Verlag: Huch & Friends
Autor: Michael Rieneck
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 10 Jahre
Spieldauer: 30-45 Minuten
Ein Spiel mit dem Titel „Saustall“, dass zudem ein Merchandisingspiel zu einer mir unbekannten Krimireihe ist, hätte ich mir wohl normalerweise niemals näher angesehen. Zwei Dinge haben mich bewogen, eine Ausnahme zu machen: a) Michael Rieneck ist der Autor und der hat mittlerweile schon einige Spiele gemacht, die mir gefallen und b) ich hatte die Chance, ein Rezensionsexemplar zu bekommen – vermutlich, weil es anderen Rezensenten auf anderen Webseiten ähnlich ging wie mir und man daher online fast keine Informationen über das Spiel bekam.
Also: „Komissar Kluftinger schwierigster Fall“ soll gelöst werden: Ein Tierarzt wurde durch einen riesigen Käselaib erschlagen. Unfall oder Fremdverschulden? Das soll bald von den Spielern herausgefunden werden. Für letzteres spricht deutlich mehr, aber auch ersteres ist möglich.
Wer jetzt ein Deduktionsspiel erwartet liegt schon mal gänzlich falsch. Naja, vielleicht nicht gänzlich, aber ziemlich falsch. Etwas zumindest. Na gut, es darf auch logisch ausgeschlossen werden, doch eigentlich liegt man näher bei der Wahrheit, wenn man bei Saustall an ein Wettspiel denkt, bei dem man statt auf Pferde auf Verdächtige setzt. Und da es bei einem Mordfall um die Wahrheit geht, bleib ich bei meiner Geschichte!
Es darf also getippt werden und zwar vom Start weg. Zur Auswahl stehen die 8 Verdächtigen, die Alternative „Unfall“, 4 Motive und die Möglichkeit auf das Geschlecht des Täters zu wetten. Drei Tipps darf und muss man abgeben und dabei bleibt es bis Spielende. Zwar dürfen die getippten Dinge ausgetauscht werden, aber drei müssen es sein und zwar genau drei. Zwei dürfen nicht getippt werden, es sei denn es wird weitergetippt bis zur drei. Drei sollst du tippen, nicht Vier. Fünf Dinge zu tippen scheidet völlig aus.
Wie bei jedem guten Wettspiel kann man auch bei Saustall Einfluss auf das Ergebnis der Wette ausüben: In jeder Runde darf eine Aktion durchgeführt werden. Jede Aktion ist durch eine Karte gekennzeichnet und man hat drei davon zur Auswahl. Durch diese Aktionen wird der Täter immer mehr bestimmt. Und das im doppelten Wortsinn: Nicht nur die Spieler kennen den Täter nicht, er existiert quasi noch gar nicht. Derjenige unter den Verdächtigen ist der Mörder, der zum einen seinen persönlichen Gegenstand im verdeckten Stapel auf dem Spielbrett liegen hat und zum anderen kein Alibi hat. Ein Alibi haben heißt hier: Seine Figur liegt an einer Stelle auf dem Spielplan, auf dem auch ein passendes Geschlechterkärtchen liegt. Liegt dagegen ein männlicher Verdächtiger bei einem Frauenplättchen oder umgekehrt, so hat der Betreffende kein Alibi.
Also noch einmal: Verdächtiger liegt bei passendem Geschlechtersplättchen = Kein Mörder. Verdächtiger liegt nicht bei passendem Gleschechterplättchen = Vielleicht Mörder, aber nur wenn auch dessen Gegenstand im passenden Stapel. Glauben Sie mir, uns ging es genauso. Die Regeln erklären das auch nicht besser, vermutlich weil es nicht besser geht. Wenn Sie´s jetzt verstanden haben, ist gut, sonst ist´s auch egal.
Gibt es übrigens keinen passenden Verdächtigen, so gibt es keinen Mörder und die Sache war ein Unfall. Gibt es mehrere passende Verdächtige, so ist derjenige der Mörder, dessen Gegenstand bei Spielende (!) weiter oben im Stapel liegt.
Ich breite die Mördersuche deswegen so aus, weil nun klar ist, was die Spieler machen können: Entweder herausfinden welche Gegenstände im Stapel liegen bzw. welche nicht (die Gegenstände die nicht drin liegen, liegen bei irgendwelchen Mitspielern, z.B. bei sich selbst. Einen Verdächtigen kann also jeder bereits zu Beginn ausschließen – aber nur einen, denn die Plättchen sind natürlich anfangs nur ihren Besitzern bekannt) ODER die Geschlechterplättchen und die Verdächtigen auf den Plan bringen, vorzugsweise so zusammen, dass die Verdächtigen, die man getippt haben, kein Alibi bekommen und die anderen dagegen schon.
Man arbeitet also einerseits deduktiv (Gegenstände) und andererseits aktiv (Alibis). Zwischendurch opfert man noch die eine oder andere Aktion, um seine Tipps ins Reine zu bekommen (Opps, der Gegenstand meines Verdächtigen liegt ja beim Robert!). Damit das nicht zu einfach wird, muss man sich (fast) jede Runde entscheiden, welchen Tipp man komplett abgibt, was man also für den Rest des Spieles für sich ausschließt. Da man in seinem Zug nicht viel machen kann (nur 1 Aktion!), kämpft man am Anfang eher darum, klare Wegwerfkandidaten zu erzeugen, als konstruktiv den Täter zu ermitteln.
Ein Element gibt es noch: Da die Karten ja doch einen ziemlichen Glücksfaktor bedeuten (wer z.B. keine Motive platzieren darf, kann auch kaum welche tippen), hat man während des Spieles ein oder zweimal die Möglichkeit einem Mitspieler einen Zug zu klauen. Der so Beglückte kann den Diebstahl zwar abwenden, das kostet ihm aber 2 Siegpunkte (die er aber durch quasi-Aussetzen abbauen kann). Dieses Element kam jetzt nicht so überragend gut an in unseren Runden (Ist es doch ungerecht, ein zusätzlicher Glücksfaktor und zudem eine „Reinruf“-Aktion), aber alle sahen die Berechtigung dieser „Fettnäpfchen“ genannten Aktion ein.
So spielt man sich also durch die je nach Spielerzahl 9-12 Runden und kassiert am Ende Siegpunkte für richtige Tipps. Ganz so wie bei einem Wettspiel eben. Aber macht es auch Spaß?
Nun, das hängt nicht nur von den Erwartungen ab, sondern auch wie mit Dingen wie einer Proberunde und einem gewissen Glücksfaktor umgegangen wird. Die Proberunde ist nötig, weil keiner am Anfang auch nur ansatzweise weiß, was er tun muss, wie er alles beeinflussen kann und wie er tippen sollte – und wie nicht. Sicher, alles steht in den Regeln, alles ist irgendwo auch klar. Aber wie man an das Spiel herangeht, wird erst im Laufe der ersten Partie klar. Und die Täterermittlung ist auch nicht ganz intuitiv.
Dann ist es eben ein Wettspiel mit etwas ungewissem Ausgang, nicht Cluedo, wo zwar gewürfelt wird, der Täter aber dann auch irgendwann logisch erschlossen werden kann. Nicht nur sorgen Karten und Mitspielerhandlungen für Unberechenbarkeit in der Spielkontrolle, auch bei Spielende wird der Täter nicht selten durch den Tiebreaker „Weiter oben im Stapel“ bestimmt und ist so schlicht nicht vorhersehbar. Sicherlich kann man in der Regel einfach alle in Frage kommenden Personen tippen, doch ist ein Krimispiel, bei dem der Täter nicht 100%ig gestellt wird unbefriedigend. Zudem ein Spieler es auch riskieren kann, auf einen Täter nebst passendem Motiv zu setzen: Mit einer 50-50-Chance (bei zwei Alternativen) gewinnt er entweder mehr Punkte, als die Mitspieler durch sicheres Tippen erzielen können oder er bekommt gar keine Punkte. Auch das passt nicht so recht zu einem Krimispiel.
Andererseits geht Saustall wirklich herrlich flott: Eine Karte pro Person, einen Kandidaten aus dem Tippraster rausschmeisen und Zack – nächste Runde. Das geht flott, das hält einen auf Trab! Auch ist das Thema (abgesehen von der Wett/Krimispiel-Problematik) wirklich nett umgesetzt. Die Fettnäpfe tragen kurze Geschichten, die erklären warum der Kluftiger nun einen Zug verliert, bzw. einen Fettnapf (=2 Minuspunkte) kassiert. Die Geschichte wird im Spiel erzählt und Rieneck ist es gelungen ein Krimispiel eine wirklich neue Seite mit neuen Mechanismen zu kreieren. Mit der richtigen Erwartungshaltung und etwas regeltechnischen Durchhaltevermögen, bekommt man also tatsächlich ein schönes Familienspiel, das besser ist, als Titel und Schachtel dem Kluftiger-Nichtkenner suggerieren. Und schließlich sollte man erwähnen, dass es für ein Wettspiel gänzlich untypisch – auch gut zu zweit funktioniert.
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