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Schwungfedern

Verlag: Plaid Hat Games / Asmodee
Autor: Jerry Hawthorne
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 14 Jahre
Spieldauer: Je nach Szenario 60-90 Minuten (wenn die Spieler alle Regeln sicher beherrschen)

Tabletops üben auf mich einen gewissen Reiz aus: Ich finde die Überlegungen interessant, welche Einheiten man selbst auswählt und wie man am besten auf einem freien Feld agiert und den Gegner ausmanövriert. Allerdings ist dieser Reiz rein theoretisch, denn ich weiß auch, dass ich keine Lust habe Koffer voll mit Geld für Miniaturen auszugeben, keine Zeit und keinen Spielpartner habe um so ein System adäquat zu nutzen, insbesondere weil Tabletops oft auch recht umfangreiche Regelwerke haben. Vom Platzbedarf ganz zu schweigen…

Entsprechend interessiert bin ich immer dann, wenn „Einsteigertabletops“ auf den Markt kommen, die weniger Aufwand erfordern. Das Problem: Richtig funktioniert hat die Nummer in meinen Augen nur so richtig bei X-Wings (Armada kenne ich nicht) aber da muss man schon ziemlich investieren, wenn man mehr als Basiskämpfe zu zweit spielen möchte. Ich liebäugel aber immer noch ein bisschen damit…

Nun hat sich offenbar jemand bei Plaid Hat gedacht: „Hey, so ein System wie bei X-Wing wollen wir auch!“ Das Problem: Plaid Hat nicht die Rechte für Star Wars. Aber sie haben die Rechte für Mouse & Mystik, dem Recht beliebten Mäuse-Dungeon Crawler. Folge: Schwungfedern, das „X-Wing mit Mäusen, die auf Vögeln reiten“.

Was erst einmal etwas schräg klingt, sieht in Wahrheit sehr gut aus: Die Figuren sind toll gearbeitet, die Vögel können sich nach links oder rechts neigen, die Pappe ist dick, die Karten zwar zum Teil sehr klein, aber schön illustriert. Man bekommt etwas fürs Geld!

Schwungfedern verwendet für die Bewegung der Vögel dabei einen ähnlichen Mechanismus wie X-Wings (genaugenommen, eher einen ähnlichen Mechanismus wie bei Armada, da die Bewegung etwas besser steuerbar ist), erweitert das Spiel aber auch um eine Bodenbewegung: Während die Vögel mit ihrem Reiter (und einem optionalen Passagier) mittels aneinandergelegter Pappschienen größere Strecken zurücklegen, können sich die Bodentruppen nur innerhalb enger Bereicher (Bäume) bewegen, aus der sie sich zu Fuß nicht heraus bewegen können. Ihre Rolle ist in erster Linie die Verteidigung ihres Bereiches gegen eindringende Vögel, wobei man pro Runde aber auch immer einige Figuren auf „Spezialaufträge“ schicken kann, die unter anderem auch das Reisen zu andern Bäumen beinhalten. Dies ist ein ganz witziger Mechanismus, da diese Geheimaufträge bei Rundenbeginn vergeben, aber erst bei Rundenende aufgedeckt werden. Sie sind also tatsächlich geheim und sorgen für einen schönen Bluffmoment und helfen auch Spielern, die hinten liegen – denn diese Einheiten sind nicht an die üblichen Bewegungsregeln gebunden.

Nach einer Bewegung darf – wie bei einem Tabletop üblich – auch angegriffen werden, wenn die Reichweite stimmt. Das Kampfsystem ist dem aus Mouse & Mystic sehr ähnlich, es wird also viel gewürfelt. Wer nicht trifft, hat aber manchmal das Glück einen Käse zu würfeln, und für viel Käse kommen verlorene Einheiten zurück ins Spiel.

Im Prinzip läuft eine Runde also so ab, dass Spezialaufträge erteilt werden, dann entscheiden die Vögel schon einmal grundsätzlich ob es eine Kursänderung geben soll, dann wird der Startspieler per Würfel (!) bestimmt und dann aktivieren alle reihum immer eine Einheit. Eine Einheit bewegt sich erst (bei Vögeln ist das ein Muss, denn die können ja nicht einfach in der Luft stehen bleiben. Kolibris kommen im Spiel nicht vor) und greift dann eventuell an. Wer keine Einheiten mehr hat, bekommt Käse und so immerhin wieder Einheitennachschub in späteren Runden. Sind alle Einheiten aktiviert, kommen die Spezialaufträge an und alle ärgern sich, dass sie nicht doch den anderen Auftrag gewählt haben…

Dass das so einfach klingt, liegt aber auch daran, dass ich alle Details weggelassen habe. Und es sind viele Details und es können noch nach Gusto zahlreiche Dinge wie Aktionskarten, Schwungfedern, Todesspiralen etc. optional hinzugefügt werden. Wer auf dieses Spiel steht, der findet – wie bei Mouse & Mystik – eine Menge Möglichkeiten, das Spiel noch zu vertiefen.

Vorher allerdings muss er das Spiel erst einmal verstanden haben. Und das ist nicht einfach. X-Wing lebt davon, dass man relativ schnell losspielen konnte und dass das Grundprinzip sehr intuitiv war. Man konnte schnell mit simplen Kämpfen starten und dann komplexer werden (so zumindest meine Erinnerung, meine erste Partie liegt schon eine Weile zurück). Bei Schwungfedern ist das unmöglich! Selbst wenn man das Regelbuch durchgelesen und sich Notizen gemacht hat, kann man schlicht nicht losspielen! Der Spielaufbau zum Beispiel besteht aus folgenden Punkten:

  1. Wählt ein Szenario! (Gut, man fängt mit dem ersten an)
  2. Wählt die Einheiten oder nimmt die angegeben Einheiten aus den „Schnellstartregeln“ (soweit kein Problem, wenn man erst einmal die Einheiten den Karten zugeordnet hat)
  3. Baut das Schlachtfeld auf (auch kein Problem)
  4. Baut die Einheiten auf die Bäume
  5. Legt den Startspieler fest!

Soweit so gut. Keine Probleme. Und dann beginnt man mit der Auswahl der Missionskarte.

Von Missionskarten steht in der Aufbauanleitung nichts. Es steht auch nicht drin, ob man alle seine Aktionskarten (das sind andere Karten als die Missionskarten) auf der Hand hält oder nur ein paar und nachzieht oder so. Vermutlich hält man alle auf der Hand.

Und so geht es weiter: Ständig stellt man fest, dass eine Regel nicht bekannt ist, meistens weil sie irgendwo anders steht, als man vermuten würde, aber manchmal auch, weil es sie nicht gibt (und man vom nicht-vorhanden-sein der Regel ableiten soll, was gilt) oder weil die entsprechende Regel vage gehalten ist. Die ersten Partien Schwungfedern sind echt Steine kloppen. Wenn man hier nicht aufgibt, dann in erster Linie, weil man das ausgegebene Geld nicht in den Wind schießen will, nicht, weil die erste Partie so spannend wäre. Das ist sie nämlich nicht unbedingt, darauf ist allerdings sie auch nicht wirklich ausgelegt (es geht eher darum das Spiel kennen zu lernen). Das Problem ist in meinen Augen noch ein ganz anderes: Ich habe nicht das Gefühl, dass die ganzen Detailregeln das Spiel wirklich verbessern würden.

Diese ganze Erweiterung um „Bodenkämpfe“ und die dazugehörigen Sonderfälle zum Beispiel tragen für mich persönlich wenig zum Spielspaß bei. Was hier Spaß macht sind die Luftkämpfe – ähnlich X-Wing. Und die machen einen verhältnismäßig kleinen Teil einer Partie aus. Auch habe ich nicht das Gefühl bei Schwungfedern allzu viel zu erreichen – eine Partie kann echt lange dauern (auch mal mehr als 90 Minuten, gerade bei den ersten Partien sind eher zwei Stunden plus Aufbau und Erklärung normal) und das trägt das Spiel in meinen Augen nicht: Dazu ist der Einfluss der Würfel zu groß und so viel Vogelbewegung ist dann auch nicht. Wenn man sich auf der Tischmitte trifft und dann kleine Bewegungen wählt, um sich oft zu beschießen, passiert eben auch nicht viel überraschendes. Die X-Wings bewegen sich halt deutlich mehr. Auch Wings of War ist mehr auf den Punkt und konzentriert sich besser auf das was das Spiel eigentlich sein will – Die Luftkämpfe. Zumal man – wie gesagt – auch recht viel Spielzeit verbrennt, ohne dass man seinem Ziel groß näher gekommen wäre. Das ist bei herkömmlichen Tabletops oft nicht anders, aber die modernen sind oft auf kleine Szenarien ausgelegt, bei der viel Spannung über jeden kleinen Raumgewinn herrscht. Hier gibt es keinen echten Raumgewinn. Es gibt nur Angriffe, die mehr oder minder erfolgreich sind und danach fliegt man halt weiter oder auch nicht. Ich habe aber auch die Philosophie, dass wenn ein Spieler kaum noch Siegchancen hat, das Spiel auch in die Zielgeraden gehen sollte. Das ist hier bei vielen Szenarien nicht der Fall, wo man entweder abbrechen oder das Unvermeidliche noch ne Viertelstunde ausspielen muss.

Das ist natürlich auch eine Frage der persönlichen Priorität. Ich kann mir gut vorstellen, dass andere Leute gar nicht so den Schwerpunkt auf dem Luftkampf sehen. Aber außer dem Luftkampf sind die Möglichkeiten hier m.E. relativ stark beschränkt. Nur wenige Figuren lassen sich auf die Spezialmissionen schicken und auch wenn mir dieser Teil durchaus sehr gefällt, ist er doch letztlich doch nur ein Anhängsel.

Ich weiß nicht ob Schwungfedern ein „Anfänger-Tabletop“ sein will, aber die Welt (Mouse & Mystik) und der Vogelflugmechanismus deutet darauf hin. Wenn dem so ist, dann haben die Macher in meinen Augen den klassischen Fehler begangen, den schon Fantasy Warriors oder auch das Magic -Brettspiel begangen haben: Statt einem Grundspiel zum sofortigen Loslegen, dass man dann immer erweitert, zu bieten, haben sie ein Grundspiel produziert, mit dem man erst einmal viel Zeit und Mühe und Frust investieren muss, bevor man Spaß hat. Und da bleibt dann die Frage, warum man nicht gleich ein „richtiges“ Tabletop anfassen soll. Das Ziel ist hier ein bisschen zu viel Weg, der sich nicht für jeden lohnt.

Peer Sylvester
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