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Expedition

Verlag: Queen Games
Autor: Wolfgang Kramer
Spieler: 3-6
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 90 Minuten

Als sogenannter Vielspieler bildet man sich ja manchmal ganz gerne ein, ein Spiel durch bloßes Lesen der Anleitung einschätzen zu können. Nachdem ich mir vor einigen Jahren das hier besprochene Expedition gekauft und mir die Anleitung zu Gemüte geführt hatte, erlag ich demselben Irrglauben. „Ein Legespiel für bis zu 6 Personen? Das macht bestimmt am meisten in einer großen, nicht allzu taktisch geprägten Runde Spaß“. Mit dieser Einschätzung verblieb es erst einmal im Schrank.

Dann kam Trans America – ein Spiel daß in unseren Spielrunden ausgezeichnet ankommt. Und wieder grübelte ich über Expedition: „Eine Legespiel mit verdeckt zu erreichenden Zielen? Das ist bestimmt so ähnlich wie TA. Brauch ich wirklich noch eines von der Sorte?“

Glücklicherweise kam es kurz darauf zu organisatorischen Problemen und die Spielrunde bestand aus der unglücklichsten Anzahl von Mitspielern – nämlich 3 (OK. 7 ist vielleicht noch ungünstiger). Und einer meinte „Expedition – der Name klingt interessant. Laß uns das doch einmal spielen“. Oh wie habe ich diesen Moment seither gepriesen, denn er hat mir die Augen geöffnet!

Doch alles der Reihe nach. Wir holten das Spiel hervor. Wichtigster Bestandteil ist natürlich der Spielplan, der eine Weltkarte zeigt. Diese ist überzogen von einem Gitternetz aus Linien, deren Kreuzungspunkte entweder grün oder rot sind oder ein Expeditionsziel darstellen. Diese Ziele finden sich in Expeditionskarten wieder, für deren Design es ein Extralob gibt: Zum einen gibt es zu jedem Ziel einen kleinen Text, bei dem einiges über das Ziel gelernt werden kann (spieltechnisch nicht relevant, aber sehr lesenswert), zum anderen gibt die Hintergrundfarbe einen Hinweis auf den Kontinent – das Erleichtert das Suchen. Neben einigen offenen Aufträgen (die jeder zwischendurch erledigen kann, um Extrapunkte zu machen), bekommt jeder eine (spielerzahlabhängige) Anzahl von geheimen Aufträgen. Sind all diese Ziele besucht, ist das Spiel beendet. Ganz geheim sind allerdings nicht alle Aufträge – vier Stück muß jeder der Öffentlichkeit preisgeben.

Womit wir bereits beim Spiel wären. Egal wieviele Mitspieler teilnehmen, es gibt immer nur drei Expeditionen, im Spiel dargestellt durch Pfeile (die logischerweise eine von drei Farben haben). Da es Pfeile sind, vermutet der aufmerksame Leser zu recht, daß diese auf die Linien des Spielplanes gelegt werden und daß jeder weitere Pfeil an den vorhergehenden angelegt werden muß. Wer an der Reihe ist, legt also genau einen Pfeil an einen entsprechenden – Abzweigungen sind nicht erlaubt, so daß pro Expedition etwa 2-3 Richtungsoptionen gegeben sind. Klingt nicht viel, doch die Taktik fängt erst an: Landet man mit dem frischen Pfeil an einem Expeditionsziel hat man es erledigt (sofern man es auf der Hand hat oder es ein öffentlicher Auftrag ist). Doch was passiert bei grün und rot? Bei grün darf sofort noch einen weiterer Pfeil gesetzt werden, was natürlich die Möglichkeiten erhöht. Bei rot bekommt man einen wichtigen „Reisegutschein“ von dem noch die Rede sein wird. Bildet man mit einer Expedition eine Schleife, so darf man ebenfalls nochmal und zwar darf man beliebig an der Expedition anknüpfen, also irgendwo eine Weiche bauen! Das ist eines der wichtigsten taktischen Merkmale.

Weitere Taktik bietet der Reisegutschein, von dem man am Anfang 3 besitzt. Maximal 2 darf man pro Zug abgeben um einen weiteren Zug zu machen: Den letzten Pfeil einer Expedition abzureißen (um in eine andere Richtung zu bauen) oder um ein Reiseziel aus der Hand abzuwerfen (kam bei uns bislang nicht vor, vielleicht weil das Risiko zu groß ist, noch was blöderes zu ziehen). Natürlich darf man keinen öffentlichen Auftrag abwerfen.

Mit Reisegutschein und Doppelzug über grün und durch Schleifen potenzieren sich die Möglichkeiten plötzlich und ein Zug, der mit Beifall belohnt werden dürfte, könnte in etwa so aussehen: Pfeil auf rot, Reisegutschein bekommen, gleich einsetzen, Pfeil auf grün, Kreis schließen, irgendwo anders rauskommen und auf rot ziehen, Reisegutschein bekommen und einsetzen und Expeditionsziel erledigen. Das schöne daran: Netto wurde keiner der wirklich wichtigen Reisegutscheine verbraucht. Nicht selten entscheidet das Haushalten mit den Scheinen das Spiel. Wer allerdings als letzte Auftragskarte ein öffentliches Ziel behält, der ist schon selber schuld (und hat hoffentlich viele Scheine).

Ach ja, hat jemand alle Auftrage erledigt endet das Spiel. Da man Punkte für erledigte Aufträge und Minuspunkte für nicht erfüllte Ziele bekommt, gewinnt häufig der Spieler, der das Spiel beendet hat. Aber eben nicht immer – öffentliche Aufträge können manch schlechte Kartenhand ausgleichen.

Ich denke es ist deutlich geworden, daß meine anfängliche Einschätzung völlig falsch war; Expedition hat nur rudimentäre Ähnlichkeit mit Trans-America. Viel eher ist es ein Zug-Optimierspiel in bester Kramermanier. Wer Spiele wie Tikal oder Torres mag, wird dieses lieben. Aber auch darüber hinaus kann es Freunde finden, da die Regeln einfach, die Spieldauer absehbar und das ganze Spiel weniger trocken als z.B. Torres ist.

Und noch einem Irrtum bin ich erlegen: Ich spiele Expedition am liebsten zu dritt oder viert. Mit steigender Spieleranzahl wird der eigene Einfluß geringer, was den Glücksfaktor erhöht. Es wird dann zunehmend wichtiger leicht erreichbare Ziele auf der Hand zu haben. Dennoch ist es auch zu sechst noch ein gutes Spiel.

Was bin ich froh, daß mich der Mitspieler damals davor bewahrt hat, ein hervorragendes Spiel zu verschmähen!

Peer Sylvester
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