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Imperial Settlers

Verlag: Pegasus Spiele
Autor: Ignacy Trzewiczek
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 10 Jahre
Spieldauer: 45-90 Minuten. Oder mehr. Siehe unten.

Als ich die ganzen Vorberichte und Lobpreisungen über die englische Originalausgabe von Imperial Settlers las, dachte ich bei mir: „Da holt sich Pegasus ein künftiges Kennerspiel ins Boot!“ Der Grund: Trzewiczek hat hier gnadenlos reduziert. Imperial Settlers ist ein Spiel mit sehr einfacher Grundstruktur: Man bekommt Handkarten und Rohstoffe. Man spielt Handkarten in die Auslage oder aktiviert Karten aus der Auslage oder zerstört Karten aus der eigenen Hand oder (teurer) aus der gegnerischen Auslage, um dafür Rohstoffe zu bekommen, mit denen man Karten auslegen kann. Oder man tauscht Rohstoffe in andere Rohstoffe, mit denen man Karten auslegen kann. Oder man tauscht Rohstoffe in Karten, um mehr Auswahl beim Auslegen zu haben. Alles wird man sowieso nicht bauen können und das wäre auch nicht sinnvoll. Wer nichts machen kann, passt und ist vor Angriffen sicher. Wenn alle passen, sind alle nicht verbrauchten Rohstoffe (bis auf eine Sorte) futsch. Nach fünf Runden werden Siegpunkte gezählt, wobei insbesondere gebaute Karten zählen. Das ist schon alles. Viele Details kommen nicht dazu. Ich sagte doch, es ist einfach!

Das schöne und geniale daran: Neben den allgemeinen Karten hat jeder Spieler ein eigenes, privates Deck. Und jeder hat ein anderes Grundeinkommen und jeder darf etwas anderes mit in die nächste Runde nehmen: Der Römer kann z.B. die Chips, die Angriffe ermöglichen ansammeln und der Barbar sein Personal, mit dem Karten aktiviert werden können behalten.

Diese Unterschiede sorgen bereits dafür, dass sich die vier Völker ziemlich unterschiedlich spielen. Obwohl das stimmt nicht ganz: Spielen tun alle in etwa gleich (da die Grundstruktur dieselbe ist), aber sie spielen unterschiedliche Strategien. Der Römer wird z.B. aggressiver spielen als der Ägypter, der eher baut. Der Japaner hat m.E. stärkere Karten, ist aber anfälliger gegenüber Angriffen. Er freut sich also, wenn er in Ruhe gelassen wird. Und so bestimmen auch die Mitspieler die eigene Taktik ein wenig mit – aber nur ein wenig, denn Imperial Settlers ist (gerade in den ersten Kennenlernpartien) eine eher solitäre Angelegenheit, da alle erst einmal die Karten kennenlernen müssen und herausfinden wollen, wie sie diese am sinnvollsten und effizientesten nutzen.

Und damit sind wir beim Grund, warum ich meine Meinung bezüglich des Kennerspieles mittlerweile leicht geändert habe:

Imperial Settlers ist ein Kombospiel: Man versucht im Rahmen des Spielsystems seine Karten optimal einzusetzen. Vieles hängt von der Reihenfolge der Karten ab und natürlich davon, wann man was baut – und wieder abreißt. Denn das Bauen eines der Gebäude aus den eigenen Decks erfordert meistens, dass eine gebaute eigene Karte aus dem allgemeinen Deck abgerissen wird. Daher muss man oft vorbauen, um dann das eigentliche Ziel auslegen zu können. Das erfordert ein gewisses Gefühl für die Karten und den Rhythmus des Spieles. Das ist völlig OK und für ein solches Spiel auch normal – Elysium ist ja im Prinzip auch ein Kombospiel.

Allerdings verlangt das Spielsystem eigentlich auch, dass man sich mit den Karten der Mitspieler auseinandersetzt. Zumindest gelegentlich. Immerhin sollte man ab und an mal angreifen (gerade den Japaner), man kann am Anfang der Runde eine Karte aus einer Auslage wählen und will vielleicht nicht den anderen gerade das übrig lassen, was sie am sinnvollsten brauchen. Bestimmte Karten erlauben das Stehlen von Rohstoffen oder das Abreißen von gegenrischen Gebäuden oder ähnlichem. Mit anderen Worten: Es ist durchaus vorgesehen, dass man mehr macht als nur auf die eigene Auslage zu schielen. Da sind aber gerade Anfänger schlicht überfordert – Zwar ist das Grundsystem einfach, die optimalen Züge und das Potential einer Kartenhand zu erkennen aber nicht. Und das Einschätzen der gegnerischen Infrastruktur erst recht nicht. Anfänger können das nicht leisten, die haben mit sich selbst schon genug zu tun. Aber selbst mit erfahrenen Spielern bremst das Überprüfen der anderen Auslagen das Spiel bei Vollbesetzung stark aus. Zumindest wenn die Spieler ehrgeizig sind.

Imperial Settlers kann durchaus locker gespielt werden, also so dass man sich primär um sich selbst kümmert und ab und an mal bei den anderen vorbeischaut. Ehrgeizigen Spielern reicht das aber nicht und die wollen schon wissen, was die anderen Spieler gerade so anstellen und das kann eine Viererpartie zeitlich ziemlich ausufern lassen. Aber verbieten kann man das ja nun auch nicht – ein Spiel sollte den Mitspielern nicht vorschreiben, wie sie zu spielen haben. Zu dritt läuft alles noch einigermaßen in zeitlich geregelten Bahnen, aber ehrgeizige Spieler sollten vor allem zu zweit sein. In dieser Besetzung kann Imperial Settlers seine ganzen Kombo-Taktik-Stärken so richtig ausspielen, weil beide Spieler auch gut direkt gegeneinander spielen können. Für mehr Spieler ist mehr Lockerheit vonnöten, nicht optimal spielen zu wollen und sich mehr mit sich selbst beschäftigen, Imperial Settlers also mehr als interessantes Puzzle zu begreifen, denn als komparatives Spiel. Und das ist für ein Kennerspiel vielleicht nicht die allerbeste Voraussetzung.

Aber das ist auch OK. Schließlich, ist Imperial Settlers ein schönes Kombospiel. Und ein erfolgreiches noch dazu. Da bedarf es keines Titels. Und vielleicht irre ich mich ja auch…

Peer Sylvester
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