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Wir sind das Volk – Gepatched

Wer es noch nicht mitbekommen hat: Wir sind das Volk hat ein Regelupdate bekommen. Nötig wurde dies, weil eine aggressive Ost-Strategie möglich ist, die das Spiel deutlich langweiliger macht und für ahistorische Spielverläufe sorgen kann. Es war möglich, dass sich der DDR-Spieler darauf konzentriert erst die „Unruhe beseitigen“-Karten des Westens wegnimmt und dann möglichst viel Unruhe in eine Provinz packt und zwar möglichst in eine mit wenig oder ganz ohne Industrie. Immer und immer wieder. Außerdem versucht er sich den Prestige-Vorteil zu beschaffen. Dadurch blockiert er die Wirtschaft des Westens. Das verschafft ihm einerseits einen Vorteil in Bezug auf Lebensstandard (es ist schwieriger für den Westen den aufzubauen) und andererseits braucht er sich nicht mehr um Devisen zu kümmern, da ein Bundesland nur eine Stufe von 0 hat und damit alle Gebiete der DDR Devisen abwerfen. Der Prestige-Vorteil sorgt zudem dafür, dass er mit Hilfe seiner Sonderaktion in Dekade II eine Aktion mehr haben kann, als der Westen. Und die Deakde 2 hat für den Westen die gefährlichsten Ereignisse.

Nun ist die Strategie sehr stark, aber keine Killerstrategie. Sie funktioniert nicht immer gleich gut – es hängt auch davon ab, wann welche Karten kommen – und der Westen kann auch gegen sie gewinnen. Das ist uns schon gelungen, aber es ist zum einen sehr schwierig, zum anderen muss man halt konsequent da gegenan spielen und dadurch die die Stärke des Spieles, nämlich die Flexibilität deutlich beschnitten. Also mussten wir handeln.

Für einen Autoren ist so etwas so ziemlich der Worst Case. Der einzige Trost ist, dass die Strategie offenbar von den meisten Spielern nicht gefunden wurde – das mindert den Schlag, dass wir sie nicht gefunden haben, etwas. Aber dennoch: So etwas darf eigentlich nicht passieren. Dass es dennoch passiert, liegt daran, dass man irgendwann entscheiden muss, dass man „genug“ getestet hat und dass man das Spiel jetzt für „fertig“ erklärt. Hinzu kommt noch, dass man vielleicht viele Strategien durchtestet – auch Extremstrategien – aber gelegtnlich die Regeln leicht anpasst. Und wenn man dann nicht alles noch einmal von vorne durchtestet, rutscht mal was durch. Und selbst wenn man das tut, dann besteht dennoch die Gefahr, dass man ganz merkwürdige Strategien übersieht – wie z.B. den Halifax-Hammer.

Als Richard und ich als erstes von der Strategie hörten, waren wir zunächst einmal vorsichtig. Die absolut überwältigende Zahl von „Killerstrategien“ sind nämlich keine, sondern basieren auf Regelfehlern, Fehlinterpretationen, Group-Think oder schlicht dem Übersehen einer einfachen Gegenstrategie. Manchmal wird auch von einer theoretischen Möglichkeit gesprochen, die nie ausprobiert wurde (z.B. bei Singapore erst Waren zu tauschen, wenn die letzten Gebäude aufgedeckt sind oder bei King is dead sich alle 8 Aktionen für die letzte Runde aufzusparen. Beides funktioniert übrigens normalerweise nicht). Dennoch haben wir uns mit der Strategie befasst und Richard hat gegen den Entdecker der Strategie online ein paar Partien gespielt. Sein Fazit: Die ist schon stark (siehe oben). Das war letztes Jahr im Sommer.

Unser Ziel seitdem: Eine Möglichkeit zu finden, diese Strategie soweit abzuschwächen, dass sie nicht per se besser ist, als andere mögliche Strategien. Aggressives Spiel vom Osten soll weiterhin möglich sein, aber es soll eben kein Selbstgänger sein sondern (wie alles) eine Frage der Umstände. Die Spielbalance sollte damit wiederhergestellt werden. Weiterhin wollten wir die Chance nutzen um zwei Kleinigkeiten zu verbessern, die uns im letzten Jahr angefangen haben zu stören: Zum einen dass der Sozialistensieg einen Tacken zu einfach ist während der umgekehrte Fall praktisch nie eintritt und zum anderen dass 17. Juni immer sofort automatisch durch die Panzer gekontert wird, was unterm Strich zwei Karten für wenig Effekt verbrennt (dadurch habe ich als Westen angefangen den 17. Juni in der ersten Halbdekade immer nur für die Punkte zu spielen). Das alles wollten wir erreichen, ohne Karten zu ändern oder Material einzuführen, so dass die Käufer der bisherigen Auflagen nicht benachteiligt sind und ohne dass der Kleinverlag Histogame Material zum verschenken produzieren muss.

Ich denke wir haben dies geschafft: Die drei Geberländer brauchen mehr Unruhesteine um einen Massenprotest auszulösen, für die anderen sind genügend Karten da, um dort für Sicherheit zu sorgen. Ein Sozialist weniger macht es für die DDR zudem riskanter, die eigene Unruhe zu vernachlässigen. Und die neue Regel für die Spezialkarte sorgt dafür, dass die Kosten für die Panzer indirekt höher werden (eigene Handkarte weg oder der Gegner eine Handkarte mehr). Vor allem aber lässt es sich nun immer verhindern, dass der Gegner eine Aktion mehr hat, als man selbst – und das macht eine Menge aus. Dennoch wäre ich glücklicher gewesen, wenn die Änderungen nicht nötig gewesen wären…

Wolfgang Friebe twitterte, dass Balanceprobleme ein Problem bei asymmetrischen Spielen seien. Das ist natürlich richtig – es ist bei asymmetrischen Spielen ungleich schwieriger festzustellen, ob beide Seiten gleiche Siegchancen haben. Hier liegt der Grund aber m.E. woanders: Wir saind das Volk lässt dem Spieler relativ viele Freiheiten: Jede Karte hat vier grundsätzliche Einsatzmöglichkeiten. Jede Unruhe, Lebensstandard und Wirtschaftspunkt kann zudem in relativ viele verschiedene Gebiete eingesetzt werden. Es gibt sehr viele verschiedene Karten, die in verschiedener Reihenfolge auftreten und wo die Wahl der Reihenfolge eine große Rolle spielt. Dadurch sind die Spielverläufe höchst unterschiedlich – sehr viel unterschiedlicher als bei den meisten anderen Spielen. Und deswegen haben wir eine Möglichkeit übersehen. Dafür kann ich nur um Entschuldigung bitten!

ciao

peer

Peer Sylvester
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3 Kommentare

  • Ich find die Änderungen haben das Spiel deutlich verbessert. Vor den Änderungen fand ich denn Osten etwas zu stark, gerade mit der Unruhe Möglichkeit im Westen kam es bei viel (~10% von ca. 15 Spielen) meiner Spiele zu einer Aufgabe des Westen nah der ersten Dekade.

    Wie Ihr die Diskussion auf BGG geführt habt, fande ich Vorbildlich. Dies ist ein gutes Beispiel wie man mit Balancediskussion umgehen kann.

    Im Endeffekt habe wir Wsdv Spieler nun ein besseres Spiel und dafür möchte ich mich ganz herzlich bei Richard Sivél und Peer Sylvester bedanken!

    Mit freundlichen Grüßen
    Sebastian Schulz

  • […] kleineren Ausnahmen abgesehen). Als das „fertig“ war (Fertig ist ein Spiel ja nie, und WsdV ja eh nicht) war die Zeit reif, sich mal wieder mit ein paar älteren Prototypen zu beschäftigen, die […]