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Saigo no Kane

Verlag: Wolf Fang
Autor: Marcin Podsiadło
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 12 Jahre
Spieldauer: 30 Minuten laut Schachtel, eher 45-60 Minuten

Ich lese keine Mangas und dennoch haben sich bei mir ein paar Mangaspiele angesammelt (hauptsächlich aufgrund meiner Regelübersetzungen für Japon Brand): Trouble School, Magical School und Highschool Election. Wenig überraschend geht es bei allen drei Spielen um Geschehnisse an einer japanischen Schule – offenbar das Hauptthema von Mangas? (Sollte ich jetzt völlig falsch liegen, sind natürlich die Spieleverlage schuld, die meine Bildung ganz offenbar negativ beeinflusst haben).
2008 ist ein weiteres Spiel dazugekommen und zwar Saigo no Kane – interessanterweise nicht bei einem japanischen sondern bei einem polnischen Verlag erschienen, nämlich bei Wolf-Fang. Und Saigo no Kane fügt sich thematisch nahtlos in die Reihe ein: Es spielt an einer japanischen Highschool. Vom Anspruch her passt es aber gar nicht in die oben stehende Reihe, denn wo die Kartenspiele auf gehobenem Mau-Mau/Kniffel-Niveau liegen, ist der polnische Vertreter durchaus vielschichtige Vielspielerkost.

Es geht darum Schulsprecher zu werden. Um das zu erreichen bedarf es Stimmen (quasi die Siegpunkte dieses Spieles) und um die wiederrum zu bekommen, muss man an Veranstaltungen teilnehmen. Und um die nun wiederum Punkt- bzw. Stimmbringend abzuschließen sind „Talente“ in sechs verschiedenen Sorten notwendig. Leider ist selbst der aussichtsreichste Kandidat nicht ganz so vielseitig und benötigt daher die Mithilfe seiner Mitschüler. Die können entsprechend aus dem allgemeinen Vorrat angeworben werden. Das wiederrum kostet Popularität und die stellt eine von zwei Quasi-Währungen dar. Die andere Währung ist Geld und wird benutzt um praktische Gegenstände zu erwerben.
Man sieht: Derer Verstrickungen sind viele!
Aber damit nicht genug! Personen und Gegenstände bringen zwar Einkommen, aber ärgerlicherweise erst nachdem die oben erwähnten Veranstaltungen (die gewissermaßen Aufträge darstellen) „bezahlt“ werden müssen. Also muss man einen Weg haben, um früher an Talente zu kommen und den gibt es auch: Man darf einen Schüler nämlich sozusagen anzapfen woraufhin er seine Talente zur Verfügung stellt. Dummerweise fühlt sich der Schüler nach zwei derartigen Schröpfungen ausgenutzt und verlässt das Spiel. Um das zu verhindern sind Lehrerkarten notwendig, die man wiederrum bei den Veranstaltungen gewinnen kann.

Den Überblick verloren? Das macht nichts, in der Praxis ist alles ganz einfach: In jeder der fünf Runden wählen die Spieler erst die Veranstaltungen aus, an der sie teilnehmen wollen. Dann dürfen sie reihum Spieler anwerben (gegen Popularität), Dinge kaufen (gegen Geld), Lehrerkarten ausspielen (die dann weg sind) und ihre Mitschüler „melken“ um Talentmarker zu bekommen. Sind alle soweit fertig, müssen die Veranstaltungen mit den Talentmarkern „bezahlt“ werden. Gelingt dies hagelt es Stimmen und noch weitere Belohnungen in Form von Karten oder Geld oder Popularität. Gelingt dies nur teilweise, darf man sich immerhin eine (oder auch mehr) der Belohnungen nehmen, bekommt aber keine Stimmen.
Anschließend werfen Schüler und Gegenstände noch „Material“ ab – aber Talentmarker dürfen nur vier mit in die nächste Runde genommen werden (sonst wäre es zu einfach). Außerdem gibt es noch eine monumentale Schlußwertung bei der so ziemlich alles gewertet wird und man so noch ein paar zusätzliche Stimmen bekommt. Nach fünf Runden endet das Spiel.

Wer kein Manga-Freund ist, wird vermutlich vom Thema eher weniger begeistert sein. Mir ging es ähnlich und Saigo no Kane lag lange im Schrank – zu Unrecht, denn es ist wirklich ein rundum gelungenes Wirtschaftsspiel. Die Verstrickungen sind interessant, ständig mangelt es an irgendetwas (besonders zu viert) und die Jagd auf die Talentmarker erzeugt genügend „Turn-Angst“ um zu unterhalten: Bekomme ich den Schüler noch, den ich für sein Rednertalent benötige? Soll ich gleich zugreifen oder mir lieber das Stimmeinkommen sichern? Den Spieler jetzt drehen? Was ist wenn der Gegner in mir mit einer Lehrerkarte kaputtmacht? Insbesondere die letzte Runde (bei der besonders lukrative – aber auch teure – Aufträge warten) hat es in sich, vor allem da es dort auch durchaus passieren kann, dass die letzte verfügbare Talentmarke aus dem Vorrat verschwindet – sehr zum Ärger der anderen.
Das Spielgefühl stimmt also und mit Sicherheit ist Saigo no Kane Wolf-Fangs bislang bestes Spiel (mit Abstand!) doch es ist nicht alles Gold was glänzt: Ist das Spiel selbst gut produziert (bis auf die Standfüße, die überhaupt nicht passen), ist die Spielregel nicht optimal. Einige Regeln werden beim Durchlesen nicht klar und ein falsches Beispiel ist etwas ärgerlich.
Spielerisch sind drei Punkte etwas unrund:
Erstens sind vier Schüler im Vorrat, d.h. zu viert wird in den ersten Runden in der Regel jeder genau einen Schüler nehmen. Hier wäre eine andere Zahl besser gewesen, damit der Rhythmus nicht so klar vorgegeben ist. Dass ich von dem Wertungsoverload bei Rundenende (meisten Schüler, meisten Gegenstände, meiste Geld, meiste Popularität, meiste Talente, meiste Tischkontakte, meisten Quadratmeter im Wohnzimmer, längste Nase, meisten Buchstaben im Zweitnamen…) nicht begeistert bin, weiß jeder, der regelmäßig mein Blog liest.
Außerdem haben wir einen kleinen „Wer führt, dem wird gegeben“- Effekt gesehen: Trotz (moderatem) Glücksfaktor und einer großen Stimmwertung zu Schluss ist ein guter Start Voraussetzung für den Sieg.
Doch unterm Strich gilt auch: Wäre das Spiel thematisch im Mittelmeerraum angesiedelt mit Gebäuden statt Schülern, Ressourcen statt Talenten und Aufträgen statt Veranstaltungen, hätte es wohl in die Top-Ten der Fairplay-Scoutliste auf der letzten Messe geschafft. So, ists etwas untergegangen – Zu Unrecht, wie ich meine.

Peer Sylvester
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