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Brettspielabend mit Kerner – Eine Geschichte voller Missverständnisse

Gestern habe ich tatsächlich mal wieder beim ZDF eingeschaltet, denn es lief Das Spiel beginnt, eine neue Show, bei deren Brettspiele gespielt werden sollten.

Nun habe ich kein deutsches Tabletop erwartet, denn Wil Wheatons Format ist doch eher etwas für You Tube als für das Öffentrechtliche Fernsehen. Aber ich habe schon eine gut gemachte Spielshow erwartet – es ist ja nicht so, dass nicht schon öfter Shows im Fernsehen liefen, bei denen Prominente gegen Nichtprominente antreten und Minispiele absolvieren würden. Wenn dies „richtige“ Spiele sind, ist das nun auch nicht viel anderes, außer dass vielleicht ein paar gesteigerte Verkaufszahlen für die betreffenden Verlage abfallen – also: Warum nicht?

Das Spiel beginnt hat eines gezeigt: Wie gut Schlag den Raab eigentlich produziert ist. Das Konzept ist ähnlich: In einer Reihe von Spielen treten (hier) Kinder gegen Prominente an, für jedes Spiel gibt es Punkte. Bei Schlag den Raab liegt der Schwerpunkt mehr auf Action oder Quizspielen, aber das Prinzip ist eben so ziemlich dasselbe.  Doch was man auch immer von Brainpool und Stefan Raab halten mag: Was die abliefern, ist deutlich professioneller, als was gestern beim ZDF über die Scheibe flimmerte: Die ganze Show wirkte bieder und angestaubt, aber vor allem wirkte sie so, als hätte man vorher nicht geprobt. Das fing bei der Moderation an: Kerner war der Hauptmoderator und es war nie klar, was seine „Co-Moderatorin“ Emma Schweiger eigentlich für eine Rolle hatte; Manchmal durfte sie etwas auszählen oder etwas sagen, aber das wirkte immer so, als würde man ihr auch mal etweas Platz lassen. Ehrlich gesagt tat sie mir ziemlich leid, war sie doch mit der ganzen Veranstaltung sichtlich überfordert (Sie ist ZWÖLF! So eine junge Person wirft man nicht einfach in eine Samstagabendshow, ohne dass die vorher irgendwo anders Erfahrungen sammeln konnte). Auch die „Talkshow-Einlagen“ wirkten eher als Überbrückungslösung, denn dass sie organisch in das Konzept passten. Es gab Einspieler für die Spiele, die aber völlig überflüssig waren, da Kerner die Spiele dann noch einmal erklärte. Die Autos bei Rushhour waren so groß, dass die Kinder deutliche Schwierigkeiten gehabt haben dürfen, die Lage zu erfassen, das Finalspiel brachte so viele Punkte, dass alles was davor war KOMPLETT irrelevant wurde usw. usf.

Doch vor allem: Die Show war keine Werbung für Brettspiele. Und das sage ich nicht, weil ich modernere Vertreter als Spitz pass auf erwartet habe (es gab durchaus ein paar modernere Vertreter und gut gemacht wäre das auch OK gewesen), sondern, weil sie die zwei größten Vorurteile gegenüber Brettspiele wieder aufwärmt:

1.) Spiele sind langweilig. Zwar hatten die Promis und die Kinder sichtlich Spaß, doch von der Looping-Louie-Jahrmarktversion und dem Riesen Rush Hour abgesehen waren die meisten Spiele schlichtweg langweilig zum Zuschauen. Bei Halli Galli wäre ich fast eingeschlafen. Das lag daran  dass sich die Produzenten wenig Mühe gegeben haben, die Spiele vorher auf ihre Tauglichkeit zu überprüfen – Bumm Bumm Ballon dauerte z.B. viel zu lange und am Ende zählte es nicht mal! Vor allem aber dauerte die Auswertung oft nervig lange. Besonders extrem war das bei Make n Break, wo das Auszählen am Schluß länger dauerte als das eigentliche Spiel. Aber auch das Live Abzählen von Mikadostäbchen, wirkte nun nicht gerade so, als wollte man die Zuschauer am Bildschirm fesseln (zumal das Kinderteam schon selbst gezählt und gejubelt hatte und der Sieger somit schon feststand).

2.) Spiele sind etwas für Kinder. Schon das ganze Format „Kinder gegen Erwachsene“ sprach für sich: Jetzt dürfen die Kinder mal gegen die Erwachsenen gewinnen! Die Aussage, dass Brettspiele durchaus auch Erwachsenen Spaß macht suchte man vergebens (Auch hier ist Schlag den Raab besser). Das mit Vier Gewinnt dann auch noch eindrucksvoll demonstriert wurde, dass ernsthaft spielende Erwachsene Kindern in Strategiespielen keine Chance lassen (was die Popularität des Spieles sicherlich nicht erhöht haben dürfte), ist dann nur das Tüpfelchen auf dem i.

Ich fürchte das Format hat dem Hobby Brettspiel keinen Gefallen getan; Es besteht auch zu befürchten, dass es nach der vernichtenden Kritik an dieser eher schwachen Show keine weiteren Bestrebungen in diese Richtung mehr geben wird. „Brettspiele“ sind vermutlich für die ÖR erst einmal tot. Und das ist die eigentliche Tragik.

ciao

peer

P.S.:

Erste Presseeindrücke zur Show hat Sebastian Wenzel gesammelt.

Peer Sylvester
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1 Kommentar

  • Das unterschreibe ich.

    Als Samstagabendsendung deutlich zu lang, langweilig und unmotivierend. Wirklich die beste Werbung für Raab. Die Sendung ist zwar auch zu lang, baut sich aber einen Spannungsbogen über die gessamte Sendung (und mit der Gewinnsteigerung sogar über mehrere Sendungen) auf.
    Die Spiele sind dort wirklich auf Fernsehtaglichkeit optimiert, eben auch die Brettspiele (Jenga, Wikingerschach, Kartenspiele etc). Der wichtigste Punkt ist aber, dass dabei der Spaß und Spannung vermittelt wird und nicht nur die Teilnehmer, sondern auch der Zuschauer sofort hineingesogen wird.

    Als Verfechter der Brettspiele in der deutschen TV-Landschaft taugt dieses Konzept wenig. Aus den im Artikel genannten Gründen.
    Vielleicht passt auch einfach das Konzept der Samstagabendshow nicht zu der familiären Atmospäre unseres Lieblingshobbys. Ich glaube gerade das schätzen viele an Tabletop: Die Ungezwungenheit aller Teilnehmer, eine freundlich warme Atmospäre, keine Riesenbühne mit Effekten, ein sympatischer Moderator, Gäste die sich begeistern können und natürlich schöne Spiele.

    Mal sehen inwieweit das ZDF nachbessert. Die Quoten sind mit 4,6 Millionen im Schnitt gar nicht mal so schlecht…