – oder doch nicht?

Obwohl Conspiro ein klassisches Social Deduction – Spiel ist, ist die Dynamik doch eine völlig andere als in vergleichbaren Spielen. Gerade weil mehr erreicht werden muss, als die „Bösen“ ausfindig zu machen, fühlt sich Conspiro frisch an. Die Dynamik bedeutet aber auch, dass man Conspiro mehrfach spielen muss. Erst beim Spielen kristallisiert sich heraus, welchen Sinn die möglichen Handlungen haben und wie man mit den Informationen umgehen sollte. Das ist ausgesprochen reizvoll, braucht aber einen längeren Atem als vergleichbare Spiele.

 

#Spiel23

Peer Sylvester
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