Verlag: Ravensburger
Autor: Michael Feldkötter
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: 30-60 Minuten (offiziell sind´s nur 30)
Es mag ja sein, dass man als Rezensent manchmal das Ohr zur Zielgruppe verliert. Aber findet tatsächlich jemand den Titel „Krawall vorm Stall“ ansprechend? Oder die Schachtelgraphik? Oder das Thema „Hühner“? Ich dachte pseudowitzige Schachtelgraphiken sind seit „Um Reifensbreite“ out? Aber vielleicht irre ich mich ja auch und die Familien entscheiden sich reihenweise lieber für Krawall im Stall als für ein deutlich schöneres Spiel. Z.B. alle anderen im Regal. Und dann spielen sie das vermutlich auf dem Mond und es herrscht Weltfrieden.
Worum geht es denn eigentlich? Wir spielen ein paar Hühner (die aussehen wie Gänse) und laufen den Hügel – nein nicht den Misthaufen , ausdrücklich den Hügel, auch wenn der Plan anderes suggeriert- hinauf und wer seine beiden Hühner die Spitze des dreidimensionalen Misthügels erreichen lässt hat gewonnen.
(Nur eine kleine Zwischenfrage: Mag die Zielgruppe dreidimensionale Spielpläne aus Plastik eigentlich wirklich? Und wenn ja: Stört es sie gar nicht, wenn der Plan total hässlich ist? Mir wäre ein wirklich schicker flacher Plan lieber gewesen, aber was weiß ich schon?)
Um die Hühner zu bewegen, benötigen wir Karten. Die bekommen wir über einen Sondermechanismus: Wer am Zug ist, kann würfeln. Dazu würfelt er erst einmal mit drei Würfeln. Auf die gewürfelten Felder kann er nun Küken legen (die übrigens wirklich ganz nett aussehen) oder er bildet Summen mit dem Würfel und legt dort Küken drauf – ein bisschen wie „Alle Neune“/“Shut the Box“, aber mit dem Ziel irgendwann 3 Küken auf einem Feld zu versammeln, denn dann bekommt man die danebenliegende Karte, deren Wert im Schnitt mit der Höhe des passenden Feldes steigt. Die Karte für das Feld mit der Nummer 9 ist also höher als die Karte mit der Nummer 1. Ist auch sinnvoll, ist ja viel schwieriger zu erreichen. Gemeinerweise werden bei einer Wertung alle anderen Küken dort mit eingeräumt und so hat man ein Zockelement. Dann wiederholt man übrigens die Prozedur mit 2 und mit nur 1 Würfel und darf dann sogar noch ein Huhn bewegen, so man denn will.
Hühner bewegt man – wie erwähnt mit Karten. Die Zahl auf der Karte gibt an, wie weit man setzen muss. Ist das Zielfeld besetzt, schickt man das Huhn den Hügel hinab auf´s nächsttiefere freie Feld, was durchaus das Startfeld sein kann, wenn viele Hühner unterwegs sind. Was bei Spielende der Fall ist. Ein paar Felder sind auch blockiert, die Anzahl hängt mit der Mitspielerzahl zusammen, so wird garantiert, dass das Spiel auch bei wenig Mitspielern kaum ein Ende findet, äh, Spannung aufkommt, wollt ich sagen. Das Problem ist nämlich evident: Selbst auf dem Zielfeld kann man runtergeschupst werden. Man braucht dort aber zwei Hühner zum Gewinnen. Wenn am Ende alles voll steht, wird ein Huhn dort im Zweifelsfall immer wenn´s irgend geht wieder runter gestoßen. Also sieht der Zieleinlauf so aus: Gelb setzt ins Ziel. Blau schmeißt Gelb runter. Rot schmeißt blau runter. Grün macht nichts. Gelb schmeißt rot runter. Blau schmeißt Rot noch runterer. Rot kommt nicht ins Ziel. Grün schmeißt Gelb runter. Die Kinder verlassen gelangweilt den Spieltisch, die Erwachsenen wollen das Spiel aber noch zu Ende bringen und fesseln ihre Sprösslinge oder schimpfen die aus oder spielen alleine weiter bis zufällig a) der verbleibende noch eine passende Karte hat und b) die anderen alle gleichzeitig nicht. Das kann sich ziehen. Da nützt auch die im Ansatz gute Idee nichts, auf´s Würfeln zu verzichten und mehrere Karten gleichzeitig zu spielen. Denn entweder darf man dann ein Huhn maximal 8 Felder vorsetzen oder man darf nur 2 Karten auf seine 2 Hühner verteilen. Große Sprünge sind so nicht möglich und damit auch kein dauerhaftes Absetzen. (Kurze Anmerkung: Diese Einschränkung ist sinnvoll, da dadurch reines Kartensammeln verhindert wird. Es verhindert aber dafür auch recht erfolgreich ein taktisches Endspiel, wenn frühzeitiges Absetzen nicht möglich war)
Krawall vorm Stall sind eigentlich zwei Spiele: Kartenerwerb und Hügelrennen. Das sorgt für etwas mehr Regeln als dem Spiel gut tut (Immerhin knapp 4 Din-A4-Seiten mit großer Schrift). Der Würfelmechanismus ist dabei sogar ganz nett. „Ganz nett“ aber im Krawall-Vorm-Stall-Land, in dem der Rennmechanismus wenig durchdacht wirkt, die Graphik zumindest für mich und die (zielgruppenkompatiblen Testspieler, denen z.T. das Spiel übrigens bereits zu schwierig war) überhaupt nicht ansprechend ist, die Spieldauer nur bei geeigneter Spielweise, richtiger Mitspielerzahl und einer Portion Glück nicht ausufert und in dem sich schon bald ein gehöriges Deja Vú-Erlebnis einstellt, ob des repetitiven Spielverlaufes einstellt. Insofern ist auch das also eine Kontextfrage.
Letztlich waren meine Emotionen bei dem Spiel so:
Schachtel gesehen: „Oh, das ist doch bestimmt nur ein simples Würfellaufspiel!“
Regel gelesen: „ Oh, wie schön, das ist doch kein simples Würfellaufspiel!“
Spiel gespielt: „Wäre es doch ein simples Würfellaufspiel!“
Spiel mehrfach gespielt: Rezension geschrieben. Spiel verbuddelt.
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Hallo Peer,
schade, dass Du das Spiel auch nach mehrmaligem Spiel (wie Du zumindest sagst) nicht verstanden hast und Siegstrategien erkannt hast.
Kritiken sind zwar in der Regel gut und schön, und sind natürlich zwangsläufig auch subjektiv. Polemische Kritiken lehne ich allerdings strikt ab, da ich daraus keinerlei Nutzen ableiten kann.
Gruß, Michael
OK, Ganz konstruktions und so emotionslos wie ich kann: Die Kritikpunkte:
– Thema und Graphik fielen unisolo durch (OK, da wirst du nicht viel für können)
– Der Würfelmechanismus und der Laufmechanismus fügen sich nicht wirklich harmonisch zusammen – man hat eigentlich zwei Spiele (und zumindest eine Mitspielerin hatte echt damit Probleme und wollte mehrfach mit ihrem Huhn die Würfelpunkte laufen)
– Das Spiel ist schlicht zu lang: So nett der Würfelmechanismus auch ist, er trägft vielleicht 20 Minuten. Höchstens. 30-40 (oder gar mehr) Minuten sind schlicht zu lang, zumal man ja nur zugucken kann, wenn man nicht an der Reihe ist und ggf. frustriert wird, wenn die Mitspieler zufällig die Zahlen würfeln, auf der man seine Kken geparkt hat – und ich rede nicht von den niedrigen zahlen, die sind ja eh mehr Kollateralschaden).
– Das Endspiel ist nicht gut abgestimmt. Wenn du mit Siegstrategien meinst, man wartet bis man seine beiden Hühner zusammen ins Ziel setzt; Das ist uns auch klar. Nur funktioniert das nur, so lange alle das denken. Setzt einer ein Huhn ins Ziel und hat ein zweites in der Nähe, dann denke ich mir folgendes: „Ich schaffe es in meinem Zug nicht beide Hühner ins Ziel zu bringen. Ich könnte warten. Mit Pech hat mein Nebenmann aber keine passende Karte und der andere gewinnt. Dann schmeiße ich ihn lieber raus und hoffe eine Runde zu überleben“. Und wenn das jeder denkt, blockieren sich alle gegenseitig. So wars in 3 von 4 Partien (die fünfte haben wir nach 60 (!) Minuten abgebrochen, war aber untypisch lang, weil extrem niedrig gewürfelt wurde). Zudem schickt man manchmal gerne jemanden nach hinten, wenn man weiß oder vermutet, dass er eine passende Karte hat.
Als Prototyp hätte ich gesagt: Mach den Würfelmechanismus gleichzeitig (jeder würfelt und wählt gleichzeitig aus) und so das Spiel schneller. Und ersetz das Laufspiel durch was vllig anderes, z.B. durch das Sammeln von Karten oder Mehrheiten oder das Bilden von Reihen oder so.
ciao
peer
zu 1) Da habe ich konträre Erfahrungen gemacht. Aber hinsichtlich Grafik und Thema darf ja jeder seinen eigenen Geschmack haben.
zu 2) Ich finde, dass der Würfel- und der Laufmechanismus sehr wohl gut zueinander passen. Beim Würfeln geht es neben ein wenig Glück um meine Entscheidung, wie und mit welchem Risiko ich meine Küken einsetze. Das entscheidet über meine „Laufressourcen“, die ich dann wiederum gemäß meiner Spielweise einsetzen kann.
Und mal ehrlich – ohne deiner Mitspielerin zu Nahe treten zu wollen – wir sind uns doch wohl schon einig, dass (Würfel)-Spiele mehr dürfen als zu würfeln und eine Figur zu ziehen. Außerdem kann ich auch nicht wirklich nachvollziehen, dass man 3 (!) Würfel wirft und dann dazu 1 (!) Figur ziehen möchte. Bei den Spielen, bei denen ich zugegen war, war das auf jeden Fall kein Problem.
zu 3) Die Spiellänge hängt nicht unwesentlich von der Spielweise bzw. -strategie ab (s.u.). Du schreibst, dass man nur zuschauen kann, wenn die Mitspieler an der Reihe sind. Gut, dass ist in ca. 90 % aller Spiele der Fall und auch kein Problem, wenn die Downtime überschaubar ist, was sie bei Krawall vorm Stall meines Erachtens ist.
Und was du als Frustration beschreibst, wird eigentlich als Spannungselement wahrgenommen und ist natürlich auch wesentliches Spielelement: Die Konkurrenz um die Felder mit den guten Laufkarten. Wenn ich mit einem oder zwei Küken bei einer guten Laufkarte vertreten bin, fiebere ich natürlich mit, was meine Mitspieler so würfeln. Und es macht auch wirklich Spaß, sich noch auf ein Feld zu wagen, wo jemand schon mit 2 Küken steht und ihm die Karte vielleicht noch wegzuschnappen.
zu 4) Es gibt im Wesentlichen drei Wege, das Spiel zu gewinnen. 1. Ich versuche mich abzusetzen. Das kann ich machen, wenn ich zu Beginn bereits gute Laufkarten erhalte und ich ein wenig Abstand zwischen mich und die Mitspieler bringen kann. Das gelingt jedoch nicht allzu oft. Schaffe ich es aber, ist die Frage, ob ich es bis zum Schluss durchhalte. Werde ich kurz vor dem Ziel doch noch eingeholt, habe ich nur noch wenige Chancen zu gewinnen, da ich dann meistens meine guten Laufkarten verbraucht habe. Das ist wie bei einer Ausreißergruppe beim Radfahren. 2. Man hangelt sich mit der Mitspielerschar nach oben und versucht gleichzeitig, sich mit guten Laufkarten auszustatten. Wenn du dir die Spielplankonstellation genau ansiehst, wirst du feststellen, dass bei einer geschlossenen Hühnerkette von der Hügelspitze (wie sie oft in Spielen vorkommt) inkl. Sperrfeld das letzte Huhn auf Feld 7 steht. Dieses Feld ist ausreichend, um mit einer Laufkarte 8 ins Ziel zu ziehen. D.h. wenn ich mit einer hohen Laufkarte ausgestattet bin, genügt mir eines der hinteren Felder für eines meiner Hühner, um mit einem Doppelzug das Spiel siegreich zu beenden. Dieses Huhn brauche ich also nur hinten an die Kette anschließen und kann mich auf mein anderes Huhn konzentrieren. Und hier liegt es in der Natur der Sache, dass man sich immer mehr der Hügelspitze nähert. Denn hohe Karten werden den Mitspielern nicht unbegrenzt zum Zurückschubsen zur Verfügung stehen (und sinnvollerweise werden sie sie dazu auch nicht unbedingt einsetzen) und so kann man mit seinem zweiten Huhn in Zielnähe kommen, dass zum Beispiel eine 2er oder 3er Karte für den Zieleinzug reicht. Aber auch, wenn man keine hohe Laufkarte besitzt, dafür aber viele kleine, kann man ein Huhn zunächst getrost hinten lassen. Dann spielt man es zu einem guten Zeitpunkt mit einer Kombination mehrer Karten auf das Zielfeld, wenn man noch ausreichend Karten für einen anschließenden Doppelzug im 1er bis ca. 4er Bereich hat.
3. Ich spiele von Beginn an auf hohe Laufkarten und lasse meine Mitspieler ruhig erst mal vorziehen (quasi Gegenkonzept zu 1.). Ich lasse mich also gar nicht auf irgendelche Rangeleien und Schubsereien ein und versuche dann, von den hinteren Feldern mit einem Doppelzug zu gewinnen.
Lange Spiele ergeben sich in der Regel nur, wenn die Spieler aus purer Freude sich gegenseitig schubsen, also schubsen um des Schubsens willen. Normalerweise erkennen die Spieler sehr schnell, dass zu viel Schubsen eher kontraproduktiv ist und man lieber mit seinen Karten haushalten sollte. Gleichzeitig sollte man beim Vorziehen nach Möglichkeit darauf achten, dass noch ein „Pufferfeld“ zwischen mir und dem nächsten Huhn ist.
Gruß, Michael
Gut, ich würde sagen, wir lassen es dabei bewenden : Du hast deine Sichtweise komplett dargelegt und ich meine. Wir werden uns eh nicht einigen können und „Ich habe aber andere Erfahrungen gemacht“ bringt uns nicht weiter. Lassen wir den Leser dieses Austausches sich selbst ein Bild machen :-)
Und natürlich dürfen Würfelspiele mehr als nur simples würfeln – ich fand es ja gerade schade, dass das Spiel bei uns so gefloppt ist, denn den Würfelmechanismus fand ich ganz originell (und ja, die Mitspielerin hatte wohl gerade ein Brett vorm Kopf, aber sowas kommt eben vor…)