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Race for the Galaxy

Verlag: Abacusspiele
Autor: Tom Lehmann
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 12 Jahre
Spieldauer: 30-60 Minuten

Der Weltraum. Unendliche Weiten. Irgendwo in einer Galaxie, weit, weit entfernt liegt Epsilon Eridani, eine recht durchschnittliche Welt ohne wichtige Rohstoffe aber einer gut funktionierenden Handelsstruktur. Also konzentrierte sich die Regierung (eine Tyrannei, bei der ein Individuum alle Entscheidungen traf) erst einmal auf den Bau eines Besiedlungsschiffes. Mit Hilfe des Schiffes und einer auf Expansion ausgerichteten Politik hatten sich die Bewohner Epsilon Eridanis bald auf mehrere Planeten ausgebreitet, wo sie fleißig neue Dinge erfanden und Gentechnik betrieben. Dank einer ausgeklügelten Handelsmaschine konnten sie diese bald und zahlreich in Prestige umtauschen und beendeten ihre Existenz als das angesehenste Volk diesseits der Milchstrasse – sehr zum Unbill der Neu-Spartaner die mit ihrer Militärmaschine zwar viele Planeten bezwingen konnten, aber leider nicht genug, um am Ende die Nase vorne zu haben.

Und so gewinnt das Gute!

Vorausgesetzt das Gute spielt geschickt und weiß die Karten richtig einzusetzen. Die Galaxie besteht nämlich aus 114 Karten, die meisten davon Unikate (es gibt nun einmal nur eine Erde). In der Galaxie findet man viele Planeten (auf einigen kann regelmäßig etwas produziert werden, auf anderen nur manchmal, auf wieder anderen niemals etwas) und eine ganze Reihe anderer Dinge, wie Kriegsmaschinerie, praktische Gegenstände oder Handelsvereinigungen (im Spiel kurzerhand „Entwicklungen“ genannt). Fast alles bringt ein wenig Prestige und/oder bestimmte Vorteile für ihren Besitzer. Und weil das Universum flexibel ist, dienen Karten nicht nur zur Verbesserung des eigenen Reiches sondern auch als Zahlungsmittel und als Ware.

Der Anführer jedes Volkes kann sich jede Runde neu entscheiden ob er

  • Erkundet (neue Karten zieht),
  • Entwickelt (eine Entwicklungskarte spielt und die Kosten mit anderen Handkarten bezahlt),
  • Siedelt (wie entwickeln, aber mit Planetenkarten. Alternativ kann man einige Planeten auch kostenlos militärisch erobern, Vorraussetzung ist aber eine bestimmte militärische Mindeststärke – auch die bekommt man durch Kartenauslagen),
  • Verbraucht (produzierte Güter mit entsprechenden Planeten oder Entwicklungen in Siegpunkte umwandeln) oder
  • Produziert (erklärt sich wohl von selbst).

Anschließend durchlaufen alle Spieler genau die Phasen, die von mindestens einem Anführer (respektive Spieler) gewählt worden sind – alle anderen Phasen finden nicht statt. Hier gilt es also einzuschätzen: Was muss ich wirklich machen? Wird jemand anderes diese Phase wählen? Dann brauch ich das nicht zu tun! Dieses Dilemma wird dadurch verstärkt, dass der Spieler, der sich für eine bestimmte Phase entscheidet, einen Bonus bekommt (in zwei Phasen hat er sogar noch die Wahl des Bonus).
Das Spiel ist also vom Ablauf her nicht schwer:

  • Entscheiden, was gemacht werden soll.
  • Jeder deckt auf.
  • Die Phasen werden entsprechend durchgeführt.
  • Nächste Runde.

Wirklich nicht schwer. Allerdings hat jede Karte irgendwelche Auswirkungen auf das Spiel und dadurch wird es für Anfänger schnell unübersichtlich: Was bedeutet noch einmal dieses Symbol? Was konnte ich in der Phase tun? Und natürlich: Was ist sinnvoll? Da eine Partie selten wirklich länger als 40 Minuten dauert (zu zweit geht’s auch schon mal in 20) kann man die erste Partie getrost als Probespiel verbuchen. Am Ende einer Partie ist man dann schlauer und geht die nächste schon viel zielstrebiger an.

Und es gibt – eben wegen der angesprochenen Kartenvarianz – viele Siegstrategien: Man kann sich auf das Erhandeln von Siegpunkten konzentrieren (siehe Epsilon Eridani), man kann viele Planeten erobern und so über die Planetenpunkte gewinnen (die punkteträchtigsten Planeten können nur erobert werden), man kann über Sondersiegpunktkarten gewinnen, z.B. in dem man die „Alien-Technologie“-Güter mit dem „Alien-Tech Institut“ koppelt. Und und und.

Keine Partie gleicht der nächsten.

Es ist kein Geheimnis, dass Race for the Galaxy ursprünglich als Puerto-Rico-Kartenspiel entwickelt wurde und tatsächlich viele Parallelen zu San Juan aufweist. Die spielerischen Unterschiede zwischen den beiden sind vor allem das gleichzeitige Spielen der Karten, das Erobern von Welten und die Möglichkeit, Waren gegen Siegpunkte zu tauschen. Dadurch bietet Race for the Galaxy allerdings klar deutlich mehr mögliche Strategien und Spielraum für Überraschungen. Findet jeder bei San Juan früher oder später seine Lieblingsstrategie die mehr oder minder in jeder Partie verfolgt wird, starten selbst versierte Spieler bei Race for the Galaxy jedes Mal wieder bei Null. Vor allem aber ist San Juan ein Brückenspiel – ideal um interessierten Wenigspielern zu zeigen, dass anspruchsvolle Kost nicht kompliziert sein muss – während Race for the Galaxy ein echtes und deutlich komplexeres Vielspielerspiel ist.

Kein Geheimnis ist auch, dass ich ein sehr begeisterter Race for the Galaxy-Spieler bin (immerhin habe ich ihm den Sylvester in Gold verliehen). Ich mag die Geschichte die durch die thematisch schlüssigen Karten entsteht. Ich mag die hohe Variabilität, die immer wieder für neue Situationen sorgt. Und ich mag die sich ergebene Spannung bei der Rollenwahl. Vor allem aber mag ich, dass viel Spiel in einer kurzen Spieldauer steckt. Schon lange hat mir kein Vielspielerspiel mehr so zugesagt. Ich mag auch das Thema, das aber wohl genauso viele Anhänger wie Gegner hat. Und wem das Thema nicht zusagt, muss das Spiel auf seine abstrakten Karten reduzieren und dann verliert das Spiel viel Flair.

Außerdem kann man dem Spiel zu Recht vorwerfen, dass jeder nur für sich spielt. Abgesehen von der gleichzeitigen Rollenwahl ist Interaktion Fehlanzeige. Die Reiche entstehen nebeneinander her – vermutlich in verschiedenen Galaxien. Diesem Manko soll aber mit der bereits angekündigten Erweiterung abgeholfen werden. Und natürlich: Die Einstiegshürde ist hoch. Wer sich nicht auf das Spiel einlassen will (oder mangels Englischkenntnissen kann) braucht es gar nicht in die Hand zu nehmen. Die erste Viertelstunde eines Race for the Galaxy-Neulings ist deutlich mehr Arbeit als Spiel. Danach aber geht es aufwärts. Und das nicht zu knapp!

Peer Sylvester
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