Verlag: Mighty Boards / Asmodee
Autoren: Gordon Calleja, David Turczi, Wai Yee
Spieleranzahl: 1-4
Alter: ab 14 Jahre
Spieldauer: 30- 120 Minuten ( 30 nur Solo schaffbar, eher 45 Minuten pro Person)
Science Fiction galt zumindest in Deutschland lange Zeit als verpöntes Thema für ein Brettspiel. Es hieß die hätten keinen wirtschaftlichen Erfolg. Ob es überhaupt einmal stimmte weiß ich nicht, aber heutzutage gilt diese These mittlerweile doch als überholt. Zumindest im Vielspielerbereich hat sich -nicht zuletzt durch entsprechende Crowdfunding-Projekte – die Erkenntnis durchgesetzt, dass Nerds auch Nerdthemen mögen. Außerdem erlaubt die Science Fiction es auf elegante Art und Weise potentiell problematische Themen in einem unproblematischen Kontext zu setzen; Kolonialismus wirkt weniger bedrohlich, wenn der unbewohnte Mond kolonialisiert wird. Kulturelle Aneignung stört niemanden wenn die Kultur von nicht-existenten Aliens angeeignet wird. Und man muss sich nicht mit den moralischen Fallstricken beim Handel mit archäologischen Funden auseinandersetzen, wenn diese Funde von einer längst verlassenen Erde stammen und von Aliens gehandelt werden. Genau das ist das Setting von Excavation Earth und ich lehne mich, glaube ich, nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich vermute, dass die ursprüngliche Idee noch in den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts spielte. Von den asymmetrischen Völkern und einigen -gelungenen! – graphischen Gags (Man buddelt u.a. Nummernschilder und Winkekatzen aus) abgesehen, ist allerdings nicht viel SF im Spiel drin. Die Frage, inwieweit problematische Verhaltensmuster durch fiktive Settings abgeschwächt werden, ist m.E. eine Diskussion wert. In Excavation Earth wäre sie aber fehl am Platze: Ob wir Artefakte ausgraben oder Schmetterlinge sammeln oder Süßigkeiten herstellen ist hier tatsächlich völlig irrelevant; Das eigene Tun in diesem Spiel ist rein mechanisch orientiert. Wäre die ganze Graphik rein abstrakt gehalten, würde sich am Spielgefühl oder den gemachten gedanklichen Verknüpfungen zwischen den Spielebenen nichts ändern:
Im Prinzip sammeln wir Plättchen mit verschiedenen Farben und Symbolen, die wir dann hoffentlich gewinnbringend verkaufen. Gleichzeitig wollen wir möglichst viele verschiedene Kombinationen aus Farbe und Symbol zumindest mal in der Hand gehabt haben, denn alles was wir -und sei es auch nur kurz – mal irgendwo geladen haben, wird markiert und gibt am Ende – wie bei einem Roll& Write- Punkte. Dieses Puzzle wird durch den verkopften aber doch reizvollen Kartenmechanismus verstärkt: Um etwas zu tun, muss eine Karte gespielt werden, für die meisten Aktionen muss dabei entweder das Symbol oder die Farbe der Karte stimmen. Und natürlich hat man niemals alle Kombinationen aus Farben und Symbolen zur Verfügung, sondern muss abwägen, wo ich meine Karten wie am besten einbringen kann. Kompromisse müssen geschlossen werden! Zudem sind wir durchaus Konkurrenten, sowohl beim Sammeln der Plättchen auf dem Spielplan als auch beim Verkaufen derselben (man nimmt sich gegenseitig Kunden weg). Da der Verkaufsmechanismus recht dynamisch ist, steckt man häufig vor dem Dilemma schnell und sicher ein paar Punkte zu machen oder auf den großen Wurf zu hoffen, der aber nur funktioniert, wenn einem niemand eine Runde lang in die Suppe spuckt. Dieses Kernelement ist solide und durchaus reizvoll, gerade weil es sich gut anfühlt, wenn einem ein guter Coup gelungen ist.
Sonderpunkte bei Spielende für gefüllte Reihen und Spalten – Wo haben wir das schon mal gesehen?
Allerdings ist das Spiel nicht eng auf diesen Kern zugeschnitten, sondern hat noch einige weitere Elemente, wie ein Mini-Mehrheitenspiel oder eine Handlungsoption, die nur für eines der 5 mitgelieferten Alienvölker wirklich veritabel zu sein scheint. Wie oft bei komplexeren Euros wurden Elemente eingemischt, die vom Kern ablenken, statt diesen zu verstärken. Das ist schade und unnötig, ließe sich aber verkraften, denn das zentrale Puzzle ist durchaus interessant.
Das Problem von Excavation Earth ist ein anderes: Der Spannungsbogen ist falsch justiert. In den ersten zwei Runden wird man planen und improvisieren und wenn A nicht geht, geht vielleicht B.
In der letzten Runde nehmen die Handlungsoptionen immer weiter ab. Möglichkeiten auszuweichen, wenn Mitspieler oder Nachziehglück (bei den Plättchen) nicht so wollen, wie man es gerne hätte, werden immer weniger und damit nehmen die Frustmomente zu. Im gleichen Maße wird mehr und mehr gegrübelt, damit ja die letzten Handlungen nicht verloren gehen. Aber auch die Siegpunkterträge werden immer weniger und dadurch stellt sich mehr und mehr das Gefühl ein, man würde einen Topf auskratzen; es wird immer mehr Energie verbraucht, um immer weniger Punkte zu gewinnen. Das ist kein positives Spielgefühl! Aber das Spiel bietet einen keine Alternativen – außer aufgeben. Da es nur um das Herausquetschen von Siegpunkten geht, passiert am Ende genau das. Zudem ist der Roll&Write-Bereich, also das Sammeln von Objekten, die man noch nicht hat – so wichtig, dass man sehr darauf angewiesen ist, fehlende Teile noch zu bekommen. Blöd, wenn sich herausstellt, dass diese unten im Stapel lagen.
Nach der ersten Partie war noch die einhellige Meinung am Tisch: „Nicht schlecht, das Ende zu lang, aber sonst ordentlich. Nicht ganz oben mit dabei“. Leider muss ich dem Spiel bescheinigen, dass mit jeder Partie deutlicher wurde, dass das Spiel keinen echten „Hook“ hat, nichts was übernimmt, wenn gegen Ende das Interesse abnimmt. Excavation Earth macht ein bisschen den Eindruck, als wäre nicht nur der Spannungsbogen, sondern auch die Entwicklungszeit zu früh beendet gewesen: Wie erwähnt sind nicht alle Handlungsoptionen ordentlich eingebunden. Der Marktmechanismus ist interessant, aber fummelig. Und auch die Graphikelemente wirken überhaupt nicht durchdacht – wichtige Zahlen und Symbole sind viel zu klein auf die Plättchen gedruckt, der wichtige Schwarzmarkt liegt in einer obskuren Ecke des Spielplanes, statt z.B. auf einer freien Fläche eines Nebenplans. Unverständlich, zumal man dem Spiel nicht vorwerfen kann, es würde fantastische Graphiken über Funktionalität stellen.
Plättchen von der anderen Tischseite aus fotographiert. Ich hoffe Sie können das Symbol und die Zahl in der Ecke erkennen.
Der Entwicklungsprozess ist eben nicht dann beendet, wenn es keine Fehler oder Killerstrategien oder Regellücken mehr gibt, sondern erst, wenn die positiven Aspekte herausgearbeitet wurden. Wenn beim Spielen für jedermann ersichtlich ist, welche Elemente Spaß machen sollen und es diese Elemente sind, die im Mittelpunkt des Spieles stehen und sich alles um diese Elemente dreht – Das ist hier leider nicht gelungen.
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