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Ethnos

Ethnos

Verlag: CMON (Vertrieb Asmodee)
Autor: Paolo Mori
Spieleranzahl: 2-6
Alter: ab 14 Jahre
Spieldauer: 30-60 Minuten, je nach Mitspielerzahl

„Mikrotargeting“ ist ja das Wort der Stunde und daher biete ich im folgenden gleich drei Rezensionen zu Ethnos an: Die erste für Eurogamer, die zweite für Freunde des Ameritrashes und die dritte für Kartenklopper:

  1. Rezension für Eurogamer

Am besten macht man beim Öffnen der Schachtel die Augen zu – denn das Cover hat gar nichts mit dem Inhalt zu tun! Statt grobschlächtiger Kämpfe, bauen hier sechs (von insgesamt 12) Völker filigrane Türme in dem Lande „Ethnos“, dass aber eigentlich nur als Bauplatz dient. Wie es sich für ein edles Eurogame, knizianischer Art gehört, geben nur die jeweils höchsten Türme auf den sechs verschiedenen Bauplätzen bei einer  Wertung Siegpunkte. Und Siegpunkte sind ja das Wichtigste überhaupt in einem Spiel. Um Türme zu bauen, werden Kartenkombinationen benötigt: Für einen Turm mit n Stufen n Karten. Die Karten müssen dabei alle derselben Sorte oder derselben Farbe zugehörig sein. Spielt man eine derartige Reihe (wobei n = 1 sein darf), darf man seinen Turm auf dem Bauplatz erhöhen, dessen Farbe mit der Farbe der obersten gespielten Karte korrespondiert. Und da ein gutes Eurogame immer mindestens zwei Verflechtungen bieten muss, bestimmt die oberste Karte auch gleich die Sonderaktion, die der Spieler außerdem durchführen darf – wobei die 6 Völker für die sechs Sonderfähigkeiten stehen (Eigentlich hätte ich oben das Wort „Volk“ auch gleich weglassen können, sowas interessiert uns Eurogamer ja gar nicht!). Da zudem alle Handkarten abgeworfen werden und alle Mitspieler diese Handkarten ihrerseits zum Sammeln nutzen können, haben wir hier ein gar vielfältiges Wirkungsgeflecht mit einfachen Regeln, aber trickreichen Entscheidungen: Welche Karten will ich spielen? Riskiere ich es mehr Karten zu sammeln, um noch den lukrativen Turm in Gelb zu sichern oder nehme ich die schnellen Punkte des zweiten Platzes mit? Da es immer dann zur Wertung kommt, wenn die dritte Drachenkarte vom Stapel kommt, muss man zocken. Ethnos liegt irgendwo zwischen Zug um Zug und Union Pacific – Was nichts schlechtes ist. Leider sind nicht alles Sonderfähigkeiten gelungen – die Halblinge zum Beispiel sorgen für weniger interessante Entscheidungen. Aber die kann man ja weglassen. Die immer neue Kombi an Sonderfähigkeiten hält das Spiel frisch und da die Spieldauer stimmt und auch die Spielerzahl zumindest im Bereich 3-5 sehr gut skalierbar ist, kann Ethnos locker mit den guten, schnellen Euros vergangener Zeiten mithalten. Wenn nur das Cover nicht wäre!

  1. Rezension für Freunde des Ameritrash

Das Cover sagt schon alles! 6 Fantasyvölker liefern sich epische Schlachten in Kartenform. Jede Armee einer Mindestgröße bringt eine Medaille und wer die meisten Medaillen in einem der sechs Kriegsschauplätze holt, gewinnt die Schlacht und wird mit fetten Siegpunkten belohnt (ein paar Punkte gibt es auch, wenn man besonders große Armeen überhaupt an den Start bringt). Das Besondere an Ethnos ist jetzt, dass die Schlacht gar nicht so im Vordergrund steht, sondern das Ausheben der Armeen: Wer die meisten Armeen in einem Gebiet ausheben konnte, gewinnt automatisch. Entsprechend trickreich ist das Zusammenstellen einer schlagkräftigen Truppe: Der General muss die Farbe des anvisierten Schlachtortes zeigen, da Armeen, einmal aufgestellt, nicht mehr bewegt werden können. Außerdem legt die Rasse des Generals fest, was diese spezielle Armee denn so kann: Manche können einen zweiten Kriegsschauplatz aufmachen, andere halten Einheiten zurück (nicht verwendete Fußtruppen suchen sich einen anderen Dienstherren) oder erlauben das sofortige Ausheben einer zweiten Armee. Hier liegt der Schlüssel zum Erfolg! Natürlich müssen weitere Truppen dem General überhaupt folgen können, so dass nicht immer alles geht, was man sich wünscht. Vor allem aber müssen die Armeen immer größer werden, denn während die erste Armee in einem Gebiet auch nur aus dem General bestehen kann, sollte die zweite schon aus zwei Karten bestehen, die dritte aus drei usw. Das Sammeln von Karten wird aber im Laufe einer Runde immer riskanter, so dass man sich genau überlegen sollte, wo sich ein Einsatz überhaupt noch lohnt. Der Reiz von Ethnos ist damit weniger Conan, sondern mehr Kartenkloppereien á la Magic oder diversen LCG- Richtige Kombos aufstellen, und den Gegner abschießen. Das ist mechanisch nicht ganz zutreffend, passt aber durchaus vom Spielgefühl.

  1. Rezension für Kartenklopper

Wie schön, dass auch aus dem guten, alten Rommé noch so viel gemacht wird! Hier sind es vor allem zwei Ideen, die aus dem Klassiker ein völlig neues Spiel machen: Einmal Sonderaktionen, die beim Sammeln mit genutzt werden können und sollen und aus der Auslage kann man sich frei bedienen, man ist also nicht darauf angewiesen, dass ausgerechnet der Nebenmann das richtige abwirft. Zudem wird die Auflage unregelmäßig aufgefüllt: Statt mit jedem Zug immer dann, wenn ein Spieler eine Kombination auslegt, aber nicht alle seine Karten nutzt. Dadurch hat man es durchaus auch mit in der Hand wie viel Auswahl man den Mitspielern gönnt und es ermöglicht u.U. auch, seine eigenen Handkarten wieder aufzunehmen, wenn die Mitspieler, diese gerade nicht sammeln.

Der Rest ist genaugenommen Beiwerk: Kombinationen zählen Punkte, je nachdem aus wie vielen Karten sie bestehen und wessen Sonderaktionskarten besonders oft dieselbe Farbe hatten, bekommt Extrapunkte. Der Spielplan ist somit eigentlich nur Punkteanzeiger und erleichtert die Übersicht wer wie oft welche Farbe genutzt hat (Für die erwähnten Bonuspunkte). Das eigentliche Spiel steckt in den Karten: Im Sammeln von Karten, im Zusammenbasteln einer gültiger Kombination, im Nutzen der Sonderfähigkeiten. Und da bietet Ethnos alle Tugenden, die man von einem guten Kartenspiel erwartet: Eine gewisse Unsicherheit, aber nicht zu viel. Eine gewisse Kontrolle über das Kartenspiel, aber nicht zu viel. Interaktion mit den Mitspielern und Antizipation, welche Karten man benutzen könnte. Für mich eines der Kartenspiele des Jahres, wenn auch als solches vielleicht etwas groß geraten!

 

 

Peer Sylvester
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