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Quadropolis

Verlag: Days of Wonder
Autor: Francois Gandon
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: 30-60 Minuten

Ich war überrascht, dass mir Quadropolis dann doch so gut gefallen hat, wie es mir gefallen hat.

Ich meine, ich habe jetzt keinen Mist erwartet oder so. Das Material ist wie bei Days of Wonder üblich hochwertig. Die Graphik ist auch nicht schlecht … irgendwie … bonbonfarben? Im ernst: Ich habe echt Schwierigkeiten mich an die Graphik zu erinnern. Was zeigt die Schachtel auf dem Cover? Keine Ahnung. Bestimmt irgendwas mit Gebäuden. Immerhin geht es beim Spiel irgendwie um Gebäude. Es ist nicht so, dass die Graphik schlecht wäre – oder auch nur bieder oder unpassend – sie ist aber eben auch nicht gerade mitreißend oder auch nur etwas, das im Gedächtnis bleibt. Und genau das war auch meine Erwartungshaltung an das Spiel nach der Regellektüre.

Es fängt damit an, dass wir Gebäude werten. Aus unserer Auslage. Am Ende des Spieles. Dabei sind die Gebäude so das übliche: X zählt Punkte, wenn Y benachbart liegt, Z aber gibt Minuspunkte wenn es neben A liegt, und bei B gilt es möglichst viel nebeneinander zu platzieren. R kann gestapelt werden.  Das kennen wir doch von… so ziemlich jedem Stadtbauspiel seit Metropolis. Quadropolis bringt hier insofern einen neuen Kniff unter, als dass die meisten Gebäude aktiviert werden müssen, um gewertet zu werden: Man braucht entweder 1 Energie oder 1 Figur für das Plättchen, sonst wird es vor der Wertung abgerissen. Eine unscheinbare Regel, deswegen war mir bei der Regellektüre auch noch nicht klar, dass sie ziemlich positive Implikationen bezüglich der Spannung haben sollte…

Der Rest der Regel befasst sich damit, wie die Plättchen aus der allgemeinen Auslage in die eigene Auslage kommen: Man nimmt sie sich einfach. Ein wenig ist man eingeschränkt, weil die Reihe und Spalte tabu ist, aus welcher der Vorgänger sich bedient hat. Und weil jedes „Randfeld“ nur einmal benutzt werden darf. Dort setzt man nämlich Papparchitekten ein, welche Angeben, welches Plättchen (vom Rand gezählt) genommen wird – die „3“ nimmt das dritte Plättchen von der Position wo man den Architekten eingesetzt hat. Ich sehe, Sie sind beim Lesen bereits eingeschlafen. Doch der Gag kommt erst: Die Zahl gibt auch an, wo ich das Plättchen in meine Auslage einlegen darf. Und das ist eigentlich die viel größere Einschränkung. In der Regel bekommt man die Plättchen, die man auf jeden Fall braucht auch irgendwie. Aber leider hilft „Irgendwie“ nicht, wenn ich die dann auch nur „Irgendwo“ einbauen kann. Dass das Problem beim Platzieren liegt und nicht so sehr beim nehmen, konnte ich aus der Regel nicht ableiten. Und so habe ich das Spiel erst einmal als „übliches Stadtbauspiel mit interessanter aber irgendwie verkopfter und sehr abstrakter Regel“ abgespeichert. Sicherlich ordentlich, aber nicht im Gedächtnis bleibend. So wie der Titel „Quadropolis“ halt.

Aber… das Spiel ist gut! Das Spiel ist spannend! Das Spiel ist eine Puzzleaufgabe! Gut, letzteres war mir auch vorher klar, aber dass es auch eine spannende Puzzleaufgabe ist, liegt eben daran, dass man sich schon nach wenigen Zügen so eingebaut hat, dass man nicht nur bestimmte Plättchen braucht, sondern diese auch mit bestimmten Architekten von bestimmten Randfeldern aus nehmen muss: Ja, ich will meinen Hafen ausbauen. Das Plättchen ist kein Problem – das bekomme ich so oder so. Aber wenn ich es auch neben den Rest meines Hafens anbauen möchte, muss ich es mit einer 2 nehmen. Und das geht nur, wenn der Spieler vor mir nicht… Arrgh! Vielleicht mit der 3 und dann – Doppelarg, geht ja auch nicht! Dann kann ich den Laden nicht mehr bekommen… Und Energie brauche ich auch noch! Wo bekomme ich eine Fabrik her? Da ist eine… nee, die will ich nicht, die bekomme ich nur noch mit ne 4 und da will ich sie nicht hinbauen, da muss doch mein Bürgerhaus hin…

Ach ja, da war noch was: Fabriken liefern Energie wenn man sie baut. Andere Plättchen liefern Bürger, Häfen potentiell beides. Gut, denn man braucht den Kram ja zum aktivieren. Schlecht, denn was man nicht zum Aktivieren braucht, gibt Minuspunkte. Also muss nicht nur Produzieren, sondern auch Verbrauchen. Und das ist ein herrlich vertracktes weiteres Puzzle-im-Puzzle. Und ich mag herrlich, vertrackte, spannende Puzzles. Das sollte man auch, denn darüber hinaus bietet Quadropolis lediglich wenig Interaktion und Potential für lange Wartezeiten (insbesondere zu viert). Aber wer gerne puzzelt und optimiert… mein Gott – der kommt auf seine Kosten!

Und dafür gibt es sogar zwei Geschmacksrichtungen. Anders als das gesamte Internet, bin ich nicht, der Meinung, dass die „Experten-Variante“ die einzig wahre ist. Sie erlaubt eine etwas freiere Wahl bei den Architekten, was weniger einschränkt und damit den Glücksfaktor etwas verringert, aber dafür auch das gegenseitige blockieren verringert (und man weiß nicht genau, wer überhaupt zur Verfügung steht). Vor allem führt sie neue Gebäude ein, die noch mehr Puzzlearbeit bedingen und einem noch mehr zur Spezialisierung zwingen. Muss nach meiner Meinung gar nicht unbedingt sein, zumal die Übersicht etwas leidet. Mit der Expertenversion ist es wie mit einem großen Eisbecher im Eiscafe: Schmeckt gut und macht satt, aber  manchmal ist einem mehr nach simplen drei Eiskugeln ohne Sahne. Das heißt nicht, dass die Drei Kugeln „besser“ sind oder dass der Eisbecher „besser“ ist, sondern, dass je nach Situation mal das eine, mal das andere besser mundet. Und natürlich, dass Eis immer schmeckt. Das wollen wir ja nicht vergessen!

Peer Sylvester
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