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Guess Club

Verlag: Broadway
Autor: Sky Huang
Spieleranzahl: 2-8
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 20-30 Minuten

Manchmal gibt es sie noch, die Argumente: „Du musst das Spiel auf die und die Art und Weise spielen – dann macht es auch Spaß!“. Das Problem: Wenn ein Spiel nicht kommuniziert, wie es gespielt werden will, dann ist es ein Problem des Spieles, nicht der Spieler.

Guess Club kommuniziert eigentlich klar, wie es gespielt werden will: Schon der Titel deutet an, dass es um Raten, ja ums Wetten geht, nicht ums Wissen. Die Regeln machen eigentlich auch deutlich, wie es zu spielen ist. Und dennoch haben wir Guess Club in der ersten Partie völlig falsch interpretiert und das Ergebnis war entsprechend merkwürdig.

Formal legt ein Spieler jede Runde eine Kategorie fest – z.B. „Insekten“ – und alle schreiben 6 passende Begriffe auf. Eine Regel hilft denjenigen, die sich vielleicht nicht so mit „aromatisch duftenden Lippenblütlern“ auskennen und diese Regel liefert schon einen Hinweis, darauf, dass diese Begriffsbildung eben nicht das Spiel ist, sondern das Äquivalent des Karten mischens und ausgeben beim pokern. Wer hier durch sein Wissen glänzen will, dem sei ernsthaft Haste Worte? empfohlen, immer noch eines der besten Spiele im „Begriffe aufschreiben“-Genre. Guess Club ist jedenfalls eher nicht das richtige. Hier geht es um etwas anderes:

Das eigentliche Spiel besteht aus der Jahrhunderte alten Frage: „Wetten oder Zeigen?“ Diese Frage muss jeder aktuelle Zugspieler beantworten! Zeigt er einen seiner Karten, dann bekommt er den Pott, wenn irgendjemand anderes den gleichen Begriff aufgeschrieben hat und zahlt ein, wenn nicht. Ist er unsicher, ob seine Begriffe vielleicht doch etwas zu abseitig sind, dann wettet er, wie oft insgesamt der Zugspieler einen Begriffspartner findet. Wer bei Rundenende hier richtig liegt, kassiert noch einmal richtig. Gezeigte Karten sind aus dem Spiel und die Runde endet, wenn irgendjemand keine Karten hat.

In der ersten Partie spielten wir fast kooperativ – die Begriffe waren die offensichtlichsten ihrer Art und bei einigen merkwürdigen Kategorien interpretierten wir bestimmte Dinge recht großzügig – „Hey! wir haben einen Treffer!“. Entsprechend flogen die Karten nur so aus ihren Kartenhaltern.

Nur darum geht es hier gar nicht.

Als Hintensitzer hat man bei Guess Club prinzipiell gar kein gesteigertes Interesse daran, dass die zuerst ausspielenden Personen die Begriffe auf den eigenen Karten treffen – denn dann kassieren die und man selber hat nichts davon, ist aber eine Karte los. Also macht es sinn, etwas abseitigere Insekten aufzuschreiben – Lieber die Gottesanbeterin statt die Honigbiene. Nur: Was macht mann dann, wenn man selbst an der Reihe ist?  Hat vieleicht noch jemand „Steinlaus“ geschrieben? Aber wenn nicht, zahle ich ein!  Vielleicht also doch wetten? Aber worauf? So viele Insekten gibt es ja nicht – da wird es schon den einen oder anderen Treffer geben, oder? Treffer sind ja eigentlich gut, wenn man der treffenden ist… Und wenn alle Wetten, hat niemand Informationen. Guess Club ist mehr Dixit als Haste Worte: Bei letzterem dominiert die Frage: „Habe ich ausreichend viele oder zumindest ausreichend originelle Begriffe aufgeschrieben?“ hier muss ich den Balanceakt gehen zwischen „Nicht, den Erstbesten Begriff, aber vielleicht den Zweitbesten. Außer alle denken so, dann vielleicht doch den Erstbesten? Oder was ganz anderes?“ Tatsächlich wird in diesem Club viel geguessed! Und anders als oben behauptet verlagert sich das Spiel potentiell dann doch plötzlich schon in die Begriffschreibphase, zumindest wenn die Kategorien mehrere Grautöne erlauben. Plötzlich macht dann auch die Regel sinn, dass der Kategoriengeber entscheidet, ob tatsächlich der genaue Wortlaut getroffen werden muss, oder nur so in etwa. Und man merkt, dass „Ameise“ und „Blattschneideameise“ durchaus unterschiedliche Wirkungen auf den Spielverlauf und auf das Wettergebnis haben.

Guess Club kommuniziert klar, was es ist: Über die Regeln, über den Titel, über die ganze Aufmachung, bei dem der Wettcharakter in den Vordergrund gestellt wird. Das man dennoch in das Spiel hineinfinden muss, liegt einfach daran, dass die Kombination aus Wett- und „Begriffe aufschreiben“ eine recht ungewöhnliche Kombination ist. Mit jeder Partie bewundere ich Autoren Sky Huang aber mehr dafür, wie geschickt er diese Genres miteinander verbunden hat.

 

Peer Sylvester
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