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Municipium

Verlag: Valley Games
Autor: Reiner Knizia
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 12 Jahre
Spieldauer: 60 Minuten

Es gibt Mechanismen da denkt man sofort: Das könnte mir gefallen! Municipium war so ein Fall und folgerichtig stand es auf meiner Essen-Liste sehr weit oben. Leider war es dort nicht verfügbar – die Valley Games Lizenz für das Spiel erstreckte sich nicht auf den deutschen Raum! So blieb mir nichts anderes übrig als das Spiel als teuren (40€) Import zu beziehen. Zum Glück hat sich der gute erste Eindruck bestätigt!

Das Thema ist kniziatypisch und das bedeutend: Beliebig. Irgendwelche Adelsfamilien (wir) bewegen ihre Familienmitglieder (die Spielsteine), um in bestimmten Orten Bürger (Meeples in 4 Farben) zu beeinflussen (in den eigenen Vorrat zu nehmen), um …äh… die zu verkaufen (Ein Figurensatz aus allen 4 Farben kann in eine Siegpunktmünze umgewandelt werden). Wem das am schnellsten gelingt (wer zuerst 5 Münzen hat) wird zum „Verkäufer des Monats“ in Rom gekürt (gewinnt).

Das Interessante an dem Spiel ist das Mehrheitsprinzip: Es gibt 6 Orte. Wir bewegen bei jedem Zug maximal 2 eigene Figuren. Dadurch ergeben sich zwangsläufig ständig wechselnde Mehrheiten. Diese sind wichtig, um die Siegpunkt-Bürger zu bekommen und um die Sondereigenschaften der Gebäude zu nutzen – doch bevor ich erkläre wie das geht, kommen wir zum originellstem Mechanismus des Spieles.

Das Originelle an dem Spiel ist der Zugmechanismus: Wurden die eigenen Spielsteine bewegt, kann man entweder eine der drei eigenen Aktionen machen oder eine Zufallsaktion durchführen. Ersteres sollte man nicht leichtfertig tun, denn man hat nur drei davon im ganzen Spiel! Dafür sind diese Aktionen auch besonders stark und ihr richtiger Einsatz entscheidet über Sieg oder Sibirien. Zwangsläufig wird man in seinem Zug überwiegend die Zufallsaktion durchführen. Das ist nicht so schlimm wie man denkt: Es gibt deren drei verschiedene und gesteuert werden sie über einen kleinen Kartenstapel. Da die Anzahl der Karten bekannt ist, gibt es eine gewisse Berechenbarkeit. Die drei Aktionen sind im einzelnen:

  1. Das Bewegen des Senators. Diese neutrale Figur bewegt sich zum nächsten Gebäude. Der Mehrheitsinhaber dort bekommt einen Jokerbürger, der Spieler mit der zweitgrößten Anzahl einen normalen Bürger.
  2. Das Einsetzen neuer Bürger: JEDER Spieler zieht einen Bürger aus dem Beutel und platziert ihn auf einem beliebigen Gebäude passender Farbe. Ist es der dritte Bürger dort, bekommt der Mehrheiteninhaber 2 seiner Wahl, der zweite bekommt den verbliebenden dritten Bürger
  3. Das Nutzen der Gebäude: Je nach Karte kommen entweder alle Sonderfähigkeiten zum Einsatz oder jeder darf sich eine aussuchen. Verwenden darf man aber nur eine Sondereigenschaft wo man tatsächlich die Mehrheit hält. Diese Eigenschaften rangieren vom Umverteilen der eigenen oder fremder Figuren (wodurch sich natürlich neue Mehrheiten ergeben) bis hin zum Stehlen von Bürgern vom Mitspieler oder Rabatt beim Siegpunktkauf.

Der Reiz des Spiels liegt im Management der ständig wechselnden Mehrheiten und des Zufallseinflusses über das Kartendeck. Wo muss ich eine Mehrheit erlangen? Soll ich mich hier auf einen Zweikampf einlassen oder weiterziehen? Die Chance ist groß, dass ich gleich den Senator bewegen kann, soll ich darauf hoffen? Oder soll ich mit meiner eigenen Aktion die Gebeäudeaktionen nutzen, um mich neu zu positionieren? Andererseits muss ich mich langsam auch mal um Bürger kümmern! Welche Gebäudeaktion nützt mir jetzt besonders? Fragen über Fragen!
Die sich daraus ergebenen Dilemmas sind ausgesprochen reizvoll, aber die einzelnen Züge sind erfreulich kurz, so dass selbst mit Grüblern am Tisch kein allzu großer Leerlauf entsteht (zumal man bei einigen Aktionen auch einen Zug durchführen darf). Municipium gehört zu den wenigen Spielen, bei denen der Reiz der ersten Partie nicht verfliegt, sondern sogar noch verstärkt wird (wenn man nämlich von Beginn an weiß, was man da tut). Einziger Schwachpunkt ist das Spielende: Das endet nämlich einfach so ohne großen Knalleffekt am Schluss. Jemand bekommt seine fünfte Münze und das wars. Das kann zwar ein spannendes Finish sein, wenn zwei Spieler gleichauf liegen, es kann aber auch sein, dass sich der Sieg bereits Runden vorher abzeichnet und das Spiel dann noch irgendwie zu Ende geführt werden muss.

Die Graphik ist in Ordnung, aber von Mike Doyle hätte ich mehr erwartet. Die Regeln sind etwas sehr knapp geraten – insbesondere die Gebäudeaktionen hätten etwas besser erklärt werden können. Da muss Valley Games noch viel lernen! Immerhin sind die Regeln besser als die von Habitat, das vielleicht schlechteste Regelheft des Jahres 2008.

Aber egal: Municipium ist endlich wieder ein richtig guter , anspruchsvoller Knizia! Nicht ganz das Niveau von Euphrat&Tigris, aber knapp darunter. Klare Kaufempfehlung!

Peer Sylvester
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2 Kommentare

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  • Bei uns wars am Ende immer sehr knapp und spannend, insofern kann ich diese Kritik nicht ganz teilen, aber sonst bin ich ganz deiner Meinung. Als ich Herrn Knizia in Essen letztes Jahr die Hand schütteln konnte, wünschte ich ihm, dass auch ein deutscher Verlag mal wieder ein „Big Box“-Game für Vielspieler herausbringt: ich bin es langsam leid, nach Ilium und Municipium immer den Importhandel bemühen zu müssen. Nichts gegen seine leichteren Spiele, aber von denen habe ich mittlerweile genug im Schrank.