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Krakow 1325 AD

Verlag: Geode Games
Autor: Peter Struiff
Spieleranzahl: 4
Alter: ab 10 (besser 12) Jahre
Spieldauer: 45-120 Minuten (je nach eingestellter Spieldauer)

Es gibt Spiele, die machen es einem wahrlich nicht leicht.
Bei Krakow 1325 AD (oder für seine Freunde nur „Krakow“) fängt das schon beim Preis an: So um die 35€ wollen investiert werden, für etwas, das von der Kurzbeschreibung her ein Kartenspiel zu sein scheint. Sicherlich, der Verlag ist ein Ein-Mann-Betrieb aus Holland und das Material ist auch wirklich sehr ordentlich (wenn auch beileibe nicht außerordentlich). Rein technisch geht der Preis voll in Ordnung. Aber trotzdem…
Und das war noch die kleinste Hürde.

Das nächste Problem ist die Suche nach Mitspielern: Genau 4 sollten es schon sein, denn Krakow kennt keine anderen Spielerzahlen (Dieses Jahr erscheint eine 3-Spieler-Erweiterung. Sicherlich die erste Erweiterung in der Spielegeschichte für weniger Spieler). Und die müssen einerseits Freude an ungewöhnlichen (Stich-)Spielen haben und andererseits einen langen Atem besitzen: Das Verstehen der Regeln stürzt nämlich selbst härter gesottene Vielspieler in Existenzkrisen. Dabei ist die Regel gar nicht so schlecht (wenn es auch irritiert, dass statt „Stichen“ immer von „Intrigen“ die Rede ist), die Probleme sind zum Teil dem originellen Grundgedanken geschuldet: Es spielen nämlich immer zwei Spieler im Team miteinander um Punkte. Aber jeder Spieler hat geheim noch eine Farbe und bekommt bei Spielende die Punkte dieser Farbe zusätzlich zu den Teampunkten gutgeschrieben. Und dann gewinnt ein Einzelspieler. Und dieser Wertungsmechanismus benötigt nun einmal zwangsläufig eine Reihe von Wertungsebenen, damit er funktioniert: So gibt es drei Möglichkeiten mit einem Stich zu punkten: Die Farbe der erstgespielten Karte zählt einen Punkt für den Spieler, dem diese Farbe gehört – aber natürlich erst bei Spielende, die Farben sind ja geheim. Geht der Stich durch, dürfen zudem Klötze in ein Gebiet eingesetzt werden und welches Team dort die Mehrheit hat bekommt ebenfalls 1-2 Punkte. Dieser Mechanismus punktet also nicht sofort, sondern erst nach vier Runden (einem „Jahr“), was die Möglichkeit bietet, einen Stich der eigenen Farbe durchlaufen zu lassen und so dem gegnerischen Team zu schenken, wenn die Mehrheitsverhältnisse sich eh nicht ändern würden. Drittens erlauben bestimmte Kombinationen es auch noch, dass ein Spieler sofort einzeln punktet, was die Sache nicht einfacher macht. Und weil das Spiel mit diesen Wertungen vermutlich zu destruktiv wäre, gibt es noch eine zweite Farbenwertung: Denn die Farbe mit den meisten Stichen bekommt Extrapunkte und die Gegenfarbe (rot und grün sind Gegenfarben sowie blau und gelb) bekommt zwei Minuspunkte. Man muss also noch verhindern, dass die Gegenfarbe der eigenen Farbe besonders stark wird, was besonders dann gemein wird, wenn der Partner die hat.
Wäre dieses Wertungsgeflecht schon schwierig genug zu durchschauen, hat der Autor mit den Karten noch eins draufgesetzt: Die zeigen nicht nur ihre Farbe und ihren Grundwert, sondern auch wo wie viele Steine eingesetzt werden können, sollte der Stich gewonnen werden. Und der Grundwert bezieht sich nur auf das erste Spielen der Karte; Jede Karte zeigt darüberhinaus noch 8 (!) andere Werte: Je nachdem ob eine Karte vom Teampartner oder vom Gegner kam und welche Farbe die erste Karte hat (Bedienen ist nicht Pflicht) zählen die ausgespielte Karte zwischen -9 und +5 Punkten. Dem aber noch nicht genug: Damit die hohen Werte nicht zu mächtig werden können diese von bestimmten Gegenkarten geblockt werden. Das ist leider etwas ungeschickt in der Kartenmitte angegeben, oberhalb vom bedeutungslosen Flavor-Text, was die Ausspiel-Intuition nicht gerade erhöht. Und als wäre das nicht genug, haben jeweils 2 Karten pro Farbe auch noch eine ganz eigene Sonderfähigkeit. Ich will nicht lügen: In meinen ersten Partien haben wir die einfach weggelassen, um das Spiel kennen zu lernen – Etwas was ich jeden Krakow-Anfänger ans Herz legen würde.
Denn wenn das Spiel und vor allem das Zusammenwirken aller Stellschrauben verstanden wurden, dann erst kann man anfangen, die letzte Hürde zu nehmen und die vielfältigen Möglichkeiten zu nutzen die es bietet. Stochert man in den ersten Runden im Nebel und konzentriert sich noch darauf alle eigenen Stiche zu gewinnen und die des Gegners zu blocken, versteht man erst in weiteren Runden (und Partien) wie geschickt alles verwoben ist und wie viele Möglichkeiten es gibt, dem Kartenglück – das hier natürlich durchaus mitmischt – ein Schnippchen zu schlagen.
Denn auch hier macht es Krakow einem nicht leicht: Wäre es ein langweiliges, schlechtes Spiel, wäre die Sache einfach und das Spiel die Mühe einfach nicht wert. Aber Krakow ist kein schlechtes Spiel, im Gegenteil. Es ist ein ausgesprochen cleveres Spiel mit einem ganz eigenen Reiz. Bei jedem Stich muss man sich überlegen, ob es sich lohnt fürs Team zu spielen oder dagegen. Es bietet viel Raum für taktische Finessen, aber auch fürs bluffen. Sicherlich, die eine oder andere Runde kann auch mal komplett an einem vorbeilaufen (z.B. wenn der Gegner die eigene Gegenfarbe ist und daher kein Interesse an Stichgewinnen hat, man selbst aber das Gros der eigenen Farbe hält), aber über eine normale Partie (zwei Jahre, das sind 8 Runden plus zwei Wertungen plus die Endwertung) sollte sich das in der Regel relativ gut rausmitteln.
Insgesamt ist Krakow das ideale Spiel für Gruppen, die oft zusammenspielen und ein bisschen Einarbeit nicht scheuen (wobei „ein bisschen“ ein gewisses Understatement enthält) – sie werden ihre Freude an diesem absolut originellen Spiel (Was ist das eigentlich? Ein Mehrheiten-Karten-Partner-und-irgendwie-doch-nicht-Spiel?) haben, zumindest wenn sie sich nicht an dem etwas mechanischem Unterbaut stören. Diesen Runden lege ich Krakow ans Herz und gebe den Einsteigertipp gleich zwei Jahre zu spielen (nach einem Jahr wird man eher das Gefühl haben, gespielt zu werden) und die Sonderfähigkeiten (aber nicht das Blocken der hohen Karten) erst einmal wegzulassen und erst einzuführen, wenn man das Spiel gut beherrscht.
Ich bin jedenfalls froh, dass ich es habe und vor allem, das ich mich gezwungen habe, die Hürden zu meistern. Manchmal ist eine Rezensionsverpflichtung eben doch zu was nütze.

Peer Sylvester
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2 Kommentare

  • Das 3 bis 4 Spieler-Spiel Sumeria bekommt in Essen ebenfalls eine „Erweiterungs-Verringerung“ auf 2 Spieler (die sich noch dazu netterweise ihre Spielsteine aus allen vier Farben aussuchen können). Ob das daran liegt, dass Krakow in Essen 2008 als Standpartner von Reiver Games präsentiert wurde, dem Herausgeber von Sumeria? ;)