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Politikum Spiel

Spiele sind eher unpolitisch und das ist meistens auch gut so. Letzte Woche geisterten gleich drei Gegenbeispiele durch die Medien und auch das ist gut so: Ein Kulturgut darf auch mal politisch sein, darf (und soll) sich auch mal ruhig positionieren.

Als erstes ist einmal Genocon zu nennen. Gencon ist nicht irgendeine Spieleversanstaltung, sondern die größte in den USA und mit 180.000 Besuchern in Essen-Regionen (wobei Gencon eben ein Con ist, keine Messe). Bislang fand die immer in Indianapolis statt. Bislang – denn gestern wurde die „Religious Freedon Bill“ unterzeichnet und die erlaubt es, dass gläubige Unternehmer, keine Gleichgeschlechtlichen Paare mehr bedienen muss, wenn dies gegen die religiösen Überzeugungen geht. Allein den letzten Satz zu schreiben, geht mir gegen den Strich und ich denke gerade daran, eine Religion zu gründen, die es mir verbietet, religiöse Fundamentalisten zu bedienen und dann einen Laden in Indiana aufzumachen. Aber das nur nebenbei.

Als Protest gegen dieses Gesetz prüfen die Veranstalter einen Wegzug aus Indianapolis – aber erst 2020 (bis dahin laufen die Verträge mit der Stadt noch). Wirtschaftich wäre das ein herber Schlag gegen die Stadt. Dies ist meines Wissens das bislang erste Mal, dass ein Unternehmen aus der Spieleszene ihre wirtschaftliche Hebel benutzt, um einen Politikwechsel zu erreichen. Da Brettspieler i.A. eher humane Werte (wie eben z.B. den Gleichheitsgrundsatz) vertreten, ist dies ein guter Tag, auch wenn das Gesetz trotz der Drohung unterzeichnet wurde. Ich bin jeden Fall gespannt wie es weitergeht – bis 2020 kann viel passieren (z.B. kann das Gesetz als nicht verfassungskonform wieder einkassiert werden, was ich -nebenbei gesagt – fast erwarte).

Der nächste Politikwechsel ist eher kleinerer Natur und betrifft Days of Wonder. Die haben jetzt entschieden, die Sklaven aus Five Tribes gegen Fakire auszutauschen. Der Grund dürfte erst einmal wirtschaftlicher Natur sein: Viele Leute haben ein Problem damit, mit Sklaven zu handeln und der Wechsel ermöglicht so zumindest potentiell eine etwas höhere Verbreitung.  Umgekehrt wird natürlich wieder der Ruf nach übertriebender „Political Correctness“ laut. Wie stehe ich zu der Geschichte? Nun, vorweg: Ich glaube dass der PC-Vorwurf gerne erst einmal rausgeworfen wird, um sich nicht mit unangenehmen Fragen befassen zu müssen, gerade auch, was das eigene Verhalten betrifft. Political Correctness hat nach meiner Überzeugung schleichend im Hintergrund eine große Rolle gespielt, was Toleranz in unserer heutigen Gesellschaft betrifft. Umgekehrt halte ich das einfache Weglassen negativer Aspekte in einem Thema auch für problematisch. Es gibt Vorwürfe, dass „Fakire rein, Sklaven raus“ eine idealisierte Welt vorgaukelt und die Beschäftigung mit einem ernsten Thema so verhindert. Das kann ich auch nachvollziehen, denke aber, Five Tribes ist dieses Spiel sowieso nicht. Das Spiel ist abstrakt, keine Simulation und es bietet allenfalls eine thematische Einkleidung. Ehrlich gesagt kann ich nicht einmal nachvollziehen, warum Sklaven überhaupt gewählt wurden, da hier ohne Not ein negatives besetztes Element eingeführt wurde. Mich persönlich stören die Sklaven nicht, gerade weil sie generisch sind – aber genau deswegen hätte man sie von Anfang an besser weggelassen. Negative Konnationen ohne Not sind bestenfalls ein Beispiel von „nicht nachgedacht“ und schlicht überflüssig. Ihr Ausstausch ist insofern in Ordnung, auch wenn jetzt wohl erst einmal der Streisand-Effekt wirken dürfte…

Das dritte Beispiel ist für mich das stärkste und stammt aus dem Computerbereich: Beim Spiel Rust haben die Spieler keine Wahl, was ihr Aussehen betrifft. Klingt erstmal nicht weiter spektakulär. Aber: Man bekommt ein Aussehen fest zugeteilt, inklusive Ethnizität. Da ist dann plötzlich so viel Sprengsatz dahinter, dass ich spontan „WoW!“ ausrief, als ich davon las. In Onlineswelten sind nämlich die meisten Europäisch aussehend, andere Typen sieht man selten. Und tatsächlich gab es in den Foren einige sehr negative Stimmen von Spielern, die z.B. keinen Schwarzen spielen wollen, aber vom Spiel eine entsprechende Hautfarbe (zufällig) zugeteilt bekamen.

DAS ist aber einmal eine Möglichkeit, die ein Spiel hat, die für das Medium einzigartig ist: Multiperspektivität. Spiele (egal ob Brett – Computer – oder Rollenspiele) bieten eben auch die Möglichkeit einmal eine andere Seite kennen zu lernen. Und in diesem Fall heißt das eben auch im Rahmen eines normalen Spieles, einmal zu sehen, wie es als Mitglied einer ethnischen Minderheit sein kann, wenn man z.B. vermeidlich harmlosen Sprüchen ausgesetzt ist. Umgekehrt setzt vielleicht auf Dauer das Denken ein, dass die Hautfarbe vielleicht doch gar nicht wichtig ist (die feste Augenfarbe hat ja auch keine großen Emotionalen Ausbrüche verursacht). Wenn ich oben von wachsender Toleranz in unserer Gesellschaft sprach: Spiele wie Rust haben so das Potential eben gerade ohne Zeigefinger, quasi nebenbei, für differentierteres Denken und damit Toleranz zu sorgen.

Und das erwarte ich von einem Kulturgut auch ein Stückweit.

ciao

peer

Peer Sylvester
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1 Kommentar

  • […] Umsetzungen oder fragwürdige Themenbezeichnungen; Man denke an die Sklaven/Fakire in Five Tribes oder das Spielziel in Vikings Warriors of the North. Auch Diskussionen waren dabei, wo ich […]