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LYNGK

Verlag: Huch and Friends
Autor: Kris Burm
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 13 Jahre
Spieldauer: 30-60 Minuten

Lyngk ist der aktuelle Abschluss der Gipf-Reihe von Kris Burm. Burm schuf ja Anfang des Jahrhunderts eine qualitativ hochwertige Reihe abstrakter Spiele, die jetzt wieder aufgelegt werden. Und Lyngk ist das einzig wirklich neue Spiel unter den altgedienten Neuauflagen. Aber das wisst ihr vermutlich längst. Immerhin kann ich diesmal einigermaßen sicher sein, dass keine alte Veteranen über meine Rezensionen lachen und meinen „Du, hast noch NICHTS gesehen!“ oder so.

Lyngk soll auch alle bisherigen Teile verbinden und mit ein bisschen guten Willen kann man durchaus ein paar Parallelen entdecken: Wie bei Yinsh kommen Gewinnstellungen vom Brett. Wie bei Tzaar wird gestapelt und es darf nur auf besetzte Felder gesetzt werden. Wie bei Zertz, äh… gibt es mehrere Farben? OK, man braucht schon eine Menge Interpretationswillen, wenn man die Verbindungen zu den anderen Teilen erkennen will. Besser man bewertet das Spiel als normales Bestandteil der Reihe. Und dazu muss man erst einmal wissen worum es geht:

Um das Bauen von Türmen! Anders als bei Tzaar kann aber nicht irgendwie gestapelt werden: Jede der 5 Farben darf nur genau einmal in einem Turm stecken (Es gibt noch 3 Jokersteine, die eine beliebige Farbe ersetzen). Das Ziel ist es auch, diese Türme zu bilden – es gewinnt, wer mehr davon baut. Das Bauen kann man gezielt verhindern, in dem man die Nachbarfelder eines Turmes mit Steinen pflastert, die der angepeilte Turm bereits enthält. Wie gesagt darf jede Farbe ja nur einmal vorkommen. Da zudem immer nur auf das nächste besetzte Feld gezogen wird, kann man die Bewegung ab Mittelspiel schon gut einschränken. „Mittelspiel“ ist hier allerdings der Euphemismus für „Jetzt können wir erst richtig loslegen“, denn alles beginnt mit einer langen Abtastphase. Die existiert, weil die Spieler bei Spielstart gar keine Farben steuern! Vielmehr kann man sich vor seinem Zug für eine noch offene Farbe entscheiden. Zwei Farben werden beide Spieler bei Spielende steuern, eine Farbe bleibt neutral und kann von beiden gespielt werden. Diese Farbe kann aber nicht auf höhere Türme springen.

Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Die Spieler entscheiden sich schnell und alles geht seinen Gang. Oder die Spieler spielen opportunistisch: Bildet sich irgendwo ein Viererturm, wählt der andere schnell die fünfte Farbe und springt damit auf den Turm. Also baut niemand Vierertürme. Das ist schade. Damit etwas passiert, gibt es noch eine wichtige Regel: Der Lyngk-Zug (die Namensgebung ist seit den Totts nicht besser geworden): Wer eine Farbe kontrolliert, darf mit Türmen der entsprechenden Farbe auf gleichfarbige Steine treten, bis er auf einen anderen Farbstein trifft. So kann man um die Ecke gehen und der Gegner nicht. Hier liegt der Schlüssel in der Anfangsphase. Ohne den Lyngk-Zug könnte man keine Türme bauen, ohne dass der Gegner diese bekommt (zumindest bis die Farben vergeben wurden). Da die Partien selten mit mehr als 3 Türmen pro Seite enden, wären zwei Türme in der Anfangsphase auch schon recht stark.

Man sieht: Das Spiel ist knifflig und eigenständig und interessant und passt so auch gut in die Reihe.

Allerdings stören mich doch zwei Dinge: Erstens ist das Spiel zwar regeltechnisch einfach, aber keinesfalls so übersichtlich wie z.B. Zertz: Es gilt nicht nur die Höhe von Türmen zu erfassen, sondern auch deren Farben. Man muss alle Bewegungseinschränkungen berücksichtigen: Fremde Steine nicht ziehen, neutrale nicht auf höhere Türme, nur 1 Farbe pro Zug wählen… Und natürlich muss man das alles beim Gegner auch beachten. In den ersten Partien kam es immer wieder zu dummen Fehlern, weil ein einfaches „Stehlen“ eines Turmes durch den Gegner übersehen wurde. Ich finde es aber immer nicht so prall, wenn einer gewinnt, weil der andere etwas übersieht. Ein guter Sieg will ja herausgespielt sein! Von den Gipfspielen, die ich bislang gespielt habe, hatte dies hier mit Abstand das höchste „Übersehpotential“. Aber vielleicht sind wir auch nur zu doof.

Ich bin allerdings nicht davon überzeugt, dass die „Seine Farbe wählen“-Regel wirklich den Spielspaß erhöht. Am Anfang fand ich die Regel cool. Doch mit jeder Partie mag ich sie weniger; Erst dachte ich, dass sie überflüssig ist, weil das eigentliche Spiel eh erst losgeht, wenn sich jeder seine Farbe ausgesucht hat. Wenn jeder von Beginn zwei Farben steuert, dann geht es gleich los! Mittlerweile sehe ich schon das taktische Lavieren vor der ersten Farbwahl – und mag das nicht sonderlich. Das Problem ist, dass das Tempo deutlich herausgenommen wird. Es kommt für mein Gefühl zudem mehr darauf an, keinen Fehler in dieser Farbe zu machen, keine Vorlage zu liefern. Das ist keine Spannung, die mir allzu sehr behagt – ich mag es lieber konstruktiv als defensiv. Durch die Abtastphase dauert das Spiel auch deutlich länger, als es dauern würde, wenn alle Farben bei Spielstart bereits verteilt wären.

Damit ist Lyngk sicherlich nicht schlecht, es ist sogar sehr ordentlich. Innerhalb der Gipf-Reihe gehört es aber nicht zu meinen Favoriten!

Peer Sylvester
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