Verlag: Kosmos
Autor: Michael Rieneck / Stefan Stadler
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 12 Jahre
Spieldauer: 90-120 Minuten
Ich persönlich mag Rebecca Gablé ja sehr viel lieber als Ken Follett, das ist aber natürlich Geschmackssache und interessiert hier niemanden. Vor allem weil die gute Gablé noch keine „Verspielung“ ihrer Bücher erleben durfte (mit Ausnahme von diesem hier natürlich), während sich Follett jetzt schon über das zweite Spiel zum Buch freuen durfte. Aber das macht nix, denn „Die Tore der Welt“ ist in erster Linie ein Mittelalterspiel und hätte genauso gut die Romanhandlung eines Gablés-Titels abdecken können.
Soweit die Einleitung, bei der ich versucht habe den Satz „Das Mittelalter war sehr beschwerlich“ in seinen Inkarnationen zu vermeiden, denn 3 von 5 Rezis beginnen ihre Spielebesprechung bereits so.
Nun, der Punkt aber ist: Das Mittelalter WAR beschwerlich. Und im Spiel wird das soweit umgesetzt, als dass ein Gutteil der 6 Aktionen pro Spielabschnitt dafür draufgehen, sich die bei Abschnittsende fälligen Abgaben an Korn, „Frömmigkeit“ und Geld zu beschaffen. Das Problem dabei ist: Zwar gibt es jeweils eine Aktion um Frömmigkeit und Korn zu beschaffen, aber keine direkte Möglichkeit um Geld zu bekommen. Und auch Frömmigkeit und Korn gibt es nur einfach, benötigt werden aber zwei Stück (Man darf aber immerhin eine Aktion doppelt durchführen). Das Elend liegt also klar auf der Hand: Von allem ist zu wenig da. Damit das überhaupt funktioniert, gibt es jede Runde (von denen es sechs gibt pro Spielabschnitt) Einkommen und das kann durchaus eines der benötigten Güter sein – aber nur der Startspieler hat es in der Hand, welches Gut er bekommt. Der wechselt zwar ständig, aber weitestgehend gilt es flexibel zu bleiben.
Ist das Einkommen kassiert, darf jeder eine Aktion durchführen. Da stehen 12 zur Auswahl, aber jede kann nur einmal durchgeführt werden. Außerdem muss man mit jeder Aktion eine weitere wirkungslos abwerfen. Wer sich hier verplant, steht am Ende ohne sinnvolle Zugmöglichkeit da und schafft vermutlich die Abgaben nicht. Bei allem Gerangel um die Abgaben darf man nicht vergessen sich auf das eigentlich Spielziel zu konzentrieren: Auf Siegpunkte. Zu deren Erwerb stehen noch eine Menge anderer Wege bereit (siehe unten) und wer sich zu sehr auf das Nebensächliche (Abgaben) konzentriert, verliert das Hauptsächliche (die Siegpunktaktionen) aus den Augen und wird nicht gewinnen können.
Es stehen einem bei Tore der Welt viele Wege offen, ans Ziel zu gelangen; welcher erfolgreich ist, ändert sich aber ständig. Zum einen ist das Einkommen ja kaum kontrollierbar, zum anderen findet jede Runde noch ein Ereignis statt und die Ereignisse haben es in sich: Wird nur eine Karte unwirksam ist das schon ärgerlich. Werden aber ganze Bereiche auf dem Spielplan gesperrt oder Bauwerke fertig gestellt oder es müssen Güter abgegeben werden, so kann man schon mal in die Tischkante beißen. Langfristige Strategien sind so kaum möglich – man lebt mehr von der Hand in dem Mund, versucht möglichst flexibel zu bleiben und sich bietende Gelegenheiten zu nutzen. Das klappt mit wachsender Erfahrung sicherlich besser, aber wenn´s schlecht läuft, läuft´s schlecht.
Das soll nicht heißen, dass die Tore der Welt keinen Spaß machen würden – im Gegenteil! Man wird bestens unterhalten und es ist spannend. Aber: Man spielt halt auch etwas vor sich hin, ohne echte Chance etwas langfristig aufbauen zu können. Und der Frustfaktor ist auch nicht gerade gering. Unterm Strich sicherlich kein absolutes Highlight, aber ein sehr ordentliches Spiel, dass vom Anspruch her dem Buchvorgänger Säulen der Erde entspricht (wobei mir die Tore besser gefallen, weil sie imho mehr Möglichkeiten bieten).
Es folgt noch eine kleine Strategiediskussion, die für Leute, die nur am Kern der Rezi Interesse haben, nicht von Belang ist. Insbesondere geht es auch um die Frage, ob einer der Wege bevorteilt ist.
Auch wenn langfristige Strategien nicht möglich sind, so sind doch Spezialisierungen und unterschiedliche Spielstile möglich. Neben dem Kampf um die Abgaben bietet das Spiel folgende Möglichkeiten:
Bauen, Spenden, Pestopfern helfen, Wolle/Tuchhandel, Häuser bauen.
Alle diese Aktionen brauchen 2 Karten, um Ertrag zu bringen, mit Ausnahme des Spenden. Dennoch wurde diese Option selten gewählt. Warum? Vermutlich ist das ein psychologischer Effekt: Man weiß nicht 100% ob es Ertrag bringt (wobei die Chancen sehr hoch sind, es sei denn es sind tatsächlich alle Gebäude im Spiel) und vor allem weiß man nicht, wann man den Ertrag bekommt. Oft benötigt man aber eine gewisse Planungssicherheit, gerade was die Abgabengüter betrifft. Daher wird das Spenden (zumindest bei uns) eher selten durchgeführt, obgleich es mit nur einer Aktion einen z.T. recht hohen Gewinn verspricht.
Bauen ist natürlich die wichtigste Aktion: Sie kostet – Baumaterial vorausgesetzt – eine Karte (sonst noch eine Karte zum Beschaffen des Baumaterials) und bringt mit 3 Siegpunkten pro Baumaterial den höchsten Siegpunktertrag. Dennoch ist diese Aktion den anderen nicht überlegen: Zum einen gibt es sonst nichts, zum anderen sind die Bauplätze ja begrenzt. Wer bauen kann, sollte das aber unbedingt tun – alle anderen Wege Siegpunkte zu gewinnen sind langsamer. In Partien mit wenig Gebäuden werden daher auch insgesamt recht wenig Siegpunkte erzielt.
Wolle/Tuchhandel scheint mir etwas schwächer als die anderen Optionen zu sein, denn sie kostet zwei Karten und bringt nur Geld. Allerdings davon recht viel, so dass man mit frühem Tuch und niedrigen Steuern sehr flexibel bleibt. Geldbeschaffung ist oft ein Problem und da ist der Tuchhandel der effektivste Ausweg. Dennoch bevorzuge ich die kombinierten Wege.
Bei Hausbau bin ich mir unsicher. Auch er ist partiell etwas uneffektiv, da man zwei Karten braucht um Ertrag zu schaffen. Dafür kann die Doppelkarte natürlich den Ertrag verdoppeln und man hat beim Bau freie Auswahl was man bekommen möchte. Häuser können so eine Strategie wunderbar ergänzen. Außerdem versprechen sie gelegentliche Siegpunkte über die Gunstleiste. Dafür wiederrum können sie durch Ereignisse verloren gehen und das kann schmerzen. Wer aber sinnvoll den medizinischen Weg gehen will, kommt um Häuser kaum herum (ich baue meistens eines mit Geld und eines mit Medizin, aber das ist Geschmackssache).
Medizin ist sehr viel stärker, als man am Anfang denkt. Das Helfen der Pestopfer bringt Siegpunkte UND noch ein Extragut und medizinisches Wissen bringt zudem mit etwas Glück noch Bonussiegpunkte über die Gunstleiste. Dieser Weg wird oft unterschätzt, er birgt aber eine große Gefahr: Das Ereignis „Die Pest ist besiegt“ schließt diese Tür fast vollständig zu und wer sich zu sehr darauf konzentriert hat, hat viel Ressourcen verschleudert.
Auch wenn ich mir hier und da unsicher bin, würde ich erst einmal vermuten, dass alle Wege gleichberechtigt sind – eine gute designerische Leistung!
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[…] In der Zwischenzeit viel Spaß mit der neuen Rezi! […]
derzeit eines der besten Spiele!
kommt regelmäßig auf den Tisch, weil es nie langweilig wird!!! Ist und bleibt ein Superspiel!!!