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Reaktionen auf Redaktionen

Ich muss diese Woche einmal einen Kommentar über etwas loswerden, dass erstmal nichts mit Spielen zu tun hat. Aber keine Angst: Ich versuche am Ende den Bogen wieder ordnungsgemäß zu den Brettspielen schlagen!

Es geht um ein Urteil des BGH und ich hole erst einmal kurz aus: Ein Buch schafft natürlich Einnahmen durch Verkäufe. Es gibt aber darüber hinaus auch weitere Einnahmen (so müssen Copyshops eine Pauschale zahlen), die von VG Wort verwaltet werden. Bislang war es Usus, dass diese Pauschalbeträgt nach einem bestimmten Schlüssel  zwischen Autor und Verlag aufgeteilt werden – in der Fachliteratur waren das 50:50. Das BGH hat nun festgestellt: Eine solche pauschale Abrechnung ist nicht mit dem Urheberrecht vereinbar. Die Autoren, nicht die Verlage, sind ausdrücklich auch trotz Redaktionsarbeit die Urheber und daher darf auch nicht über deren Kopf hinweg eine Zahlung dieser Pauschale an die Verlage gehen. Was mich jetzt ein bisschen geärgert hat (und ja, sorry, aber das ist mein Blog, da schreibe ich was mich bewegt ;-) sind gleich zwei negative Kommentare in der Zeit, die beide komplett am Punkt vorbeigehen (hier und hier). Ich will gar nicht auf das offensichtlichere Problem mit diesen Kommentaren eingehen (sie adressieren das Gericht bzw. den Kläger. Nun ist es ja aber nicht Aufgabe des Gerichts Gesetze zu bewerten, sondern anzuwenden – der Gesetzgeber wäre der richtige Adressat). Auch kann ich nicht beurteilen, wie schlimm das Urteil den Buchmarkt wirklich trifft (in anderen Ländern gibt es diese Abgabe allerdings ebensowenig wie eine Buchpreisbindung). Was ich aber kann, ist einmal auf den zweiten Denkfehler hinzuweisen: Das Urteil verbietet eine andere Ausschüttung nicht. Im Gegenteil: Es sagt nur aus, dass Verlage den Verteilungsschlüssel mit den Autoren vertraglich regeln müssen, die Autoren also verhandeln können. Was am Ende dabei rauskommt, wird vermutlich ein Standardvertrag sein, so wie es ihn in den meisten anderen Punkten (z.B. der Vergütung) bereits gibt. Wenn sich die Verlage einen anderen Schlüssel nicht leisten können, dann müssen sie entsprechend verhandeln.

Was das Urteil für mich als Brettspielautor interessant macht, ist die Feststellung des Gerichtes , dass die Redaktionsarbeit für ein Buch für den Verlag nicht ausreicht, um dort einen Teil der Pauschale zu beantragen. Nun gibt es natürlich keine VG Wort im Brettspielbereich (jedenfalls wüsste ich von keiner), aber bislang stellte sich die Frage hier gar nicht, ob die Redaktionen vielleicht Co-Autoren sind. Und das ist keine selbstverständliche Erkenntnis. Immerhin umfasst die Redaktionsarbeit bei einem Brettspiel sehr viel mehr  als bei einem Buch. Ich will die Lektorarbeit nicht kleinreden, aber die Redaktion kümmert sich um die gesamte Gestaltung eines Brettspieles, um jegwedes Spielmaterial, um die Spielregel und natürlich ebenfalls um das Lektorar, das diesmal nicht selten die gesamte thematische Einbettung und die Bearbeitung des Mechanismuses betrifft. Die Redaktionsarbeit an Mombasa betrug laut Spielbox wohl einige tausend Stunden. Ich kenne einige Fälle, wo entscheidene Impulse vom Verlag kamen (ich kenne auch ein paar Beispiele, wo der Verlag das Spiel schlechter gemacht hat, aber das nur nebenbei), ohne welche die Spiele nicht das wären, was sie sind. Und dennoch wurde zumindest in meiner Gegenwart niemals in Frage gestellt, dass der Autor derjenige ist, der das Werk geschaffen hat.

Und das ist auch richtig so.

Ohne den Autor gäbe es kein Werk, dass der Verlag bearbeiten könnte.

Ich will die Verlagsarbeit nicht kleinreden, wirklich nicht! Mir ist bewusst, was Redaktionen leisten (manche mehr, andere weniger). Aber ein Verlag hat natürlich das Interesse, ein Spiel zu präsentieren, dass sich möglichst gut verkauft. Also schleift er einen Rohdiamanten zum Brillianten. Wichtige Arbeit. Aber sie kann den ursprünglichen Diamanten nicht ersetzen. Das hat das Gericht erkannt- und die Kollegen in der Buchbranche sollten sich an der Spieleszene ein Beispiel nehmen und erkennen, dass es nichts mit (mangelnder/hoher) Wertschätzung zu tun hat, wenn man erkennt, dass die Verlagsarbeit notwendige, wichtige, entscheidende  Arbeit ist, aber eben deutlich mehr Arbeit als künstlerischer Akt.

ciao

peer

Peer Sylvester
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6 Kommentare

  • Der wesentliche urheberrechtlich relevante Unterschied zwischen der Tätigkeit eines Urhebers und der Redaktion ist folgender:

    Der Urheber schafft ein individuelles Werk. Das Urheberrecht schützt die Individualität eines Werkes, nicht die Qualität.

    Aufgabe eines Redakteurs ist es, das Spiel marktfähig zu machen. Die Individualität des Redakteurs spielt dabei zunächst einmal keine Rolle. Er soll nicht seine Persönlichkeit in dem Spiel verwirklichen, sondern das Spiel nach unpersönlichen Kriterien verändern, damit es wirtschaftlich erfolgreich wird.

    Daher ist die Arbeit eines Redakteurs grundsätzlich, in der Theorie, urheberrechtlich nur in soweit relevant, als dass sie in das Urheberrecht des Autors eingreift, nicht aber ein eigenes Urheberrecht genereirt.

    In der Praxis verhält sich ein Redakteur aber dennoch oftmals wie ein menschliches Wesen mit individuellen Eigenheiten, auch bei der Arbeit. Manchen Spielen drückt er soviel an individueller Kreativität auf, dass man zweifellos von einem gemeinsamen Urheberrecht ausgehen würde, wenn er das gleiche außerhalb seiner Arbeit gemacht hätte. Es gibt daher solche Fälle, in denen der Redakteur faktisch Co-Autor ist und noch mehr Fälle gibt es, in denen das unklar ist, ob es sich bei redaktionellen Veränderungen um eine urheberrechtlich relevante Veränderung handelt. Kleine Änderungen, wie eine geänderte Startspielelrregelung zähle ich nicht dazu, gravierendere Änderungen, die das Spiel insgesamt verändern schon. Der Übergang ist oftmals fließend.

    Für die Diskussion Verlag-Autor ist das aber nicht wirklich relevant. Denn in dem genannten Fall liegt die Co-Autorenschaft beim Redakteur, nicht beim Verlag. Eine Firma kann hierzulande Urheberrecht nur durch Tod des Autors per Vererbung erwerben, aber nie selbst Urheber werden.

    Deshalb finde ich übrigens folgenden Wikipediaeintrag zum „Autorenspiel“ viel schlimmer als irgendein paar Meinungsartikel in der „Zeit“: https://de.wikipedia.org/wiki/Autorenspiel
    Demnach ist ein Autorenspiel, ein Spiel, das besonders populär, marktfähig ist, z.B. Holz statt Plastik enthält, kurze Regeln hat, kurze Spieldauer, erweiterbar ist … alles Kriterien für einen Redakteur. Individualität zählt nix.
    Diese Definition verneint die eigentliche Autorentätigkeit.

    Eine solche Einstellung findet sich dann auch im Zeit-Kommentar http://www.zeit.de/kultur/literatur/2016-04/bgh-vg-wort-verlage-kommentar bei
    „Verlage ermöglichen doch erst die Existenz und Weiterentwicklung von Autoren.“ Nein, Wiebke Porombka, Autor wird man durch Schaffung eines Werkes, nicht durch Veröffentlichung (Aber das war ja auch für die SAZ schwer zu verstehen).

    Weiter schreibt die Autorin(!) des Kommentars:
    „Das Geld von der VG Wort bezieht sich auf Urheberrechte, die anfallen, wenn Bücher und Texte nach der Erstveröffentlichung genutzt werden: etwa durch Bibliotheken, in Schulbüchern und Pressespiegeln oder durch Kopieren – auch Copyshops müssen deshalb eine Abgabe an die VG Wort zahlen. Im Grunde also sekundäre Urheberrechte, die nur durch den Distributionsaufwand anfallen, den Verlage leisten.“

    Inhaltlich muss man sich mit dem Unsinn, den sie schreibt nicht weiter auseinandersetzen. Es ist nicht ansatzweise ernst zu nehmen. Die Frau, die den Zeit-Kommentar verfasst hat, hat null Verständnis von dem, was Urheberrechte sind. Aber der Text ist – obwohl es sich um eine Meinung handelt, die auch andere mit ihren eigenen Worten als eigenes Werk veröffentlichen dürfen – sowas von individuell, speziell, eigenpersönlich, dass hier wohl auch der Inhalt urheberrechtlich geschützt ist, wie beim Roman.

    Im anderen Kommentar nennt Karen Köhler viele gute Gründe für eine Beteiligung des Verlages an den Einnahmen, die durch die Urheberrechtsabgabe entstehen. Wie Peer richtig sagt, braucht es dafür bloß eine vertragliche Regelung, mehr nicht.

  • Das Problem mit dem Wikipedia-Artikel ist: Es ist leider anscheinend sehr viel leichter einen Artikel zu schreiben, als den ohne Quellenangabe zu verändern. Insbesondere wenn es sich um ein thema handelt, wo es schwer ist, jenseits des Netzes Fachliteratur zu bekommen…

  • Der Wikipedia-Artikel selbst ist ja auch ohne Quellenagabe. Manche Fehler lassen sich zudem klar belegen. Die genannten Spiele, die als Nicht-Autorenspiele aufgeführt sind, sind zudem wikipedia-intern verlinkt und dort mit Autorennamen versehen. Beim „Nicht-Autorenspiel“ Risiko ist dort sogar die Schachtel mit aufgedruckter Autorennennung zu erkennen.

    Es liegt schlicht daran, dass seinerzeit insbesondere von „XY-Aktiven“ ;-) im Zuge der Professionalisierung der Spieleautoren versucht wurde, „Autorenspiel“ als Qualitätsmerkmal zu etablieren, um die Autoren aufzuwerten, die für den Markt produzieren. Teilweise lässt sich das erkennen, wenn man in der Versionsgeschichte blättert und mit den Kürzeln etwas anfangen kann.

    Es ist – wie auch in anderen Bereichen (Foto, Grafik, …) leider so, dass sich als professionell verstehende Autoren oftmals meinen, Kunst käme nur von Können, und viele von ihnen deswegen verächtlich auf das herabsehen, was urheberrechtlich geschützt ist: Das Individuelle eines Werkes, das auch mal etwas weniger professionell sein darf.

    Für diese Position gibt es eben eine starke Lobby, vermutlich auch bei Wikipedia, weshalb diesen Leuten das Urheberrecht immer wieder auf die Füße fällt und sie einfachtse Zusammenhänge nicht kapieren, wie hier die tatsache, dass einfach nur das Fehlen einer vertraglichen grundlage moniert wird.

    Anders kann ich mir auch nicht erklären, dass ein solch wirklich dämlicher Kommentar in der ZEIT erscheint. Kommentatoren können natürlich schon mal irren, aber Wiebke Porombka liegt so weit daneben, wie wenn in einer Landwirtschaftszeitung behauptet würde, Spaghetti wüchsen auf Bäumen.

  • Die Problematik mit der Verlegerbeteiligung an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften ist äußerst komplex und nicht so einfach zu beantworten. Aber ein paar Punkte möchte ich doch ansprechen.

    In einem Punkt ist Peer nicht ganz richtig informiert, weil die VG Wort zumindest partiell durchaus auch für Spiele und Spieleautoren zuständig ist. Das Urheberrecht für Spiel beruht ja im Wesentlichen auf dem „Spielregelwerk“ und gehört daher zur Kategorie Wort. Spieleautoren können sich als „Wahrnehmungsberechtigte“ bei der VG Wort anmelden und partizipieren dann von der sog. „Bibliothekstantieme“ – also einer Ausschüttung, die auf Basis der Ausleihe von Medien in den Bibliotheken erfolgt und jährlich ermittelt wird. Bei der Bibliothekstantieme erfolgte die Ausschüttung bisher nach dem Schlüssel 70% für die Urheber und 30% für die Verleger.

    Das Problem ist allerdings, dass Spiele im Datenbestand der VG Wort nur unzureichend erfasst sind. Die Hauptquelle ist das Sammlungsverzeichnis der Deutschen Nationalbibliothek, ergänzt durch das VLB (Verzeichnis lieferbarer Bücher), in dem auch einige wenige Spiele erfasst sind. Die SAZ fordert daher seit längerem, dass Spiele in den Sammlungskatalog der Deutschen Nationalbibliothek aufgenommen werden. Für diese Forderung hat die SAZ auch die Spieleverleger und den Deutschen Kulturrat gewonnen: http://www.spieleautorenzunft.de/newsreader-de/items/autoren-und-verlage-spiele-in-den-sammlungskatalog-der-deutschen-nationalbibliothek-aufnehmen.html

    Als Basis für diese Archivierung, so regt die SAZ an, könnte z.B. das Deutsche Spielearchiv Nürnberg dienen. Für die organisatorische Struktur gibt es verschiedene Denkmodelle, die noch nicht spruchreif sind … politische Lobbyarbeit ist mühsam und langwierig.

    Was die Verlegerbeteiligung angeht, müssen offenbar klarere gesetzliche Regeln geschaffen werden, nachdem der BGH die jahrzehntelange und bewährte Praxis für unwirksam erklärt hat. Ich würde allerdings die Verlegerbeteiligung und die Leistung der Verleger weniger unter der Überschrift „Urheberrecht“ sehen, als unter der Tatsache, dass auch die Verleger durch das Kopieren und Ausleihen von publizierten Werken einen Einnahmeverlust haben. Das betrifft natürlich den Buchbereich ungleich stärker als den Spielebereich, der ohnehin nur an den Ausleihen beteiligt werden kann. Wer sich intensiver mit dem Thema und den verschiedenen Stellungnahmen dazu befassen möchte, wird auf der Seite des Instituts für Urheber- und Medienrecht fündig: http://www.urheberrecht.org/topic/UmsetzungVG-RL/

    • Danke fürdie Ergänzungen. Das ist natürlich nicht uninteressant – werden Spiele ins Sammlungsverzeichnis mit aufgenommen, ergibt sich also auch eine Bibliothekspauschale daraus. Das wäre natürlich schön – aber wichtig halte ich zumindest eine allgemeingültige Lösung (also entweder alle Spiele oder keine), auch wenn es natürlich immer Grauzonen geben wird (Ist „Ein bisschen Mord muss sein“ nicht eh schon ein Buch?
      Ich habe das unter die Überschrift Urheberrecht gesetzt, weil dass m.W. die Begründung des BGHs war.
      ciao
      peer

  • Natürlich würden dann alle (in Deutschland erscheinenden) Spiele erfasst. Bei Büchern gibt es die sog. Pflichexemplare durch die Verlage an die Nationalbibliothek – das würde dann analog auch für Spiele und Spieleverlage gelten.