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Das Syndikat

Verlag: Indie Board and Card Games / Asmodee
Autoren: Dave Fulton, Jacob Tlapek
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 14 Jahre
Spieldauer: 20-30 Minuten

Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass Verlage bei „gemeinen“ Spielen gerne ein Gangsterthema verwenden? Wenn direkte Konfrontation nicht nur bedeutet, dass man jemand anderen einen Auftrag wegschnappt, sondern wenn man sich gegenseitig beklaut und richtig fies sein kann/darf/soll, dann reicht ein „normales“ Eurothema nicht, dann muss man das auch mit „schweren Jungs“ unterfüttern: Mit Gangstern oder Mafiosi oder Piraten oder ähnlichem (umgekehrt sind nicht alle Piratenspiele böse, aber bei Gangstern oder gar dem Mob erwartet man schon ein bisschen Gemeinheit). Die Welt der Spiele ist klar in „Gut“ und „Böse“ unterteilt, moralische Ambivalenzen verkaufen sich schlecht.

Aber soooo furchtbar böse dürfen die Charaktere im Spiel dann auch wieder nicht sein: Eigentlich sind die Bösewichter, die den Zug überfallen, inkompetente Comiccharaktere. Der Mafiosi des Spieles von Nebenan ist kein realistischer Charakter, sondern die überzeichnete Satire von Hollywoodklischees. Die Safeknacker bei Ravensburger führten damals sogar einen „Safeknackerwettbewerb“ durch und waren alle schon in Rente. Und das Syndikat aus, nun, Das Syndikat bestiehlt eigentlich nur den bösen Konzern, den Big Brother in der dystopischen Welt aus dem Widerstand. Also eher Freiheitskämpfer statt echtem Gangsterterror – eine durchaus geschönte Darstellung. Eine realistische Darstellung á la Tödliche Versprechen möchte kein Verlag wirklich anpacken. Vielleicht ist das der Grund, warum mich Gangster- und Mafiathemen eher kalt lassen.

In Bezug auf Das Syndikat ist das aber auch nicht so ganz wichtig, denn das Thema ist ungefähr so präsent wie das Thema „Königreichsverwaltung“ bei Dominion. Damit sind wir auch schon beim Mechanismus, denn Das Syndikat ist prinzipiell eine Deckbau-Variante. Es weiß es nur nicht, denn neue Karten landen nicht in einem Deck, sondern auf der Hand und gespielte Karten landen nicht in einem Deck, sondern auf einen Tableau und dürfen nach drei Runden wieder auf die Hand genommen werden. Der Unterschied zum klassischen Deckbau ist also, dass die Karten nach einer sehr genau vorhersehbaren Zeit (statt irgendwann) wieder zur Verfügung stehen.

An dieser Stelle muss ich wieder über „Design Space“ reden. Damit ist gemeint, wie viele Freiheitsgrade der normale Spielablauf den Sonderfunktionen von Karten u.ä. zur Verfügung stellt. Beim Syndikat geht es ums Geld (der reichste gewinnt) und entsprechend beschäftigen sich viele Karten damit, dass man Geld bekommt – entweder aus der Konzernkasse oder von einem oder mehreren Mitspieler(n). Aber nur mit Gelegenheitsdiebstählen wird man kaum gewinnen. Dazu sollte man den einen oder anderen Auftrag erfüllen – die Aufträge erfordern bestimmte Kartenkombinationen, die im Laufe des Spieles immer schwieriger werden. Daher beschäftigen sich viele Karten damit, dass man Karten bekommt (vom Nachziehstapel, Ablagestapel oder gleich vom Gegner) oder schneller wieder auf die Hand nehmen darf. Beim Erfüllen von Aufträgen gibt es ein nettes Geschenk und bei Spielende einen Bonus – wenn man mehrere Aufträge derselben Farbe gesammelt hat, weswegen ein Kartentyp das Tauschen von Aufträgen erlaubt.

Damit ist der Design Space kleiner als bei Dominion und daher fühlen sich die (übrigens sehr, sehr schicken) Karten tatsächlich noch unthematischer an: Wieso kann ausgerechnet die „Erpresserin“ Aufträge mit dem Mitspieler tauschen? Und auch die Aufträge sind rein abstrakt; ob man radioaktives Material stiehlt oder einen Schauspieler diffamiert ist spieltechnisch kein wirklicher Unterschied. Um überhaupt minimale spielerische Unterschiede zu erzeugen, sind einige Kartentexte schon recht kompliziert – ohne aber dass sich daraus ein spielerischer Mehrwert ergeben würde. Wegen des Themas spielt man Das Syndikat mit Sicherheit nicht. Warum also dann?

Der große Vorteil vom Syndikat ist seine Spieldauer: Man bekommt im Prinzip ein sehr konfrontatives Deckbauspiel, dass man in 5 Minuten erklären kann und dass sich bei einigermaßen entscheidungsfreudigen Spielern in etwa 20 Minuten runterruppen lässt. Damit sind wir klar im Absacker-Territorium und auch wenn ich persönlich lieber etwas reichhaltigere Absacker bevorzuge hat Das Syndikat dadurch zumindest eine gewisse Berechtigung. Tatsächlich hat es bei mir bei steigender Partienanzahl eher gewonnen; weniger weil ich verborgene Tiefen entdeckt hätte, sondern eher, weil ich jetzt eher sehe, was das Spiel überhaupt sein will und es entsprechend einsetzen kann. Das ist prinzipiell nichts schlechtes – die Zielgruppe existiert ja und ist klar definiert – Aber es steckt auch etwas Resignation in dieser Geisteshaltung:  Mit etwas höheren Ambitionen hätte aus dem System meines Erachtens ein richtig gutes Spiel werden können. So ist der Design Space zu klein, um mehr zu sein als ein modernes, Deckbau-Family Business, bei dem die bösen Mafiosi eigentlich nur unverstandene Kämpfer gegen das Kapital sind. Aber vielleicht sind meine Ziele einfach nur nicht deckungsgleich genug mit den Zielen des Autorenpaares.

 

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Peer Sylvester
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2 Kommentare

  • Leider, leider hast Du sowas von recht.
    Das „am Thema vorbeischrammen“ fällt dank der kurzen Spieldauer für mich nicht ganz so übel ins Gewicht wie etwa bei Outlive (da gehts nicht nur um schnöden Mammon sondern gleich ums Überleben der eigenen Gang gegenüber der Konkurrenz – Waffen setzen wir aber als Gutmenschen ausschliesslich zum Jagen und defensiv ein), aber Begeisterung sieht auch hier anders aus. Gute Ideen sind da, es fehlt aber auch hier der Mut zur Konsequenz.

    • Kurze Ergänzung zum Artikel: Sons of Anarchy ist (soweit ich das beurteilen kann, habs nicht gespielt) eine realistische Dartsellung organisierter Kriminalität. Aber natürlich ist das Spiel eine Umsetzung der gleichnamigen Serie.