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RoboRally (Neuauflage 2017)

Verlag: Hasbro
Autor: Richard Garfield
Spieleranzahl: 2-6
Alter: ab 12 Jahre
Spieldauer: Fast beliebig lange, je nach Szenario (offiziell: 20-120)

Hier soll es verstärkt um die Neuauflage gehen – ich setze Kenntnis des grundsätzlichen Spielverlaufs voraus!
Es muss so um 1994 rum gewesen sein, als ich mein erstes RoboRally zum Geburtstag bekam. Ich hatte etwas Mühe, das durchsichtige Folienpapier zu entfernen, aber dann… dieses Spielgefühl! Das war wirklich etwas ganz besonderes!

Tatsächlich war RoboRally in den 90er Jahren bei uns das meistgespielte Spiel (zumindest nach Anzahl gespielter Stunden). Natürlich hatte ich auch Armed & Dangerous und natürlich hatte ich die Wizards of the Coast – Ausgabe mit den Zinnfiguren (aber nicht die mit „Hakenkreuz-Bot“)  und natürlich wurde viel über die Amigo-Ausgabe gelästert, wo es nicht einmal virtuelle Roboter gab und das Geballer mit Laserstrahlen eine optionale Regel war. Leider habe ich mir (als Student) nicht die überteuerten Zusatzbretter geleistet – mittlerweile sind die bei ebay ihr Gewicht in Fabergé – Eiern wert und ich hätte mich zur Ruhe setzen können.

Was machte den Reiz des Spieles aus? Es war die Mischung aus Kontrolle und Chaos, das selbstständige Programmieren, das letztlich jeder für sich macht, gekoppelt mit hoher Interaktion durch die gegenseitigen Beeinflussungen. Die Schadenfreude, wenn sich jemand vertut oder man mit einem kleinen Schubser alle Pläne des Gegners durcheinanderwirbelt. Es fühlt sich gut an, wenn man bei RoboRally gewinnt, weil man das auf seine Strategie und seine überlegenden Programmierfähigkeiten zurückführen kann. Und wer nicht gewinnt, hatte Pech mit den Karten. Durch viele Bretter und freie Belegung der Checkpoints war jedes Spiel anders und man konnte die Partien für beliebig lange Spieldauern gestalten. Vor allem aber war es wohl die Mischung aus Kontrolle und Chaos…

Aber RoboRally ist kein perfektes Spiel. Einige Leute hassten es, weil sie mit dem Programmieren partout nicht klar kamen. Die Spieldauer konnte selbst bei kleinen Brettern viel zu sehr ausufern. Waren die Checkpoints unglücklich platziert, konnte der Sieger schon erstaunlich früh feststehen und nur noch an der Kartenhand scheitern. Die Optionskarten waren bemerkenswert unausgewogen (insbesondere die aus Armed & Dangerous). Vor allem aber gab es zahlreiche Regelunklarheiten – was durch zahlreiche offizielle Varianten und inoffizielle Hausregeln noch verstärkt wurde. Spielte man mit „gemischten“ Runden, musste man sich bisweilen wie bei Doppelkopf erst einmal 10 Minuten auf ein Regelwerk einigen. RoboRallys Regelwerk war nicht elegant. Die schöne Kernidee des Programmierens wurde mit vielen kleinen Regeln verwässert, die Sonderfälle vermeiden wollten und dafür nicht selten neue schuf.

Richard Garfield hat sich nun nach 20 Jahren entschlossen alles zu vereinfachen, zu verbessern, zu verschlanken und ein neues RoboRally ist erschienen. Ein besseres, ein eleganteres Roborally?

Was hat sich alles geändert? Kurzzusammenfassung: Spieler haben eigene Kartendecks, Schaden und Priorität wird neu bestimmt, Optionen werden jetzt gekauft, Start und Reboot ist neu, es gibt eine Sanduhr und natürlich neue Karten und Material. Mit anderen Worten: Der Kern (Programmieren, Setzen und ballern) ist gleich, alles andere ist neu.

Wie wirken sich die Änderungen aus? Das bespreche ich mal schön der Reihe nach:

Jedem Spieler sein eigenes Deck an Bewegungskarten zu geben ist zweifelsfrei die wichtigste und beste Änderung der Neuauflage: Statt dass jeder Karten von einem gemeinsamen Deck zieht, hat jetzt jeder sein eigenes Kartendeck. Offensichtlicher Vorteil: Die Chance auf eine komplett unbrauchbare Hand ist deutlich gesunken. Weniger offensichtlicher Vorteil: Die Spieldauer wird deutlich verkürzt, weil nicht immer zwischendurch gemischt und gegeben werden muss – vor allem muss man nicht mehr darauf achten, wer wie viele Karten bekommt, denn auch der Schaden ist völlig anders geregelt. Statt wie bisher weniger Karten zu bekommen, bekommt man jetzt erst einmal eine Schadenskarte ins Deck. Die blockiert auf lange Sicht natürlich die Hand (so wie bei Colt Express). Loswerden kann man die, indem man die Karte normal programmiert – die Grundschadenskarte (mit anderen Waffensystemen kommen andere Schadenstypen ins Spiel) sorgt für eine Zufallsbewegung und kommt dann aus dem Deck heraus. Das ist einfach und elegant – deutlich eleganter als im Original. Mit diesem Schadenssystem gibt es jetzt auch keinen Powerdown mehr, der nicht selten frustrierte (er musste rechtzeitig angesagt werden und man konnte wieder Schaden fangen, was nicht selten für mehrere komplett inaktive Runden in Folge sorgte). Noch ein Vorteil ist dass, es jetzt neue Bewegungskarten gibt: Power Up (Man bekommt einen Energiewürfel) und eine Wiederholungskarte, welche den letzten Befehl wiederholt. Auch Optionskarten ermöglichen so interessanteres Handmanagement und das Programmieren via Karte, die ins Deck kommt, ist eleganter und intuitiver. Diese Änderungen machen RoboRally deutlich besser und tighter, wie wir RoboRallyier sagen. Ich würde nur noch mit eigenen Decks spielen wollen! Insbesondere das Schadenssystem ist besser als ich befürchtet hatte – da die Decks klein sind, tun die Schadenskarten tatsächlich genauso weh wie die Treffer beim Urspiel, ermöglichen aber taktischeres Schadensmanagment, da man eben selbst entscheiden kann ob und wie viele Schadenskarten man entsorgen möchte.

Doch es gibt auch eine Kehrseite: Da jeder ein eigenes Deck hat, gibt es keine Prioritätszahlen mehr und das bedeutet, das Prioritätssystem musste ersetzt werden und das neue ist weder allzu intuitiv noch besonders clever: Die Spielerreihenfolge richtet sich danach, wie weit sie von einem bestimmten Feld (Der „Antenne“) entfernt sind. Das wirkt erstens willkürlich, zweitens ist es nervig abzuzählen und drittens braucht man einen Tiebreaker, der noch weniger eleganter ist. Zudem entfällt die taktische Möglichkeit eine Karte mit besonders hoher (oder niedriger) Priorität zu spielen, um vor (oder nach) dem Gegner dranzu sein. Es wäre ein einfaches gewesen Zahlen auf den Karten so zu verteilen, dass die Decks ausgeglichen wären, insofern ist diese Änderung für mich eine verpasste Chance. Sie macht das Spiel nicht grundsätzlich schlechter, aber eben auch nicht gerade besser.

Ein weiterer Grund für die Priritätenregel ist die zusätzliche Kaufphase: Statt über irgendwelche Felder auf dem Brett (wie bei der alten Ausgabe) stehen jede Runde (!) Optionskarten zum Verkauf an. Gekauft wird in derselben Reihenfolge wie gesetzt und bezahlt wird mit Energiewürfeln. Das funktioniert gut und sorgt für ordentlich Optionskarten – was dem Spiel guttut. Wie oben beschrieben lebt das Spiel auch von der Schadensfreude und Optionskarten sorgen für mehr Schadensfreude.  Nicht umsonst gab es im Urspiel viele Varianten und Hausregeln, um mehr Optionskarten ins Spiel zu bringen und die sind jetzt alle hinfällig. Viele Karten sind aus dem Ur-RoboRally bekannt – was neu ist, dass einige mit dem Zahlen von Energiewürfeln verbunden sind (elegant). Dafür gibt es keine Bomben oder Explosionen. Die alten Optionskarten können so aber nicht genutzt werden, weil sie ja keine Kosten haben. Ich hoffe da auf eine Erweiterung… Was aber versäumt wurde ist eine etwas ausführlichere Erklärung in der Spielregel. Dort werden die Karten vorgestellt, aber nicht weiter erläutert. Da sind Regelfragen wieder vorprogrammiert (sic).

Dann gibt es noch drei kleinere Regeln, die das Spiel verschlanken sollen: Als erstes die Sanduhr: Wie bei Galaxy Trucker dreht der erste Spieler, der programmiert hat, die Sanduhr um, alle anderen müssen in der Zeit fertig werden. Diese Idee gab es schon als Hausregel und so sollte sie auch behandelt werden: Ja, sie beschleunigt das Spiel und macht Langdenkern Beine. Nein, nicht jeder ist über sie begeistert. Ich persönlich brauche sie nicht (und das sage ich obwohl ich normalerweise mit am schnellsten bin) – und sie kollidiert mit einigen Optionskarten; Wenn ich meine Hand austauschen darf und jemand dreht dann die Sanduhr um, nützt mit das wenig. Zudem macht sie das Spiel für Anfänger noch ein bisschen schwerer. Aber wie gesagt: Ob mit oder ohne kann ja jeder selbst entscheiden (da sind wir dann wieder bei Doppelkopf).

Dann der „Reboot“ was der Euphemismus für „Tod“ ist: Prinzipiell stirbt man nicht mehr den Lasertod, weil das neue Schadensystem ja beliebig viele Schadenspunkte erlaubt (man verliert nur immer mehr Spielkontrolle). Praktisch stirbt man eigentlich nur noch durch das Verlassen der Spielfläche. Und dann startet man auf dem Rebootfeld, nicht auf irgendwelchen Checkpoints. Das ist clever, denn es entzerrt gewaltig, ist weniger frustrierend und man muss sich nicht merken wer wo war bzw. Marken verteilen. Es gibt keine virtuellen Roboter mehr, stattdessen starten ggf. alle Beteiligten quasi nebeneinander, was ebenfalls gut funktioniert (zumal eh weniger Spieler gleichzeitig sterben dürften). Beim Start hat jeder seinen eigenen Startblock. Keine elegante Regel, aber auch keine schlechte. Kann man so machen. Übrigens bleiben Schadenskarten beim Reboot im Deck (und es kommen noch zwei dazu), daher funktioniert die „Reparieren durch Selbstmord“-Methode nicht mehr. Potentiell etwas frustrierender für Anfänger, aber spielerisch auf jeden Fall sinnvoll, zwingt es einen eben doch Schadenskarten auch mal zu programmieren.

So, was die Regeln betrifft überwiegt das Gute: RoboRally ist tatsächlich einfacher und schneller und eleganter geworden und mehr auf den Punkt. Es bleibt allerdings hier und da der Eindruck, dass der Weg nicht immer konsequent bis zum Ende beschritten wurde, um das Spiel noch mehr zu entschlacken (z.B. die Priorität oder bei den Drehregeln auf Fließbändern, die immer noch für Verwirrung sorgen).

Kommen wir zum Material. Da fällt mir das Wort „Inkonsequent“ ein: Schicke Roboter (Bemaltes Plastik, ähnlich der Amigo-Ausgabe) und dreidimensionale Checkpoints stehen wirklich sehr dünnen Markern und Karten entgegen. Besonders die Spielerdecks hätten aus besserem Material sein müssen – die werden ständig gemischt und bearbeitet und das merkt man den Karten auch schnell an. Zudem sind sie für meinen Geschmack zu klein (wobei das Geschmackssache ist). Ist die Schachtelgraphik noch ganz ordentlich, ist die Graphik im Spiel spartanisch und die Bilder der Optionskarten weniger atmosphärisch als im Urspiel. Nichts was abschreckt, aber eben auch nichts was irgendwie im Zeitalter von Fantasyflight-Materialschlachten irgendjemanden zum Spielen animieren würde, der nicht sowieso schon animiert ist.

Bei den Spielplänen gilt „Weniger ist mehr“: Wizards of the Coast hat es ganz gerne mal übertrieben mit Bordelementen: Karten wie „Maelstrom“ oder „Lazer Maze“ konnten die Spieldauer einer Partie bequem verdoppeln. Bei den neuen Plänen gibt es generell sehr wenig Wände (ergo: Viel Platz zum Ballern), kaum fest installierte Laser und insgesamt eine etwas spartanischere Ausstattung. Nur vier der zwölf (!) Karten sind etwas komplexer, aber auch das ist völlig in Ordnung! Zum einen wird das Spiel so auch schneller und zweitens sind die Karten auch zum Urspiel kompatibel. Eine Reihe von Streckenvorschlägen findet sich in der Regel, komplett mit Einschätzung der Komplexität und der Spieldauer – sehr schön! Auch wenn ich vor 20 Jahren vielleicht von den Karten enttäuscht gewesen wäre (damals galt ja „Mehr ist besser“), sehe ich heute doch die Vorteile auch eine Partie in einer zivilisierten Zeit spielen zu können ohne zwischendurch Checkpoints abzubauen…

Alles in allem würde ich sagen gewinnt „Vorteil“ gegen „Nachteil“ etwa 4:2. Macht daraus, was ihr wollt.

 

 

 

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Peer Sylvester
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2 Kommentare

  • Hallo ! Ich habe zwei Regelfragen die ich nicht ganz versteht. (Ich habe das Spiel, aber nocht nicht gespielt.)
    1. Wenn man einen Roboter weiter schiebt, wird dann zusätzlich auch noch auf diesen geschossen. D.h. ich schiebe ihn wohin und dann schieße ich noch ?
    2. Schadenskarten kommen ins Deck. Da man aber 9 Karten zieht und nur 5 spielt und die anderen auf den Ablagestapel ablegt, kann man doch die Schadenskarte immer wieder auf den Ablagestapel legen. D.h. die kommt erst ins Spiel wenn man 5 Schadenskarten auf der Hand hat ! (zuvor kann man die doch ablegen, sofern man irgend was sinnvolles machen kann .)

  • Hallo!
    Zu 1: Ja, erst schieben, dann schießen (Eventuell schiebt man jemanden auf ein Fließband oder in den Abgrund oder man selbst wird weggeschoben, es ist also nicht gesichert, dass man ihn auch noch trifft – meistens wird dies aber der Fall sein)
    Zu 2: Ja du hast recht – Aber sie schränken die Auswahl deutlich ein. Ein paar Schaden machen in der Regel nix (das war im Urspiel auch schon so), aber wann der Punkt kommt, an dem es zu viel wird, weiß man idR erst wenns zu spät ist –> Daher lieber schon rechtzeitig weg damit, wenn die Gelegenheit da ist.