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Pandemic Legacy Season 2

Verlag: Z-Man Games / Asmodee
Autoren: Rob Daviau, Matt Leacock
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 14 Jahren
Spieldauer: ca. 60 Minuten pro Folge + 10 Minuten Vor/Nachbereitung

Die „2“ deutet es ganz subtil an: Dies ist die zweite Staffel von Pandemic Legacy. Also geht die Handlung wie in einer Fernsehserie weiter. Und wie eine Fernsehserie werde ich das auch besprechen: Ich gehe davon aus, dass man die erste Staffel kennt (spielerisch und grob inhaltlich). Ich beschränke mich auf minimale Spoiler: Also inhaltlich auf das was man bei der ersten Partie Season 2 weiß und sonst nur sehr grobe Andeutungen – Überraschungen bleiben Überraschungen.

Wie man schon aus der Regel erfährt, spielt dieser Teil 70 Jahre nach der ersten Staffel. Die Zivilisation ist am Boden. Den Spielern ist nur ein kleiner Streifen der Welt bekannt. Sie müssen verhindern, dass die bekannte Zivilisation Opfer der Seuche wird und gleichzeitig die Welt erkunden.

Würde sich die zweite Staffel genauso spielen wie das Grundspiel, dann wären viel zu wenig Karten in den zwei Decks, da ja nur wenige Städte bekannt sind. Also sind beide Typs Städtekarten doppelt und dreifach vorhanden. Dann würde das Spiel mit den Grundspielregeln aber nicht zu gewinnen sein, da durchaus mehrfach die gleiche Karte vom Infektionsstapel gezogen würde. Daher ist der Kernmechanismus leicht abgewandelt: Statt Krankheitswürfel zu entfernen, werden jetzt Versorgungswürfel durch die Spieler platziert. Wenn eine Infektionskarte gezogen wird, dann wird ein Versorgungswürfel entfernt – erst wenn die Stadt „nackt“ ist kommt ein Seuchenwürfel ins Spiel – und der bleibt dauerhaft. Und zu viele Seuchenwürfel sorgen für eine Niederlage.

Ich war ziemlich erleichtert, dass sich Pandemic Legacy Season 2 anders spielt als Season 1 – anders genug jedenfalls, dass man nicht das Gefühl hat, man macht noch einmal genau dasselbe, was man schon 12 bis 24 mal gesehen hat. Dabei ist die Änderung vom Ablauf her gleichzeitig vertraut genug, so dass man sich nicht groß umgewöhnen muss. Thematisch gesehen, macht das Verteilen der Versorgungswürfel auch mehr Sinn und das bleibt auch so, anders als bei Season 1, wo es noch so brennen konnte, und man trotzdem noch Spezialisten mit Hygienevorschriften um die Welt schicken musste. Auch dass die Versorgungswürfel weniger werden, passt thematisch.

Neben dem Verteilen der Würfel wird noch die Welt erkundet. Und hier ist Pandemic Legacy Season 2 deutlich nicht-linearer als Staffel 1 – ein bisschen wird über Aufgaben gelenkt, aber die Spieler haben erstaunlich viele Freiheiten was wann erkundet wird. Dadurch ist eigentlich immer etwas zu entdecken; Nicht nur geht es jeden Monat wirklich thematisch weiter (in Staffel 1 passierte in einigen Monaten fast nichts neues), sondern oft entdeckt man neues auch wenn man einen Monat wegen Niederlage wiederholt. So hat man ständig das Gefühl das die Geschichte weitergeht.

Aber das hat auch den Nachteil, dass die einzelnen Partien stärker davon abhängen, was man bereits geschafft hat. Wir hatten einige Partien, die praktisch unschaffbar waren, weil wir einen Schlüsselort noch immer nicht gefunden haben. Andere Partien waren sehr einfach, weil wir einige Vorteile bereits „freigeschaltet“ hatten, einige Nachteile aber noch nicht. Bei Pandemie kommen Extremverteilungen (in beide Richtungen) immer mal vor, aber hier m.E. sehr viel häufiger als in den Inkarnationen zuvor. In Staffel 1 waren bestimmt 80% der Partien eine spannende Angelegenheit. Hier eher so 50-60%. Das wird dadurch noch verstärkt, als dass der Spielerkartenstapel fast ungehindert wuchert – in den letzten Monaten waren es so viele Karten, dass nicht weniger als 10 Epidemiekarten im Spiel waren, damit eine ungefähre Regelmäßigkeit gewährleistet bleibt. Dafür sind natürlich die Karten, die man bei Niederlagen dazubekommt deutlich abgewertet – die Chance die zu bekommen sinkt. Zwar lässt sich der Wildwuchs später etwas steuern, wenn man bestimmte Karten benötigt – aber welche man braucht, muss man bereits eine Partie vorher wissen und mindestens zwei Partien gingen verloren, weil die Wahrscheinlichkeit die benötigten Karten tief im Stadtkartendeck versteckt hielt.

Das spielerisch die erste Staffel die Nase vorne hat, hat aber noch einen anderen Grund: Während es damals darum ging, dass man etwas nicht verliert, besteht hier die größte prinzipielle (spielübergreifende) Gefahr darin, dass man etwas nicht bekommt. Die Bindung an etwas, dass man bereits hat, ist aber größer als an etwas, das man erst noch bekommen muss und damit auch die Spielmotivation. Die größte Motivation aus der zweiten Staffel rührt somit daher, zu sehen wie es wohl weitergeht – ähnlich wie bei einer Fernsehserie, die gerade in der Mitte der Staffel etwas langsam voranschreitet. Daher wirkt der Frust, wenn man einen Monat wiederholen muss, weil das Kartenglück nicht will, doppelt.

Die zweite Staffel einer Fernsehserie ist oft schwierig: Die Charaktere sind bekannt, das übergreifende Problem der ersten Staffel (meist) behoben. Eine neue Spannung muss kreiert werden, ohne dass man das Gefühl hat, man bekommt einfach nur mehr vom selben. Ob die Geschichte der zweiten Staffel jetzt besser ist, als die der ersten, da gingen unsere Meinungen sehr auseinander. Sie war weniger spannend, aber sie war viel präsenter, es passierte viel mehr. Wenn „Legacy“ ein Gimmick ist, dann ein Gutes, und dieses Gimmick ist ausgeprägter in der zweiten Staffel. Bei Netflix würde man sagen: Die Charaktere bei Jessica Jones sind so interessant, dass man sich die zweite Staffel trotz einiger Längen im Mittelteil bis zum Ende ansieht. Hier ist die Welt der Charakter und das Erkunden selbiger ließ uns die Staffel bis zum Ende ansehen. Das es ab August flutschte mag geholfen haben. Ich werde mir wohl auch die dritte Staffel gönnen, bin aber auch froh, dass jetzt wohl erst einmal mindestens zwei Jahre Pause sind.

 

Peer Sylvester
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