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Ersteindrücke abseits des Mainstreams

Ein kluger Mann hat mal (sinngemäß) gesagt: „In der heutigen Zeit kommen so viele Spiele heraus, dass es eigentlich die Aufgabe von Journalisten wäre, gerade die unbekannteren Spiele nach Schätzen durchzuflöhen.“

Ich bin nun kein Journalist, aber ich schreibe dennoch mal ein paar Eindrücke von ein paar Spielen abseits den Mainstreams, die in letzter Zeit so auf meinem Tisch landeten:

Rifugio (Niels Ramon Pieterse bei NRP Games): Spieler ziehen ein Landschaftsplättchen (gerne auch aus der Auslage) und legen es an und dann wandern sie auf der so entstehenden Auslage umher, um bestimmte Sehenswürdigkeiten zu finden. Oder sie bauen Hütten – wer die besucht, gibt dem Besitzer zwar Siegpunkte, erhöht aber seine Bewegungsreichweite. Und das ist gut, denn es gibt einen satten Bonus für das Besuchen von „Sets“ von Sehenswürdigkeiten (z.B. alle Tiere). Das Spiel ist nett, fast schon „Old School“, die Graphik ist sehr charmant und erhöht den Spielspaß. Ein bisschen Taktik ist dabei, insbesondere beim geschickten Anlegen der Landschaftsplättchen. Aber es gilt das Cannes-Prinzip: Wer die Position der wichtigen Teile bestimmen kann, ist besser dran, als wer hinterherläuft. Die Partie machte allen Spaß, aber ich bezweifle, dass hinterher jemand losgegangen ist, um sich das Spiel zu besorgen. Es dürfte aber mit weniger Spielern fast besser sein, da der eigene Einfluss größer ist.

The Agents (saar Shai im Eigenverlag): Noch ein Spiel, dass zu dritt vermutlich besser gewesen wäre… Aber das macht nix, denn es war auch so gut! Der Kniff: Jeder hat mit seinen beiden Nachbarn jeweils eine gemeinsame Auslage. Normalerweise spielt man da eine Karte hin und muss sich dann entscheiden: Einer bekommt (dauerhaft) die Siegpunkte, der ander darf (dauerhaft) die Eigenschaften der Karte nutzen. Das ist knifflig, denn die Entscheidungen erlauben das Erfüllen von Auftragskarten, die ebenfalls Punkte bringen. Schön knifflige Entscheidungen, bei relativ einfachen Regeln – so mag ich meine Spiele!

Melee (Rikki Thata bei La Mame Games): Ja, äh, mmh. Vor dem Spiel wusste ich nicht, was ich davon halten sollte… Und nach zwei Partien bin ich immer noch nicht viel schlauer… Das Spiel geht schnell: Maximal 4 Runden, wobei wir immer schon früher fertig waren. Man hat ein bisschen Geld, um Truppen auszuheben (und in der Expertenversion kann damit auch ein Vorteil gekauft werden). Dann entscheiden alle geheim und gleichzeitig was sie machen: Bewegen (und damit angreifen), Geld nehmen oder Truppen kaufen. Herzstück ist das Kampfsystem: Man „bietet“ geheim eine Geldmenge (min. 1) und der Angegriffene rät, wieviel Geld geboten wurde. Rät er falsch, war der Angriff ergolfreich, sonst nicht (und der Angreifer ist futsch). Geld ist in jedem Fall weg. Da das Geld offen ist, klappt das besser als erwartet. Natürlich ist es ein „Ich denke, dass er denkt…“-System, aber da man ohne Geld nicht angreifen kann, ist das Gerate keine völlig hirnfreie Angelegenheit und macht durchaus Spaß. Das Problem ist eher die Siegbedingung: Wer erfolgreich ein Schloss angreift (dort bekommt der Verteidiger 2 Rateversuche) gewinnt sofort. Und das mündete bei uns in Alles-oder-nichts-Angriffe: Ob man schnell versucht den Gegner zu überrumpeln oder am Ende angreift: Entweder gewinnt man mit dem Angriff oder man verliert und hat dann meistens mangelns Geld (und Zeit) kaum eine Chance auf den Sieg – es sei denn alle anderen scheitern ebenfalls. Das ist doch letztlich unbefriedigend und ich habe das Gefühl, man hätte mehr aus dem Spiel herausholen können.

Das Labyrinth des Pharao (Mark Sienholz bei Krimsu): Das Spiel ist schon etwas älter und ich habe es auch vor einiger Zeit gespielt – aber nie darüber berichtet. Das will ich kurz nachholen, denn es ist durchaus sehr ordentlich! Dieses Spiel gehört in die Gruppe der Take-it-Easy-Spiele: Es werden Karten aufgedeckt, die alle anlegen müssen. In diesem Fall soll ein möglichst langer Gang gebildet werden, der zudem an möglichst vielen komplett eingemauerten Schatzkarten entlang führt. Bei solchen Spielen ist es wichtig, dass die Spannung lange erhaltenbleibt und die Spieler sich zwar nicht sicher sein dürfen, was passiert, aber dem Zufall auch nicht komplett ausgeliefert werden. Das ist in meinen Augen hier geschehen. Man sieht immer welche Richtungen für den Gang grundsätzlich möglich sind und wo es sich nicht lohnt zu kämpfen, weil es da eh niemals mehr hingehen kann. Für mich erfüllt es daher das eben genannte Kriterium komplett und ich kann das Spiel durchaus empfehlen, wenn man Take it Easy, Don Quixote & co mag.

Tragegy Looper (BakaFire bei Z-Man): Ich war selten bei einem Spiel so nervös, wie bei diesem Spiel. Der Grund: Die Regeln sind schon irgendwie einfach, aber wie alles überhaupt zusammenpasst und wie man überhaupt spielt – das war mir alles andere als klar. Tragedy Looper ist anders und damit nicht gerade Hausmannskost. Schon das Setting ist ungewöhnlich: Drei „Protagonisten“ spielen gegen einen „Mastermind“. Letzterer muss ein Ziel erreichen um zu gewinnen (dazu gibt es mehrere Möglichkeiten). Die Protagonisten wissen aber nicht welches, geschweige denn, wie der Mastermind das erreicht. Daher werden sie scheitern. Der Kniff: Nach dem Scheitern reisen sie per Zeitreise in die Vergangenheit und haben einen weiteren Versuch. Quasi verlieren sie ein „Bildschirmleben“ und beginnen von vorne. Aber natürlich nicht ganz von vorne: Sie wissen ja zumindest wie die Spielfeldsituation aussah, als sie verloren haben und können diese Information nutzen, um es besser zu machen. Natürlich haben sie nur eine begrenzte Anzahl an Versuchen – sind die ausgebraucht hat der Mastermind gewonnen.

Fast alles bei diesem Spiel ist geheim oder verdeckt: Die Ziele, die beteiligten Personen, die Spezialfähigkeiten des Masterminds, der zudem seine Karten verdeckt spielt. Das macht die Einstiegshürde so hoch und tatsächlich brauchten wir die Probepartie, um herauszufinden, wie das Spiel funktioniert und vor allem, wie die Protagonisten überhaupt Informationen sammeln und schließen können. Dasselbe gilt auch für den Mastermind: Auch ich musste als „Böser“ erst einmal ausloten, wie ich mein Ziel erreichen kann, wie ich sinnvoll spiele und bluffe und auf was ich achtenb muss (Ich hatte es durchaus fast schwerer, denn ich konnte mich ja nicht mit irgendjemanden abstimmen). Wir spielten aber gleich ein weiteres Szenario und es lief deutlich besser. Zum einen war das wirklich ein Spiel mit Diskussionen, Taktiken und viel Stimmung und Athmosphäre und vor allem Gehirnschmalz. Zum anderen sah ich viele Möglichkeiten, wie man noch viel, viel besser spielen kann, wenn man etwas routinierter ist (leider sind die wichtigen Infos auf drei verschiedene Quellen verteilt: Das Szenariobuch, eine Szenariokarte und eine Spielübersicht. Als Anfänger muss man als Mastermind ständig alle drei konsultieren und vergisst da schnell etwas oder verliert das Geschehen auf dem Brett aus den Augen).

Ich denke Tragedy Looper hat das eingehalten, was ich mir davon versprochen hat: Ein absolut einzigartiges Setting und spannende (und ungewöhnliche) Deduktion. Aber es ist absolut kein Spiel für jedermann. Es braucht eine regelmäßige Runde, die sich auf das Spiel einlässt (wir haben an den beiden Szenarien über 3 Stunden gespielt) und die nicht davor zurückschreckt viel zu Debken und ein halbes Dutzend Dinge gleichzeitig zu beachten. Das Thema funktioniert absolut und fühlte sich schon fast „Rollenspielmäßig“ an. Ich war angemessen beeindruckt!

 Deep Sea Advcnture (Jun Sasaki von Oink Games) Noch ein japanisches Spiel, aber die beiden Spiele könnten unterschiedlicher nicht sein: Deep Sea Adventure ist ein kleines, minimalistisches Würfelspiel mit einem Cant-Stop-Mechanismus, der aber endlich mal nichts mit dem großen Vorbild zu tun hat. Man würfelt einen Pfad entlang und kann das Zielfeld aufsammeln – dafür gibt es u.U. Siegpunkte und zwar je mehr, desto weiter man schon fortgeschritten ist. Das Problem: Zum einen verringert jedes gezogene Teil die Würfelweite um 1. Zum anderen kostet jedes Teil Sauerstoff und der ist begrenzt. Und vor allem gibt es einen gemeinsamen Vorrat für alle – also kann man auch ohne Teil ersticken, wenn die anderen zu viel tragen. Man muss sich schon genau überlegen, wie weit man sich vorwagen will und wie viel man sich für den Rückweg auflädt und in unserer ersten Runde sind alle gnadenlos erstickt. In der zweiten gelobten wir Besserung und sind dennoch erstickt. In der dritten schaffte es einer und gewann. In der zweiten Partie lief es dann besser. Ein nettes Absackerspiel, dass auch Nichtspieler begeistern dürfte!

ciao

peer

Peer Sylvester
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