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Tzaar

Verlag: Huch & Friends
Autoren: Kris Burm
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 13 Jahre
Spieldauer: 20-30 Minuten (länger mit Turniervariante)

Tzaar ist zusammen mit Yinsh das zur Zeit bestbewerteste Spiel des Gipf-Projektes auf Boardgamegeek.
Die Frage ist nun: Was macht Tzaar zum bestbewertesten Gipf-Spiel und warum mag ich es deutlich lieber als das gleichbewertete Yinsh?
Dazu muss man sich erst einmal überlegen, was an abstrakten Zweiern reizt. Das ist natürlich individuell, aber ich denke Klarheit an Regeln, Potential für überraschende Züge und durch Flexibilität in der Eröffnung sich stark unterschiedliche Partien sind schon einmal drei Kernkompetenzen, die ein guter Zweier mitbringen sollte.

Klarheit an Regeln ist vermutlich bei allen Gipf-Spielen erfüllt. Keines hat eine Regeldichte, wie sie mit Schach vergleichbar wäre (und Schach ist beliebt), alle können in 5 Minuten erklärt werden.
Das Potential an überraschenden Zügen ist vielleicht das wichtigste Kriterium bei Zweipersonenspielen: Da es keinen Glücksfaktor gibt, sind überraschende Spielverläufe nur möglich, wenn man genügend Möglichkeiten für seinen Zug hat – und damit wird ein Spiel das hier hoch punktet, auch die Flexibilität mitbringen, eingefahrene Eröffnungsstrategien zu durchbrechen -denn die überraschen ja nicht. Allerdings sollten diese Überraschungen nicht daher stammen, dass der Spielplan unübersichtlich wäre. Nein, es müssen die Züge sein, die kreativ sind, die für Bedrohungen sorgen, wo man es nicht erwartet hat, obwohl man es hätte erwarten können. Hier ist ein guter Zweier wie ein guter Krimi, bei dem die Lösung überraschen, aber gleichzeitig hätte deduzierbar sein sollen. Nichts frustriert mehr, als wenn der Täter ein Charakter ist, den der Leser nicht kennen konnte. Und nichts stört bei abstrakten Zweiern wie Züge, die nicht vorhersehbar sein konnten.
Tzaar löst das Problem gleich an drei Fronten: Am wichtigsten ist, dass es zwei gegenläufige Siegstrategien gibt: Man gewinnt, wenn man einen der drei Figurentypen des Gegners vollständig vom Brett nehmen konnte. Man gewinnt aber auch, wenn der Gegner bei Zugbeginn nicht mehr schlagen kann. Sieht man bei Möglichkeit 1 kein Land, kann man Möglichkeit 2 wählen. Das ist eine mögliche Strategie, weil Leerfelder nicht betreten werden können (und ein Stein, der nicht zu einem anderen Stein ziehen kann somit blockiert ist) und weil es die Möglichkeit gibt mit eigenen Steinen Türme zu bauen und ein Stein oder ein Turm nichts schlagen kann, was aus mehr Steinen besteht. Eigentlich schwächen Türme die eigene Stellung etwas, weil de facto Steine fehlen (siehe Möglichkeit 1), aber sie sind eben auch gegen Angriffe von einzelnen Steinen geschützt. Große Türme des Gegners, die alles zermahlen kann man aber durch geschicktes Ziehen ins Abseits stellen, wo sie nicht mehr schlagen können. Das ist fast Judo – Die Kraft des Gegners verpuffen lassen und gewinnen, weil der seine Angriffe nirgendwo platzieren kann.
Die zweite Front ist der Doppelzug: Ein Spieler schlägt erst einen Stein (wie mit dem Turm beim Schach einfach durch draufziehen) und kann dann entweder erneut schlagen (räumt viele Steine aus dem Weg für Möglichkeit 1) oder einen Turm bilden (verteidigend wie bei Möglichkeit 2) – einfach durch ziehen auf einen eigenen Stein – Dadurch gibt es viele Zugmöglichkeiten und eben auch Möglichkeiten zu überraschen. Das doppelte Schlagen sorgt für eine schöne Dynamik, aber auch Verteidigung ist möglich – auf Kosten von Feldvorteilen.
Drittens ist die Ausgangslage zufällig. Außer beim Turnierspiel (bei dem man erst eine Auslage bildet, was nur Profis interessieren dürfte) werden alle Steine zufällig platziert. Es folgt erst einmal eine Aufräumphase, bei der man Steine aus dem weg räumt. Um schon eine gewisse Fokussierung zu ermöglichen sind die drei Steintypen unterschiedlich oft auf dem Brett und so wird man sich auf die seltenen Steine konzentrieren. Irgendwann wechselt man dann in die Defensive und baut Türme und legt sich eine längerfristige Strategie zurecht. Das sorgt für eine enorme Abwechslung in den Partien. Bis auf zwei schnelle „Oh mein letzter Stein der Sorte A ist ja nicht mehr zu halten!“- Siege zu Beginn glich bislang noch keine Partei der anderen. Es ist auch diese Flexibilität, welche die große Faszination für mich ausmacht. Zudem kommt noch ein Punkt, mit dem Tzaar für mich gegenüber Yinsh gewinnt: Die Züge sind klarer. Bei Yinsh sind die Züge immer indirekt durch das bewegen von Ringen und daher kommt dort eine Ecke hinzu, um die gedacht werden muss, was – wie bei langen Bandwurmsätzen, wie z.B. diesen hier – die Übersichtlichkeit abmindert, da man mehr geistige Kapazitäten darauf verwenden muss, die Lage überhaupt zu erfassen, wodurch weniger für die eigentlichen Strategie-Überlegungen zur Verfügung stehen. Das macht für viele Leute bestimmt gerade den Reiz aus. Aber ich bevorzuge die Klarheit von Tzaar: Jede Bewegungsmöglichkeit ist auf einen Blick ersichtlich. Jeder Stein kann jeden Nachbarn (ggf. auch über Leerfelder) erreichen. Ich muss nicht um die Ecke denken. Alles liegt klar auf der Hand, ich kann gut vorausplanen, Fallen stellen. Was ich daraus mache, liegt bei mir. Die Dynamik der zwei Züge sorgt dafür, dass sich dennoch eine Partie mit Wendungen entwickelt, bei der bis zuletzt der Sieger offen ist. Und das ist noch ein Vorteil von Tzaar: Wenn es vorbei ist, ist es vorbei. Wenn die Entscheidung fällt, ist das Spiel zu Ende. Es gibt keine Endphase, in der man unterlegen nur noch hoffen kann, dass der andere einen Fehler machen möge (wie beim Schach z.B.).
Muss ich noch erwähnen, dass Tzaar für mich zu den besten abstrakten Spielen überhaupt gehört? Ich denke nicht. Das sollte mittlerweile klar geworden sein.

Peer Sylvester
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