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Helter Schelte – Die Nacht der langen Medien-Kultur

Peer will, dass ich auch über Essen schreibe. Und ich mache das gerne. Vor allem weil ich auch will, dass Jürgen zu Essen was schreibt. Aber so einfach mache ich das eigentlich nicht für meine Leser, daher werde ich hier mal etwas ausholen und erstmal über einen Umweg dazu kommen.

Fangen wir also mit der aktuellen Situation an: Die Wahl in Amerika! Man kann sie von vielen Seiten betrachten, aber eins wird deutlich. Das irgendwie keiner den Sieg deutlich vorhergesagt hatte. Zumindest niemand in den Medien. Um so erschütterter sind sie jetzt und ringen um Erklärungen. Der Mensch auf der Strasse kann wieder sagen, ich wusste es vorher, und natürlich gibt es das auch in den Medien. Denn Das Ergebnis ist nun langweilig. Egal wer gewinnt, das Schauspiel ist langweilig und wirkliche Änderungen wird es nicht geben.

Dabei ist das eigentlich nicht so verwunderlich. Jeder lebt in seiner eigenen Blase. Wer alle Trump-Supporter aus seiner Facebook-Timeline wirft, der darf sich nicht wundern, wenn er nur die coolen Nachrichten zu Hillary bekommt. Auf der anderen Seite verstehe ich jeden, der die sexstischen, rassistischen und sonstwie gearteten Kommentare nicht sehen mag. Mein Umgang mit der AfD ist nicht anders.

Aber die Medien machen das schon länger. Die meisten im Fernsehen und im Radio leben in ihrer eigenen Welt. Wer sich FOX-News zum ersten Mal ansieht, fragt sich schon, was da abgeht. Und hier in Deutschland ist mir das Privatfernsehen in weiten Teilen auch nur ein heftiges Kopfschütteln wert, wenn ich mal meine Lebenszeit darauf verschwenden möchte. Aber die, die das Programm machen, die leben dieses Leben als Produzenten, Regisseure und die etlichen anderen Rollen die es da gibt. Wer einen Hammer hat sieht jedes Problem als Nagel. Für diese Menschen gibt es nur Hammer und Nägel in ihrer Weltsicht, und alles passt nur in dieses Schema.

Besonders deutlich geworden ist das erneut bei der Medienberichterstattung zur Spiel in Essen dieses Jahr, die zum Teil an Unbrauchbarkeit kaum zu überbieten war. Die Leute aus dem Fernsehen oder Radio müssen bestimmt an die 100 bis 300 Themen im Jahr im Programm erschlagen, sie können nicht von allem eine Ahnung haben. Und da sie selber können kaum was zu dem Thema beitragen können, aber wissen wie Programm gemacht wird, müssen sie nun andere zu Wort kommen lassen. Ein guter Moderator würde also Fragen stellen und den Experten zu Wort kommen lassen. Abe bei Spielen sehe ich, dass sie sich dennoch befleißigt fühlen, ihre eigene Meinung zu diesem Thema kund zu tun und sich damit für jeden in der Branche zu disqualifizieren. Aber der normale Medienkonsument kann das nicht unterscheiden. Würden sie ruhig bleiben und einfach nur wertfrei moderieren wäre das Problem nicht so ein Problem.

Der WDR hatte im Fernsehen einen Beitrag gebracht der unterirdisch war. Da wird der Deutsche Spielepreisträger als Spiel des Jahres genannt, weil der Laie mit dem Mikro den Unterschied nicht versteht, nicht kennt und es ihn auch nicht interessiert. Da wird fürstlich auf der Webseite gesagt, dass man sich einig ist dass es Klassiker auch tun würden, weil man sich so die Zeit spart und nicht mit den Neuheiten beschäftigen will, schnell produzierter Quatsch, denn die Zeit hat man im persönlichen Leben nicht. Und der Vergleich den Peer dazu gebracht hat, fand ich erschreckend gut: Als würden sie zur Buchmesse sagen, dass es Goethe auch tut. Die ganze Branche als unwichtig abtun Deluxe.

Aber Bücher sind ja noch Kulturgut, denn dafür muss man gebildet sein. Und Spiele sind was für Kinder. Eine Ecke aus der es sogar Computerspiele raus geschafft haben. Ich versteh Snyes Ernst wenn er sich gleich zu Beginn der Sendung WDR Arena darüber aufregt, dass die guten alten Spiele eigentlich nicht gut sind. Wer es nicht gelesen hat, hier der Lesebefehl: http://www.infosperber.ch/Artikel/Gesellschaft/Der-Spieler-Das-gute-alte-Brettspiel-ist-tot1

Wenn wir also das Problem haben Spiele als Kultur in manchen Bereichen wahr genommen zu bekommen, dann vermutlich, weil diejenigen die darüber entscheiden, was im Fernsehen, im Radio, in der Zeitung und woanders ist, sich einfach dafür nicht interessieren. In ihrer Blase gibt es das nicht. und solange das so bleibt wird es nie besser werden.

Hoch lebe das Internet, Die Möglichkeit seine eigenen Blogs zu machen und seinem Hobby und seiner Nische den Raum zu geben, zeigt, dass da noch einiges gibt und jeder seine Freunde und gleichgesinnten findet. Und die Menge an Blogs allein im Deutschsprachigen Raum ist ja schon weit über 100. Als ich die Liste gerade dem Udo Bartsch zugeschickt hate, war er auch schockiert. Und ich bin mir sicher, dass ich nicht alle kenne. Wer also sicher gehen will, auch von mir für zukünftige Bloggertreffen wahrgenommen zu werden, sollte mir bitte mal schreiben.

Das das Internet hilfreich ist zeigen Will Wheaton Tabletop Show, die steigenden Zuschauerzahlen in Essen und auf der GenCon und der UK Games Expo und Cannes und noch viele mehr. Wir haben uns unsere eigene Blase aufgebaut. Und das ist auch wichtig, damit wir uns wohl fühlen können und damit wir mit unserem Hobby weitermachen. Und unsere Blase wächst und hat eigene kleine Blasen. Da sind die Cosim-Spieler, die Expertenspieler, die Familienspieler, die Partyspieler, und noch viele weitere.

Und vielleicht wird mal eine ganze Generation an Fernsehmachern und Radioprogrammgestaltern und Zeitungsredakteuren aus dieser Blase nachwachsen. Dann wird es da auch wieder Spiele in den Medien geben. Falls es diese Medien dann noch gibt.

Und meine Blase? Die ist auch schon wieder eine andere als die von manch anderem Spieler. Ich nehme Essen schon lange nicht mehr als Spielerparadies war, obwohl es genau das dennoch für mich ist. Zum Spielen komme ich in der Zeit wenig bis kaum. Selbst die Menschen die ich gerne treffe schaffe ich nicht mehr alle zu treffen. Essen ist für mich so vieles aber nichts davon richtig. Es gibt eine lange Liste na spannenden Spielen die es nur dort gibt, wo ich sicherstellen muss diese zu bekommen, wenn ich sie mal spielen will, aber ich verpasse davon immer wieder rund 90%. Ich will mit etlichen Leuten mich treffen und mit ihnen reden, aber wenn ich mich nicht direkt mit ihnen verabrede und es in meinen Kalender sicherstelle, die 15 Minuten zu haben, verpasst man sich. Und Essen ist dennoch das Klassentreffen auf das ich mich wieder freue.

Und dennoch: Es ist die Veranstaltung die ich mit viel Elan betrete und mit genauso veil Elan wieder verlasse, und mich wundere warum ich eigentlich nach sechs Tagen so KO bin, wobei das ja eigentlich nicht wirklich verwunderlich ist, oder? Denn statt mich zu ärgern, was ich alles nicht geschafft habe, freue ich mich über alles das, was ich geschafft habe. Denn ich habe etliche Leute getroffen. Ich habe an den verwunderlichsten Stellen gute Meetings gehabt. Und ich habe die meiste, nein eigentlich die ganze Zeit ein tolles Grinsen im Gesicht gehabt. Und viel Spielen habe ich nun zum Glück in München nachgeholt.

Daher hier nun mein Essenbericht: Es war geil.

Matthias Nagy
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