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Nein Danke!

Angenommen, ein aufstrebender Jungautor (oder ein gealteter Autorenstar auf der Suche nach einem Comeback) möchte einem Verlag seine Prototypen zeigen. Wichtig ist natürlich das Genre des Spieles. Das sollte zum Verlag passen. Und mit wenigen Ausnahmen gibt es auch eine ziemliche Negativliste von Spielen. Wenn man Nischenspiele die ihre eigenen Verlage haben (z.B. Rollenspiele oder Cosims) einmal ausklammert, so dürfte das Ende der Interessenliste der Verlage in etwa so aussehen:

93.: Versteigerungsspiele

94.: Sportspiele

999: Sammelkartenspiele

(Liebe Verlage: Korrigiert mich ruhig, wenn ich mich irre. Denn das tue ich bestimmt. Schon allein, weil ich bestimmt Genres vergesse).

Was ist das Problem mit diesen Genres?

Versteigerungsspiele: Interessanterweise gab es in den 90er Jahren eine ganze Menge Versteigerungsspiele und einige davon (z.B. Kuhhandel) gelten als Klassiker. Dennoch winken die Verlage ab, wenn sie das V-Wort hören. Selbst wenn es keine übliche Versteigerung ist, sondern ein ungewöhnlicher Bietmechanismus. Ein Grund sind sicherlich schlechte Verkaufszahlen. Aber darüber hinaus haben reine Versteigerungsspiele einfach einen schlechten Ruf: Sie gelten als abstrakt und vor allem als mathematisch-verkopft. Das sicherlich nicht zu Unrecht, denn es geht ja darum, einen guten (Höchst-) Preis für ein Ding zu berechnen. Wirtschaftsspiele sind aber ebenfalls nicht gefragt – offensichtlich will ein großer Kundenkreis keine Berechnungen anstellen. Hinzu kommen vermutlich noch zwei Faktoren: Einmal sind Versteigerungen selten Einsteigerfreundlich, denn gute Berechnungen sind oft nur mit Spielerfahrung möglich und zum anderen bieten Versteigerungen oft wenig nivellierende Faktoren: Schlechtes Spiel wird oft hart bestraft. Das passt nicht zur modernen Familienspielkultur, wo alle bis zum Schluß Gewinnchancen haben. Aber der Hauptgrund ist wohl: „Verkauft sich nicht“ (Andererseits: Wann kam das letzte vielversprechende Versteigerungsspiel heraus? Vielleicht geht es ja doch, wenns gut gemacht ist…)

Sportspiele: Mit der Ausnahme von Rennspielen haben Sportspiele einen großen Nachteil: Die Dynamik eines Sportes lässt sich kaum auf ein normales Brettspiel übertragen. Die Unwägbarkeiten eines Wettbewerbes können eigentlich fast nur durch Zufallsfaktoren oder durch Geschicklichkeitselemente simuliert werden und nicht selten ist da zudem ein umfangreiches Regelwerk notwendig – zusätzlich zu dem des Sportes! Wer aber einen Sport simuliert haben möchte, der kann einfach zur Videospielkonkurrenz greifen, wo die Simulation samt Dynamik und Regelkunde einfacher und besser abläuft. Natürlich gibt es Ausnahmen (Street Soccer, En Garde, Finale…) aber in den meisten Fällen ist der Sport auf den taktischen Aspekt abstrahiert und das spricht eben eher Spieler an, als die Fans der Sportart. Spieler sind aber (was man von Verlagen so hört) nicht unbedingt Sportfans und sind bei Sportverspieleungen nicht selten so kritisch wie bei Merchandising. Neben den Designproblemen fehlt hier schlicht also der Markt.

Sammelkartenspiele: Als Magic herauskam folgten gefühlt Tausende weiterer Sammelkartenspiele. Die Rollenspieleszene wurde schwer getroffen, denn (fast) jeder Rollenspielverlag machten lieber sein eigenes TCG („Trading Card Game“) als ein neues Quellenbuch. 20 Jahre später gibt es Magic immer noch und eigentlich so gar nichts von all den anderen (unter den Opfern durchaus vielversprechende Exemplare wie Jyhad (aus der World of Darkness – Rollenspielserie), Middle-Earth oder das kürzlich als Living Card Game reanimierte Netrunner). Aber die Abneigung von Verlagen gegenüber Sammelkartenspielen erschöpft sich nicht in „verbrannte Finger“, nein ein Sammelkartenspiel ist einfach das risikoreichste Genre der Brettspielwelt: Die Einstiegskosten sind enorm, denn es muss eine große Zahl von Karten gestaltet und vor allem auch ausbalanziert werden. Dann kann ein TCG nur funktionieren, wenn von Anfang an klar ist, dass das System über einen langen Zeitraum läuft, denn nur dann haben auch die Spieler Interesse und lust zu investieren – denn bei TCG müssen auch die Spieler bereit sein enorme Mengen an Zeit und Geld einzubringen (außer bei Magic ist das eigentlich nur bei Pokemon der Fall). Das bedeutet, dass man mindestens 3 Jahre lang weitere Karten zuschießt (wieder Kosten beim Graphik + Ausbalanzieren) und zudem ordentlich die Werbetrommel rührt, z.B. Turniere veranstaltet. Dazu muss ein Verlag schon SEHR von einem Produkt überzeugt sein. Das klappt allerhöchstens bei einer zugkräftigen Lizenz, wo die Zielgruppe entsprechend eingeschätzt wird (und selbst das ist keine Garantie – siehe Jyhad). Zusammengefasst kann man sagen, dass TCG mit die höchsten Einstiegskosten für alle Spielarten für einen Verlag bedeuten und gleichzeitig das Risiko enorm hoch ist, dass es floppt. Aus diesen Gründen wird sich an dem „Spitzenplatz“ der „Nein, Danke!“-Spiele für TCG in naher Zukunft nichts ändern… (Und ja, es gibt „Living Card Games“ , mit denen befasse ich mich aber ein anderes Mal!)

ciao

peer

 

Peer Sylvester
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3 Kommentare

  • zum Them Sammelkartenspiele:
    Pokemon? Das ist mit großem Abstand nur auf Platz 3. Auf Platz 2 im Kopf an Kopf Rennen mit Magic ist Yu-Gi-Oh!, aber das bekommt man dank fehlender Marketinginvestion von Konami kaum mit. Turnier mit 4-stelligen Teilnehmerzahlen haben die aber auch. In Europa und den USA.

    Ein Blick auf den Japanischen Markt lässt das anders erscheinen. Dort gibt es immer noch etliche Vitale TCGs. Und es kommen immer noch viele raus.

    Aber es stimmt. Außerhalb Japans wagt keiner mehr den Versuch ein TCG rauszubringen. Zuviel Vorkosten mit zu viel Risiko. Das LCG Model bietet sich da schon eher an.

  • Ah ja Yu-gi-Oh, mir war doch so, als ob da noch eines wäre… ;-) Aber ich denke auch in Japan wird es nicht mehr allzu viel Platz für TCG geben.
    In Thailand gab es zu meiner Zeit (wie es jtzt aussieht weiß ich nicht) „Ragnarok“, dass alle gespielt haben- aber das war eben auf Thai und stellt damit vermutlich eine Nische da. :-)

  • Das mit den Bietspielen halte ich für durchaus nachvollziehbar. Bis heute empfinde ich Bietmechanismen in den meisten Spielen als uninspirierte Notlösung. (Das war z. B. der Grund, warum ich mir Nieuw Amsterdam nie zugelegt habe). Wenn ich bloss an diese „Bietrunde“ am Rundenbeginn von Archipelago denke; wo man mit allen zur Verfügung stehenden Spielmaterialien bieten kann…
    Die rühmliche Ausnahme, die die Regel bestätigt, ist natürlich „Strassbourg“ von Feld. Ein ganzes Spiel auf eine einzige lange Auktion reduziert; und dann die Idee mit den Karten… das ist genial !