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12 Realms

Verlag: Mage Company
Autor: Ignazio Corrao
Spieleranzahl: 1-6
Alter: ab 12 Jahre
Spieldauer: 40 Minuten

Bösewichter sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.

In 12 Realms stehen sie herum und tun…. nichts. Ob sie sich Sozialleistungen erschleichen? Keine Ahnung. Eher nicht. Sie stehen nämlich einfach nur da. Stehen genügend Bösewichter herum, kommt irgendwann der Oberbösewicht. Aber auch der tut nichts. Nur dass alle Spieler verlieren, wenn der zu lange rumsteht und alle gewinnen, wenn alle Oberbösewichte in allen Ländereien besiegt sind. Also müssen die weg. Obwohl die nichts machen. Das Leben ist ungerecht.

In meiner ersten Kennenlern-Solopartie hatte Siegfried es nicht nötig, die Bösen beim meditieren zu stören. Denn Siegfried kann sich auch ohne Broterwerb (in unserem Spiel heißt das: Schätze sammeln) jede Runde bis zu zwei Gegenstände leisten. Und das tat er auch. Zwischendurch verließ er das Einkaufsparadies mal, um sich die Beine zu vertreten, und um die Artefakte zu sammeln, die nötig sind, um gegen den Oberbösewicht antreten. Dann ging es zurück zum shoppen. Schon bald trat der Obermotz auf dem Plan und Siegfried ihm entgegen. Dank seines mit Gegenständen hochgepowerten Körpers, war Siegfried erfolgreich. Übererfolgreich sogar – Probleme hatte er keine.

Der Aussagewert dieser Partie war eher klein, aber drei Dinge konnte ich schon lernen:

1.)    Das Spiel ist ab Werk fast unspielbar. Und damit meine ich nicht, dass die „Miniaturen“ aus billigem Plastik ständig umkippen. Nein, die Regel ist eine Katastrophe. Bereits der Aufbau ist eine Qual, weil die diversen Spielmaterialen nirgendwo mit Bild vorgestellt werden und man raten muss, was jetzt die Oberbösewichtkarte, was die Gebäudekarten und was die Stadtkarten sind und welche Marker überhaupt zu welchen der 4 (statt 12) Königreiche gehören. Aber auch sonst: In jedem Zug eine Regelfrage, nach jeder Karte erst einmal Besuch in diversen Onlineforen, um die eigene Interpretation zu verifizieren. Bilanz: 90 Minuten Beschäftigung, für vielleicht 15 Minuten Nettospielzeit. Das ist um so ärgerlicher, als dass 12 Realms eigentlich ein total einfaches Spiel ist.

2.)    Die Charaktere sind unausgewogen. Das hat sich bei weiten Partien bestätigt, aber was Siegfried betrifft, ist es nicht schwer zu sehen, warum: Eine Hauptschwierigkeit des Spieles ist es, das Geld zusammenzubekommen, um sich die Gegenstände leisten zu können, die man benötigt, will man einen Bösewicht besiegen. Denn das Sammeln von Schätzen kostet Aktionen und damit Zeit – man muss den Mittelweg finden, die Bösen zu besiegen (damit die Zeit nicht so schnell abläuft) und sich für den Endkampf zu rüsten. Siegfried braucht mit Schätzen keine Zeit zu verschwenden und kann sich auf das Durchwühlen der Gegenstandskarten beschränken. Resultat: Er rettet das eine oder andere Königreich selbst im Mehrpersonenspiel mal eben im Alleingang. Zudem auch noch auf besonders langweilige Art und Weise , denn außer „Kaufe ich A oder B“ muss er nichts groß entscheiden.

Das andere Ende des Spektrums ist D´Atagnon (hier als Katze dargestellt. Warum auch immer). Der ist zwar schnell, kann aber nichts, so dass ihm seine Schnelligkeit nicht viel nützt. Im Mehrpersonenspiel kann er immerhin Gegenstände von anderen bekommen, so dass er dort etwas sinnvoller eingesetzt werden kann. Aber warum die Charaktere so unausgewogen sind, erschließt sich mir nicht. Vergleiche da einmal Pandemie, bei denen die Charaktere wirklich alle gleich gut sind. Jenseits dieser Extrembeispiele ist die Charakterauswahl zudem ein wichtiger Bestandteil des Spieles – wer Charaktere auswählt, dessen Stärken nicht zu den Bösewichtern passen, macht es sich unnötig schwer.

3.)    Das Spiel bietet jetzt nicht so die wahnsinnige Taktiktiefe: Die Frage beschränkt sich auf: Wann nutze ich meinen Zug zum Einkaufen und wann ernte ich mal ein paar Monster ab? Alle Informationen sind offen, außer welche Karte (ob Monster, großes Monster oder was zur Monsterbekämpfung) als nächstes kommt. Alleine liegen die Möglichkeiten und sinnvolle Züge daher meist auf der Hand. Ob sie erfolgreich sind, ist weitestgehend fremdbestimmt.

Letzterer Punkt gibt sich glücklicherweise mit erhöhter Mitspieleranzahl, denn es spielt immer ein Königreich pro Spieler mit (bis maximal 4). Da die Königreichkarten aber immer zusammengemischt werden, füllen sich die Reiche i.A. unterschiedlich schnell, daher kann nicht jeder einfach in seinem Reich Abwarten und Tee trinken, sondern muss ggf. mal aushelfen. Aber das Wechseln des Reiches kostet einen ganzen Zug, will also überlegt sein. Nun ist es so, dass bei zwei Reichen die Sache berechenbar bleibt: Wird erst ein Reich überproportional gefüllt, dann folgt das andere zwangsläufig nach. Mit vier Reichen ist die Sache dann nicht mehr so leicht zu überschauen und man muss schon ein bissen überlegen, wo man aushilft und wo man Ballungen von Monstern erlaubt, die man dann gemeinsam und hochgerüstet entfernt. Auch kommt der schöne Mechanismus, dass ein besiegtes Monster mit einem Fluch den Spieler nach dessen Erledigung zusätzliche Schwierigkeiten auflädt (etwa ein zusätzlicher Eindringling) etwas besser zur Geltung (wenn die Flüche auch ruhig etwas origineller hätten ausfallen dürfen). Wenn man denn 12 Realms spielt, dann also unbedingt mit mindestens vier Leuten. Dann sind allerdings zwangsläufig größere Wartezeiten mit einzuplanen, außer alle planen immer und überall mit. Oft gibt es aber wenig zu planen – siehe oben – weil man auf eine passende Gegenstandskarte wartet oder weil das entscheidende Artefakt noch nicht aufgetaucht ist oder weil der Oberbösewicht, denn man bekämpfen könnte, sich Zeit lässt. Vollends überzeugen die 12 Reiche somit in keiner Besetzung. Leider, ich hätte das Spiel gerne gemocht. Aber für ein gutes kooperatives Spiel braucht man eben doch ein bisschen mehr, als einen soliden Monstererzeugungs-Automatismus und viele Stretch Goals.

Peer Sylvester
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