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Rushhour Shift

Verlag: ThinkFun
Autor: Alex Siedband
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: 5-20 Minuten (je nach Kartenhand und Fähigkeit der Spieler)

Als sehr positiver Mensch beginne ich mal mit einer Menge liebevollem Lob, dass ich hier ausschütten möchte:
Rushhour – das Solospiel, auf dem dieses Spiel basiert – ist toll und nicht von ungefähr international erfolgreich. Wer es nicht kennt: Man versucht sein Fahrzeug zum Ausgang zu fahren, muss aber erst einmal alle Autos aus dem Weg ziehen. Das ist nicht so einfach, denn die sind wiederrum durch andere Autos verklemmt, die wiederrum anderen im Weg stehen usw.
Als ich nun im Zuge der Nürnbergberichterstattungen von einer Zweipersonenspielvariante hörte, erwartete ich ein schnödes Wettpuzzle á la „Wer löst die Karte schneller?“ Doch schnell wurde Entwarnung gegeben: Rushhour Shift ist tatsächlich ein echtes Zweipersonenspiel! Mit Taktik!
Ich muss dem Autoren ein Lob aussprechen: Er hat es geschafft, das grundsätzliche Spielgefühl vom Solopuzzle auf ein interaktives Taktikspiel zu übertragen, dass tatsächlich mehr als nur ein schnödes Wettpuzzle ist.
Beide Spieler müssen ihr Auto befreien (wie im Original) und müssen dazu (wie im Original) allerlei Hindernisse in Form von anderen Autos aus dem Weg räumen. Zusätzlich kann die Spielfläche so verschoben werden, dass die Hindernisse plötzlich in einer anderen Reihe stehen. Gesteuert wird das alles mit Hilfe von Karten, die vorgeben, was ich darf und wie viele Bewegungspunkte ich zur Verfügung habe. Gesteuert wird das alles mit Hilfe von Karten, die vorgeben, was ich darf und wie viele Bewegungspunkte ich zur Verfügung habe. Das ist einfach, klar, passt zum Original… und wirkt wie ein unfertiger Prototyp.

Die Aufzählung der Probleme beginnt eher unspektakulär: Zwar geht es darum erster zu sein, aber es gibt keinen Startspielerausgleich. Und das obwohl die Anfangsaufstellung komplett symmetrisch ist. Aber gut, mit allem was ich mache, stelle ich potentiell dem Gegner etwas in den Weg, was einen Startspielervorteil zumindest eventuell ausgleichen könnte. Aber viel wichtiger sind eh die Karten, die mir vorschreiben, was ich darf und die dieses „Vorschreiben“ sehr wörtlich nehmen: Ob ich zum Beispiel einen Bewegungspunkt habe oder deren vier ist schon ein messbarer Unterschied, der nicht durch gutes Taktieren ausgeglichen werden kann. Zu wenig Schiebungen gibt es in einer Partie und jede Schiebung zählt – da macht sich das Kartenglück überproportional bemerkbar. Ob ein so hoher Glückfaktor tatsächlich die Freunde eines DENKSPIELES ansprechen, bezweifle ich hier einfach mal ganz frech. Aber gut: Vielleicht ist die Zielgruppe einfach eine andere als bei allen anderen ThinkFun-Produkten.

Hanebüchen wird es dann aber, wenn man feststellt, dass es keine Regeln gibt, die das Zurücknehmen des Vorgängerzuges verbieten. Da ich mit allem was ich mache, dem Gegner potentiell etwas in den Weg stelle, ist es nämlich oft der beste Zug, den Vorgängerzug einfach wieder rückgängig zu machen. Das betrifft vor allem das Bewegen der Spielfläche (das gegnerische Auto darf nicht bewegt werden) und tatsächlich wird hier gerne Hin- und Hergezogen, bis einem der beiden die passenden Karten ausgehen. Dazu schreibt der Autor auf Boardgamegeek, dass die Karten wirklich das einzige Element darstellen, dass die Spieler daran hindert, dass sich die Spieler gegenseitig unendlich lange blockieren.
Aber selbst der Autor musste zugeben, dass sich das Spiel durchaus aufhängen kann: Es ist nämlich nirgendwo geregelt, was passiert, falls ein Spieler nicht regelrecht ziehen kann, weil seine Handkarten nicht spielbar sind. Und das kann bei den kompakteren Anfangsaufstellungen recht oft vorkommen. Natürlich kann man sich mehrere Hausregeln ausdenken, aber selbst wenn man sich was Tolles ausdenkt: Nicht ziehen zu können (ggf. sogar mehrmals hintereinander) ist schlicht frustrierend.

Hätte mir jemand das Spiel auf einem Autorentreffen gezeigt, hätte ich gesagt: „Guter Ansatz, gute Umsetzung. Arbeite an den Kinderkrankheiten (Aufhängen, Negieren des letzten Zuges) und verringere den Glücksfaktor und du hast ein richtig gutes Spiel! Wird allerdings nicht ganz einfach…“

Nun ist Rushhour Shift aber ein fertiges Produkt. Und da frage ich mich doch, was die zuständige Redaktion in der Zeit gemacht hat, als sie das Produkt hätte entwickeln sollen. Als Fan des Solopuzzles bin ich regelrecht sauer, hier eine solch halbgare Angelegenheit vorgesetzt zu bekommen. Die Ansätze waren doch da! Man hätte sie nur mal nutzten müssen.

Peer Sylvester
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