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Funktioniert Mindflex?

Kurze Anmerkung: Werden die Marketing-Ideen immer bekloppter oder bin ich das? Days of Wonder hält es für eine gute Idee, ihr neues Spiel Fictionaire (eine Lexikonspiel-Variante) in Schachtel zu verkaufen, die an Zigarettenpackungen erinnern. Gut, gibt ja auch nicht viele Dinge, die in einem so positiven Licht stehen, wie Tabakkonsum. Der Weltkonzern  Penrose Press dagegen bietet der interessierten Öffentlichkeit die einzigartige Möglichkeit den unfertigen Prototypen von Serengeti für 40$ zu erwerben. Der ist allerdings noch unvollständig – wer das Spiel spielen will, muss weitere 10$ bezahlen und ausreichend Feedback über das Spiel geben. Mit anderen Worten: Der Autor lässt sich für das Testspielen bezahlen! Ich verstehe nicht viel von Marketing, habe aber so meine Zweifel, ob sich das auszahlt…

Mattel dagegen macht es besser: Als zu viel Blei in ihren Spielen gefunden wurde und sie alles zurückrufen mussten, was betroffen war, gabs neue Gesetze, die strengere Tests forderten. Die gelten nun aber ironischerweise nicht mehr für Mattel – denn die dürfen jetzt selbst testen… Ich würde das nicht erwähnen, denn die Story ist schon älter. Aber ich wurde im September von Mattels PR-Abteilung schlicht angelogen und da bin empfindlich. Ich hatte gefragt, ob Mindflex auch in Europa erscheinen soll und dies wurde klar verneint. Auf die Nachfrage hin ob die Spiegelmeldung, nach der Mindflex 2010 in Deutschland vertrieben werden soll, eine Ente wäre wurde mir erneut bestätigt: „Mindflex kommt definitiv nicht nach Deutschland“. Das war im September. In Nürnberg wurde das Spiel vorgestellt, wie ich gerade in der Spielbox las. Nunja, da das Spiel bereits aus den USA unterwegs war und ich eh weniger bezahlt habe, als es hier wohl kosten würde, ist mir kein Schaden entstanden, insofern… Jedenfalls ist das Spiel Donnerstag angekommen und ich nutze hier mal den Platz für ein paar Ersteindrücke – vermutlich die ersten in Deutscher Sprache.

Mindflex bewegt sich sicherlich auf der Grenzlinie zwischen Spielzeug und Spiel: Mittels Gedankenkraft soll ein Ball über einen Hindernisparcour gesteuert werden. Ja, mit Gedankenkraft. Kein Wunder, dass die Spielbox leise Zweifel äußerte, obs tatsächlich funktioniert (Denkt man z.B. an Furby zurück, weiß man, dass Spielzeugfirmen nicht immer ehrlich spielen) und auch eine Reihe von Kommentaren auf Amazon.com gehen in diese Richtung. Andererseits ist die Technik ja schon im medizinischen Bereich längst im Einsatz – Gelähmte Patienten oder Patienten mit Locked-In-Syndrom können so mit Hilfe eines Computers kommunizieren.

Ganz so fortschrittlich ist Mindflex nun nicht. Ein Stirnband misst Betawellen, die das Gehirn aussendet, wenn man sich konzentriert. Dabei ist es unerheblich auf was man sich konzentriert, lediglich die Intensität der Konzentration wird vom Gerät erfasst (Übrigens sieht man mit dem Stirnband und den angelegten Ohrläppchensensoren so lächerlich aus, dass meine Frau vor Lachen unterm Tisch lag. Aber wer sich für ein Produkt wie Mindflex interessiert, dem schert sowas wohl nicht). Je intensiver nun die Konzentration desto stärker der Luftstrom auf dem der erwähnte Ball fliegt. Die Gedankenkraft (respektive die Konzentration) steuert also lediglich die Höhe des Balls. Nach links und rechts bewegt man den Ball – genauer: Den Luftstrom, der den Ball trägt – ganz ordinär manuell mit zwei Schaltern.

Der Parcour selbst kann beliebig gestaltet werden. Dazu liegen zahlreiche Hindernisse im schönsten Spielzeug-Plastik bei. Sieht die Konsole ohne alles etwas wie die Yvio-Konsole aus, so erinnert sie mit Hindernissen an Mousetrap. Nun versucht man also seine Konzentration so zu steuern, dass der Ball niedrig unter Torbögen hindurchschwebt und hoch durch Ringe fliegt (oder umgekehrt). Und das ist gar nicht so einfach.

Zum einen ist man nicht gewohnt seine Konzentration zu steuern, insbesondere, wenn man sich nciht auf etwas bestimmtes konzentrieren muss. Man muss also erst einmal lernen, was die Maschine von einem will. Zum anderen ist das Gehirn kein Joystick: Das Aussenden von Betawellen ist nun nicht die präziseste aller Steuerungen und zudem mit etwas Zeitverzögerung behaftet.

Entsprechend hatte ich nach meinen ersten Gehversuche tatsächlich nicht das Gefühl viel Kontrolle zu haben. Wäre der Luftstrom zufallsgesteuert, hätte das Ergebnis ähnlich ausgesehen. Gegen Ende wurde ich etwas besser (der Ball flog höher) – doch auch das hätte von der Maschinensoftware her vorgegeben sein können. Am nächsten Tag wollte ich es dann noch mal wissen und probierte es in aller Ruhe nochmal aus und siehe das: Es gelang mir viel besser den Ball durch Ringe, Käfige und Kreisel zu schleusen. Insofern kann ich bestätigen: Ja, es funktioniert! Sollte das alles in ein Psychotrick ist (wie der Spiegel meint – ich konnte das Experiment dort allerdings nicht verifizieren, was aber auch an meinem Tuch gelegen haben mag), dann ists ein guter und ich lass mich gerne täuschen. Ich kann mir auch vorstellen, dass nicht Betawellen gemessen werden, sondern die Leitfähigkeit der Haut. Die Verändert sich in Maßen auch durch Konzentration, wegen des Schwitzens. Das könnte auch erklären warum ein feuchtes Tuch eventuell ähnliche Resultate liefert: Hängt es an einem windigen Ort, verändert es seine Leitfähigkeit ebenfalls permanent und der Luftstrom ändert sich zufällig. Das hieße die Kontrolle über den Luftstrom per Gedanken wäre möglich, aber  sehr  unpräzise. Für diese Theorie spricht auch, dass ich an den beiden sehr heißen Tagen das subjektive Gefühl hatte, sehr viel weniger kontrollieren zu können als an den etwas kühleren, wo ich weniger geschwitzt habe.

Gehen wir aber mal davon aus, dass eine Form von Kontrolle möglich ist (oder man sich zumindest einbilden kann, man hätte sie): Lohnt es sich auch? Nun, es lebt natürlich vom Coolness-Faktor: Den Ball per Gedankenkraft steuern ist schon ungewöhnlich (Ist es dann eigentlich noch ein „Geschicklichkeitsspiel“?) und hat auch einen hohen Aufforderungscharakter. Wer es sieht, wills auch mal ausprobieren. Wie schnell das Gerät seinen Reiz verliert, vermag ich aber natürlich nach den paar Tagen nicht abzuschätzen. Man hat eine Reihe von Spielmöglichkeiten und auch einen Mehrspielermodus (in den meisten geht es darum, den Parcour möglichst schnell zu absolvieren) aber der Hauptreiz ist wohl das Ausprobieren an sich. Zumal im Mehrspielermodus ständig das Headset gewechselt werden muss und der Spieler am Zug sich ja auch konzentrieren muss und so nicht mit seinen Mitspielern interagieren kann.Insofern sollte man Mindflex wohl wirklich nur kaufen, wenn man das Konzept interessant findet (interessant genug für rund 100€ jedenfalls)

Als Liebhaber von obskuren Spielen musste ich Mindflex aber natürlich haben und hab den Kauf auch nicht bereut…

ciao

peer

Peer Sylvester
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5 Kommentare

  • testmodus hin oder her – ich müsste mich schon sehr täuschen, wenn nicht zumindest eine rudimentäre Kontrolle möglich wäre! (Und nicht nur ich – Dale Yu von Boardgamenews spielt das auch sehr regelmäßig).

  • Nach weiteren Tests bin ich zur Überzeugung gekommen: Mindflex funktioniert wie ein Lügendetektor: Er misst den Widerstand der Haut, nict die Hirnstrahlung. Insofern ist Konzentration entscheidend – aber nicht, worauf man sich konzentriert.

  • Ähm, hast du den Artikel gelesen? Ich habe es, ich habe es getestet und es misst die Konzentration – wenn auch nicht durch Hirnstrahlung (man kann alles auch an die Fingeer klemmen und es funktioniert) sondern durch Messung des Widerstandes der Haut.