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Und täglich grüßt der Stapel Ungespieltes

Ich bin neulich auf dieses Bild gestoßen worden. Und ich mochte sofort den bösen Charakter den es ausstrahlte und das verspielte, das es dem Medium Buch gibt. Wenn ich über so was stolpere überlege ich immer in wie weit dies auf Spiele übertragbar ist.

Es gibt natürlich Solo-Abenteuer-Spiele-Bücher wie die Einsamer Wolf-Serie oder der Hexenmeister vom Flammenden Berg und noch hunderte mehr. Das war vermutlich auch der Grund, warum ich dann in den späten 80ern voll in dieses Genre eingetaucht bin. Ein Buch, dass mir die Entscheidung lässt und das sich anders liest wenn ich andere Entscheidungen treffe war für mich als Teenager revolutionär. Aber wenn man nicht gerade stirbt ist das eigentliche Ende immer dasselbe und nur der Weg dahin kann unterschiedlich steinig oder spannend sein.

Ich dachte also weiter ob es sich auf Brettspiele und deren Design übertragen lassen kann. Und dann wurde mir klar: Das ist ein Konzept von den meisten Spielen. Das ist schon drin.

Und ich rede jetzt nicht von Sammelkartenspielen, wo ich erst einige Päckchen kaufen muss und jedes hat andere Karten. Ich meine fast jedes Spiel, welches von einem hohen Wiederspielreiz lebt. Wenn das Spiel immer gleich ausgehen würde wäre das doch schnell langweilig. Die verschiedenen Strategien die in Spielen stecken sorgen für ein immer anderes Erlebnis. Gerade das Spiel des Jahres 2012 Kingdom Builder hat dies zelebriert. Durch die verschiedenen Siegpunktkarten verliefen die Spiele und die nötigen Strategien immer komplett anders. Andere Gebäude wurden wertvoller und die Spieler mussten anders denken um das Beste aus dem Brett zu holen. Wer das Spiel nur einmal gespielt hat, kann sich mit einem anderen der es nur einmal gespielt hat genauso streiten, da die Spiele ja völlig anders verlaufen sind.

Die Autoren und Redakteure haben es da halt schwer. Auf der einen Seite versuchen sie ein Erlebnis zu erschaffen wie es Bücher und Filme generieren mit spannenden Wendungen und überraschenden Enden. Auf der anderen Seite will das Spiel ein weiteres mal auf den Tisch kommen und da neue Spannungen und Überraschungen generieren. Was ein Buch und ein Film oft nicht kann* und auch oft nicht will. Im Gegensatz zu Büchern und Filmen wollen und sollen Spiele immer wieder neu konsumiert werden. Es sei denn, der Autor wäre zufrieden mit einmal gespielt, und dann das nächste, weil eh kein Mensch schafft alle Spiele zu spielen. Das würde ich aber als Ausnahme abtun. Computerspiele versuchen es oft schon nicht mehr, sie wissen das sie nur einmal gespielt werden.

Wie aber den Wiederspielreiz aufbauen ohne ohne zu schwer oder zu komplex zu machen? Hier trennt sich ein Gutes von einem Mittelmäßigen Spiel.

  • Manche arbeiten mit Zufällen, da die Würfel immer wieder ein anderes Vorgehen bedeuten. Gerade Stefan Feld hat dies in den letzten Jahren ausgiebig exploriert.
  • Andere arbeiten mit einer Auswahl. Wenn ich in Agricola sieben ganz andere Karten auf der Hand habe, die ganz andere Strategien unterstützen ist das Spannend. Vor allem, wenn dauernd neue Karten dazukommen.
  • Es gibt auch die Gruppe der Partyspiele, welche vor allem von den Unterschiedlichen Persönlichkeiten der Mitspieler leben. Da diese oft mit wechselnden Gruppen gespielt werden ist auch hier nie ein Spiel wie das Andere.
  • Wieder andere arbeiten mit ausreichen vielen Entscheidungen, welche mit einer höheren Spielzeit zusammenfliessen. Das ist fast schon mehr Kunst als Handwerk. Einige Spieler bekommen Kopfschmerzen bei solchen Spielen, andere empfinden sie als die Krönung der Spieleschöpfung.

Brettspiele müssen mit dem feinen Unterschied leben, dass die Spieler ausreichend verwöhnt sind, dass sie immer mehr Wiederspielreiz wollen aber oft genug ohne es auch so oft zu spielen. Hier klafft eine Schere zwischen Anspruch und Realität. Auf der anderen Seite ist die große Gruppe der Nicht-Spieler die zu einem Monopoly greift. Sie wissen was sie erwartet. Es gibt keine Überraschungen und oft wird es nicht einmal das eine Mal konsumiert. Hauptsache es steht zuhause. Als Verleger schlage ich mich auf die Monopoly-Seite. Als Autor, Redakteur und Künstler auf die Erstere.

Es bleibt böse.

* Ausnahme die mir spontan einfällt, ist Die üblichen Verdächtigen. Der Film hatte die Schlüsselszene am Anfang des Film und wer den Film erneut sieht erlebt vieles unter anderen Gesichtspunkten. Toller Film. Los schaut ihn an, falls ihr das noch nicht gemacht habt.

Matthias Nagy
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5 Kommentare

  • Hallo Matthias,

    es gibt einige Filme, die beim zweiten Anschauen ganz anders sind, wenn man den „Clou“ kennt. Natürlich „Fifth Sense“ als vermutlich bekanntestes Beispiel, aber auch zum Beispiel „The Others“.

    Filme mit unterschiedlichen Enden bzw. Verläufen nach einer Schlüsselszene gibt es ebenfalls. Am bekanntesten ist vermutlich „Sie liebt ihn – sie liebt ihn nicht“ mit Gwyneth Paltrow. Am besten sind aber aus meiner Sicht die beiden sehr unbekannten französischen Filme „Smoking“ und „No Smoking“, die insgesamt 12 unterschiedliche Enden aufweisen.

    Leider gibt es die DVD meines Wissens bisher noch nicht in deutsch synchronisierter Version. Und da mein Französisch für solche Filme nicht ausreicht, besitze ich nur für diese Filme noch 1 VHS-Abspielgerät und 2 VHS-Videos von Fernsehmitschnitten, als sie mal im Dritten Programm liefen.

  • Es stimmt das es noch einige Filme gibt die beim zweiten Mal sich anders ansehen. Ich hatte das wohl nicht perfekt ausgedrückt. Ich meinte, dass die üblichen Verdächtigen beim zweiten Mal ein anders Ergebnis bringen. Wer sich alle Charaktere ansieht, ist sich am Ende nicht mehr so sicher, ob der präsentierte Keyser Söze, wirklich der richtige ist und nicht auch ein Helfer. Der Film fängt an mehr Fragen aufzuwerfen, weil ja alles erzählte auch Falsch sein kann.

    Der Vergleich zu Smoking/No Smoking ist allerdings hervorragend. Auf den Film hätte ich auch kommen müssen.