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Schaukel-Lola rennt… vorbei!

Als ich über einen spannenden Artikel in der Comicszene gestolpert bin habe ich angefangen zu überlegen was sinnvoller ist und in welche Richtung sich bestimmte Sachen bewegen. Es gab Zeiten da sind die Handys immer kleiner geworden. So klein, dass sie gefühlt in eine Streichholzschachtel gepasst hätten. Dann kam das Smartphone und seitdem sind die nur größer geworden. Und größer und größer. So groß das man zum Teil eine Schokoladentafel oder noch mehr in der Hand hat.

Der weise Mark Rosewater, seines Zeichens Head Designer für Magic the Gathering, kommt dann immer mit dem Vergleich des Pendels. Es schwingt mal in die eine Richtung und mal in die andere. Und die meisten Pendel sind ja nicht linier, so dass es etliche Richtungen gibt in die sie schwingen können. So gibt es Jahrgänge die nur so Überbrechen mit Kennerspielen und welche, wo sie rar gesät sind. Es gibt Jahre wo alle Würfelspiele machen und welche wo nur Erweiterungen zu beherrschten scheinen. Verlage versuchen oft gar nicht abzuschätzen wo der Trend hingeht, sie ignorieren ihn komplett und sind dann verwundert, wenn sie ihn setzen oder doch wieder nur mitlaufen. Manchmal hofft man natürlich den Trend gefunden zu haben, und hat sich dann vertan oder geht in der Masse unter.

So ist das auch im Vertrieb. Der Artikel schildert, dass die Comicszene im Umbruch ist, und das da was passiert. Just in Time Produktion kommt. Was bei Autos und manch anderem deutlich teurerem Kram schon lange gibt und sogar im Computerhardware Bereich mal modern war (Dell ist damit groß geworden, bevor es verkauft wurde), findet nun im Compicbereich Einzug.

Zu einem gewissen Grad macht es Sinn. Comics sind einfach und schnell herstellbar. Ein Heftchen drucken macht jede lokale Druckerei innerhalb von 24 Stunden in einigen 1000er Auflagen. Der Digitaldruck ist inzwischen so gut, dass es eigentlich gar keine Probleme mehr gibt, und sollte ein Fehler aufgetaucht sein, wird das alles auf den Recycle-Müll geworfen und neu gedruckt. Eine Lieferung innerhalb einer Woche klingt absolut nachvollziehbar. Es erscheint gerade zu als verkrustet das sowas 3 Monate Vorlauf braucht. Da gibt es vermutlich einiges an Overhead.

Im Brettspiel Bereich erlebe ich eher das gegenteilige. Kickstarter für Spiele welche erst ein Jahr später erscheinen sind heutzutage Normal. Vor noch einigen Jahren wussten wir bis zum Tag vor der Messe nicht was die Meisten Verlage in Essen zeigen. Da war noch Überraschung und Entdeckung angesagt. Heutzutage ist raus wer nicht vorher schon mindestens die Anleitung zur Verfügung stellt. Entdecken passiert zu Hause, Auf der Spiel Essen ist nur noch kaufen dran. Und bei den Crowdfunding-Aktionen wird das Geld ja sogar schon eingesammelt.

Das ganze hängt vor allem mit dem Vorlauf zusammen. Noch können Spiele nicht über Nacht produziert werden. Und die paar wenigen Verlage die ihre Spiele als Print on Demand anbieten wie Hollandspiele sind sehr teuer. Die Auflage muss vorher stimmen und da muss viel Buzz gemacht werden. Oft wird dann in China produziert, vor allem wenn Miniaturen im Spiel sind, und der Seeweg mit den Containerschiffen braucht auch minimum 4 Wochen, manchmal auch länger. Ein Just in Time Hochglanz-Produktionsverfahren für Brettspiele ist derzeit noch nicht drin. Vielleicht in Zukunft. Denn die Druckereien wissen um die Begehrlichkeiten der Verlage. Mehr Spiele und immer kleinere Auflagen pro Spiel machen das zu etwas notwendigen. Dann schwingt das Pendel vielleicht wieder in die andere Richtung. Spiele werden innerhalb einer Woche lieferbar werden und es werden noch mehr Speile auf den Markt drängen. Das wird nicht nächstes Jahr passieren, aber wo der Markt in 10 bis 20 Jahren steht mag ich nicht vorhersagen.

Ein anderes Pendel ist auch diese Woche umgeschwungen und dabei mitten ins Gesicht vieler Kollegen. Die Spielwarenmesse Nürnberg hatte vor ein paar Jahren eine Offensive gestartet mehr Werbung rund um ihre Messe hinzubekommen. Blogger wurden aktiv angeschrieben und eingeladen. Auf der Messe, wo die Gänge zum Teil leer schienen wuselten nicht nur Einkäufer und Produzenten, Händler und Vertreibe rum. Sondern auch immer mehr Presse.

Nun hat die Messe wohl einen neuen Chef und wenn ich eins über neue Chefs gelernt habe, dann das der Letzte immer doof war, vor allem alle seine Ideen. Also werden etliche Blogger nicht mehr akkreditiert. Kollegen haben Absagen erhalten, weil sie nicht Professional genug wären. Eine Aktion von Beeple wurde untersagt. Als wäre nur „echte“ Presse, was alte Medien ist und (vermutliche) Reichweite erzeugt. Ich kann verstehen, wenn nicht jeder Hinz und Kunz sich akkreditieren kann, und die Linie muss irgendwo gezogen werden. Und vermutlich ist es egal wo sie gezogen wird, sie wird irgendwen rein und irgendwen rausfallen lassen und damit Unmut nach sich ziehen. Ich bin da in der glücklich Lage diese nicht ziehen zu müssen und daher meckern zu dürfen.

Matthias Nagy
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7 Kommentare

  • Also, ich kann ja fast verstehen, dass man möchte, dass Interviews in den offiziellen Räumlichkeiten geführt werden, so dass sie diese vermieten können. Das ist zumindest wirtschaftlich interssant.
    Aber warum man Bloggern die Akkreditierung verweigert ist mir schleierhaft. Ich kann nur vermuten, dass man keine lust hatte, zu prüfen, ob die entsprechenden Personen wirklich über Spiele schreiben (immerhin konnte ja wohl umgestimmt werden). Aber ganz ehrlich: Was hat die Messe davon, wenn weniger Leute kommen? Ich sehe nicht, dass das wirtschaftlich sinn macht. Im prinzip ist das Sache der Verlage, wem sie was zeigen (Und ich spreche nicht über Reziexemplare, die reichen nun einmal ncicht für alle – aber das ist nicht das Problem der Nürnberger Messe). Haben sich Verlage beschwert, weil so viele Blogger über ihre Produkte berichten? Ich mag es mir kaum vorstellen.
    Wenn sich die Nürnberger Messe auf Print- und Fernsehen konzentrieren will, kann es sehr gut sein, dass man langfristig Reichweite verliert, statt gewinnt.

  • Hallo,
    vielleicht liegt ja auch das Kalkül der Messe vor, dass die Verlage/Hersteller ihre „Fanboys“ einmal selber einladen (Eintritt ermöglichen), wenn es ihnen als wichtig erscheint. Selber war ich früher wiederholt als „Presse“ auf der Messe. Mir ist der finanzielle Aufwand der Messe für „diese“ Presse schon bewusst. Vielleicht ist eine Selektion einfach mal „vernünftig“.
    Liebe Grüße Nils

  • Hallo! Der Artikel hat mir sehr gut gefallen. Spannende Gedankengänge und toll geschrieben. Da tatsächlich sehr viel in China produziert wird (manchmal auch einfach einzelne Elemente eines Spiels), wird es kaum eine „Produktion auf Bestellung“ geben können. Das halte ich nur bei qualitativ sehr hochwertigen Spielen für realistisch.

    Mir sind noch zwei kleine Tippfehler aufgefallen. „linier“ statt „linear“ und „Speile“ statt „Spiele“.

  • Interessant.
    Mir stellt sich natürlich sofort die Frage, ob die Messe damit ihren Kunden, also den Verlagen, einen Gefallen tut.
    Ich kann natürlich die Reichweite einzelner Blogs oder Vlogs nicht einschätzen, denke aber schon, dass dieser Informationskanal durchaus genutzt wird.
    Ja, Nürnberg ist eine ‚Fach’messe. Dennoch sind sich doch die Verlage sicher darüber im klaren, dass es heute nicht mehr ausreicht, ein Spiel im ‚Fach’handel zu platzieren und zu hoffen, dass es sich verkauft!?!? Oder beurteile ich das zu sehr aus der „Filterblase“ heraus?
    Ein Umdenken von Seiten der Messe ist aber sicher nur über Rückmeldung der Kunden, sprich: der Verlage, zu erreichen. Ich würde es jedoch so einschätzen, dass insbesondere kleineren Verlagen die Berichterstattung/Aufmerksamkeit, die durch Blogger erzeugt werden kann, fehlen wird.

    Gruß,
    der Pöppelschieber

    • Da ist schon einiges an Filterblase dabei. Die Spielwarenmesse sieht sich in erster Linie als Fachmesse für die Verbindung zwischen den Herstellern/Verlagen und dem Handel. Entsprechend gibt es da auch vor allem Presse für den Handel und nicht für den Endkunden. Die Messe sieht sich da nicht in der Pflicht als Marketing-Steigbügel zu fungieren. Und dennoch machen sie einige Aktionen (Stichwort Toy-Award), welche Marketing-Charakter haben, wenn auch vor allem für ihre Messe und für die Verlage und Hersteller gegenüber dem Handel und weniger tatsächlich für den Endkunden.

      Wir sollten aber auch nicht vergessen, dass Brettspiele auf der Messe nur rund 5% einnehmen. Oder gar weniger. Und das ist auch in Hong Kong und New York, die zwei anderen wichtigen Messen dazu, sowie die weiteren zwei London und ChiTec, nicht anders. Von denen berichten auch eigentlich wenige bis keiner. Da ist eine andere Welt.

      Und dennoch wäre da die Option der Messe noch mehr Gesicht zu geben und ihr einiges an Schaukraft. Ich denke da auch an die Blogger von RC-Technik, von Modelleisenbahnen, Elternblogs für Kleinkind-Spielzeug, etc…

      • Mir war bisher nicht bewusst, dass der Anteil an Brettspielen so gering ist.
        Das erklärt natürlich schon, warum Blogger, die nur über einen sehr begrenzten Teil der Messe berichten, nur bei entsprechend großer Reichweite akkreditiert werden.
        Schade ist es, aus meiner Sicht, trotzdem, da so wahrscheinlich viele Neuheiten von mir erstmal übersehen werden (bis dann irgendwann irgendein Brettspielradio, ein Bretterwisser, ein Brettagoge,… etwas vorstellt….)