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Spiele nominieren, Spiele benennen und Spiele schreddern

Soll ich tatsächlich noch was zu den SdJ-Nominierungen sagen? Ich glaube weitere Worte nach meinen recht erfolgreichen Tipps und Matthias Analyse sind kaum nötig. Nur: Ich hatte Recht! Codenames wird es nun mit Sicherheit. Beim Kinderspiel ist es etwas knapper, aber beste Karten hat vermutlich Leo muss zum Frisör (Obwohl es sicherlich nicht entscheidend ist, welches Spiel die Erwachsenen am liebsten spielen…). Pandemic Legacy ist nach wie vor mein Favorit auf den Kennerspielpreis, aber die Konkurrenz ist stark und jedes der drei hätte in einem anderen Jahr klar gewonnen. Da ich jetzt nicht auf die Jury schimpfen kann, ein paar andere Kurzgeschichten. So sind wir hier auf der Spielbar: Immer spontan!

(Allerdings frage ich mich, ob ich mir im Falle eines SdJ-Gewinnes in ferner Zukunft eher den Gewinnertitel oder eher den SdJ-Pöppel auf den Oberarm tätowieren würde. Vermutlich weder noch und schon gar nicht auf den Oberarm, aber dennoch eine Frage, die mich beschäftigt)

War es eine gute Idee Groß und Salzig als Stadt Land Fluß Extreme herauszubringen? Ich weiß es nicht und es ist noch viel zu früh für eine Analyse. Aber ich frage mich schon ob die Jury z.B. das Spiel überhaupt ausprobiert hat oder ob sie es gleich als „Stadt Land Fluß – Klon“ ignoriert hat. Ich würde es so machen, also keinerlei Vorwürfe. Aber dank Vorauswahl rezensiert natürlich niemand und kann erzählen, dass es ganz anders ist als Stadt Land Fluß, insbesondere ohne Spielkarten nicht gespielt werden kann und viel lustiger und kreativer ist. Wie der Autor sagt. Auch besteht die Gefahr, dass selbst Wenigspieler das ignorieren, weil sie nur einen neuen Block vermuten und Einkäufer für Großketten auch lieber andere Spiele ins Angebot nehmen wollen… Umgekehrt sollen Marken ja sehr gut sein und wenn auch nur ein Teil der Stadt-Land-Fluss-Käufer hier zugreift ist schon viel gewonnen. Aber ich gäbe schon viel für eine positive Amazon-Rezi…

Und abschließend noch ein Schwank aus meinen Leben: Es gab mal einen Verlag, der sehr gerne Prototypen von mir anforderte und sehr unsicher war, ob und was er davon behalten wollte. Er brachte ein Spiel von mir heraus, also hatte er einen Gut bei mir, aber nach einigen Jahren bot ich die Protos, die er hatte auch anderen Verlagen an. Dennoch: Ich fragte immer mal wieder nach und bekam immer ausweichende Antworten, vor allem: „Wir haben uns noch nicht entschieden.“ oder „Mmh, wir ändern unsere Strategie für die nächsten Jahre, daher noch keine Entscheidung“ usw. Dann tauchte der Verlag 2014 nicht mehr in Essen auf und mit ihm Gerüchte, dass er sich auf Vertrieb und Lokalisation konzentrieren würde und keine Spiele mehr veröffentlichen würde.

Also hakte ich natürlich sofort nach. Die Antwort: „This is not true (…) So yes we will be making new games in the future, we only pass for this Essen„.

Letztes Jahr war der Verlag wieder nicht in Essen. Ich hatte aber viel um die Ohren und fragte nicht sofort nach. Hey, der wird sich schon melden, oder?

Pustekuchen! Eines der Spiele, die er seit 2008 (!) hatte, habe ich mittlerweile deutlich weiterentwickelt und ich forderte meinen Proto zurück, denn ich sah nun nicht mehr, dass die den jetzt plötzlich machen und ich konnte das Material gut gebrauchen um ein Zweitexemplar zu haben (immer praktisch, wenn der Verlag noch Änderungswünnsche hat oder man den einfach nur mal spielen will). Plötzlich die Antwort: Was? Oh, da müssen wir mal nachgucken, wir machen keine Spiele mehr, nur noch Vertrieb. Die Prototypen haben wir eigentlich alle zerstört, aber vielleicht ist der noch irgendwo…

WTF?

Erneutes Nachfragen dann: Nein, haben wir nicht mehr. Sorry.  Ich bin entsprechend sauer. Natürlich ist es in meinen Augen legitim, wenn ein Verlag – insbesondere ein kleiner ausländischer Verlag – unangefordert eingesendete Protos auch mal vernichtet, statt sie zurückzuschicken. Aber zwei Prototypen, die man seit Jahren einbehält, weil man sich nicht festlegen will (und die ggf. für andere Verlage blockiert), dann ohne Rückmeldung zu vernichten, weil man spontan sein Verlagskonzept ändert, dass ist schon eine ziemliche Sauerei. in meinen Augen. Und ein ziemlicher Vertrauensbruch.

Um mit etwas positiveren zu schließen: Ich habe gerade Roberto Bolanos „Das dritte Reich“ beendet. Dort spielt der Protagonist in großen Teilen ein (fiktives) Wargame, dass ziemlich an Rise and Decline of the Third Reich angelegt zu sein scheint. Bolano war wohl selbst ein Wargamer und das merkt man dem Buch an. Allerdings: Zwar ist das Spiel mehr als nur ein Gimmick, aber unbedingt deswegen lesen muss man das Buch dennoch nicht – so zentral ist das Wargame dann auch wieder nicht. Das Buch selbst ist OK. Ich musste mich niemals quälen, ich war aber auch nicht besonders gefesselt. OK, eben.

ciao

peer

Peer Sylvester
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