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Ausgeglichen

Bevor nur noch über potentiell interessante Neuheiten gesprochen wird, schnell noch zwei Gedanken zum Thema Ausgewogenheit in Spielen.

Und ja, ich weiß, dass Max Kobbert geschrieben hat, dass Spiele nie ausgeglichen sein können (womit er recht hat) und ja, ich habe vor 5 Jahren geschrieben, dass zu viel Ausgeglichenheit dafür sorgt, dass es egal ist, was man macht. Wenn ich hier über „Ausgewogenheit“ rede, dann meine ich, was eigentlich alle meinen: Dass die Spieler potentiell dieselben Siegchancen haben. Ein normalerweise als erstrebenswert ausgegebens Ziel (Ich erinnere mich an Imperium Romanum II, bei dem es sinngemäß hieß: „Ja, bei vielen Szenarien hat eine Seite einen klaren Vorteil, aber ein echter Spieler versucht eben auch als Underdog zu gewinnen.“ Das Spiel ist für mich aber kaum ein Vorbild in Sachen Spieldesign. Oder in irgendwas…)

Zwei Denkanstöße dazu: Lew Pulsipher wies einmal darauf hin, dass Spielbanace auch durch Spielerabsprache erzeugt werden kann – wenn etwa die Schotten bei Britannia als besonders stark gelten, dann werden die anderen Völker gemeinsam gegen die verteidigen und so. Ob Britannia ausgeglichen ist, weiß ich nicht. Die Aussage halte ich aber für falsch. Eine schiefe Spielbalance kann durch Spielerabsprachen kompensiert werden (so wie Auktionen ungleiche Karten o.ä. ausgegleichen können), sie bleibt dennoch schief. Denn das Ausgleichen klappt ja nur, wenn die anderen von dem Ungleichgewicht wissen und sich einigen wie man gemeinsam an welchem Strang zieht. Ein Beispiel: Angenommen es gäbe als Volk bei Britannia noch die „Aliens“, die immer gewinnen, wenn die anderen Spieler die nicht gemeinsam all ihre Einheitenaufwenden, um die zu stoppen. Ausgeglichen? Wohl kaum. Ausgeglichenheit muss es trotz Diplomatie geben, nicht aufgrund Diplomatie.

Der zweite Punkt ist kniffliger: Gibt es mehrere Fraktionen/Ausgangsstellungen etc. so können die vollkommen ausbalanciert sein und denoch verliert eine Partei immer – Warum? Weil sie sich schwieriger spielt als die anderen. Dies ist ein kniffliges Problem: Natürlich ist es OK, wenn Fortgeschrittene gegen Anfänger gewinnen. Wenn aber eine Position erst gewinnt, wenn man sich hier intensiv widmet, während die anderen Positionen offensichtlichere Strategien bieten (ein Problem, dass man bei einigen asymmetrischen Spielen beobachten kann), dann ist das Spielauf dem Papier vielleicht ausgeglichen, in der Praxis allerdings nicht. Im Prinzip gilt dasselbe wie bei Punkt 1: Ausgeglichenheit klappt nur, wenn die Spieler um die Probleme wissen. Das ist vielleicht sogar OK, kann aber schnell dafür sorgen, dass ein Spiel als vermeidlich unausgewogen in der Ecke landet. Das sollte man vermeiden…

ciao

peer

Peer Sylvester
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3 Kommentare

  • Moin Peer,

    schön finde ich hier deine Definition des Begriffs der „Ausgeglichenheit“, nämlich das es eben nicht darum geht, dass alle Strategien zwingend zu einem ähnlichen Ergebnis führen müssen.
    Das Problem der bewussten Asymmetrie allerdings wenn man darum weiß, sprich explizit in der Regel darauf hingewiesen wird, sehe ich nicht. Es gibt durchaus Spiele wo eben dies sogar den Reiz ausmachen kann.

    Was ich schade finde ist, dass du hier (bewusst oder unbewusst) die Begriffe „ausgeglichen“ und „ausgewogen“ mischt. In meinem Verständnis würde ich hier ausnahmsweise mal Haarspalterei betreiben und eben ausgewogen als die breite Masse an den heutigen Eurogames bezeichnen. Es ist ziemlich egal was man macht, das Ergebnis ist eh fast das gleiche. Sprich alles schon fast zu ausgewogen. Ausgewogenen also in Beziehung auf die Balance der Mechanismen/Strategien im Spiel, ausgeglichen in Bezug auf die gleichen Ausgangschancen.

    Wie siehst du das?

    Gruß Ben

  • Meine Definition von „Ausgeglichen“: Der Besser muss auf lange Sicht öfter gewinnen.
    Und je länger ein Spiel dauert, desto seltener sollten „Ausrutscher“ möglich sein.

    Ansonsten bin ich ganz bei dir!

  • Ich sehe die beiden Begriffe eher ziemlich ähnlich, bin aber wohl auch kein Germanist ;-)
    Ich sehe auch, dass viele Euros darauf hinauslaufen, dass man eh irgendwie alles machen muss und daher keine wirklich unterschiedlichen Strategien möglich sind (vielleicht ist Brügge deshalb so beliebt, weil dort extremeres möglich ist?). Ich sehe da auch einen Grund für die schnellere Rotation der Spiele: Da man wenig Spielraum hat, in eine ganz andere Richtung zu gehen, werden alle vom Spiel in dieselbe Richtung getrieben. Die Unterschiede zwischen den Partien sind eher gering, das schlägt auf den Wiederspielreiz. Ich bevorzuge Spiele, bei denen man komplett unterschiedliche Wege beschreiten kann (das ist z.B. auch bei Village der Fall, bei der man längst nicht alle Gebäude nutzen muss, um zu gewinnen).
    Das ist aber ein ganz anderes Thema :-)