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Wie kommt der Titel an?

Hätte ich letzte Woche einen Kommentar zum Titel schreiben sollen? Soll ich jetzt noch einen schreiben? Ich glaube nicht. Es ist alles gesagt: Hanabi war die beste Wahl, zumindest unter den drei Nominierten (Für die Gründe kann man mein letztes Post und diesen Beitrag  nachlesen). Gäbe es den Kennerpreis nicht, wäre mein Urteil vielleicht anders ausgefallen. Neulich in der Spielwiese habe ich miterlebt wie „Normalos“ an das Spiel herangehen. Deren Fazit: „Ja schon interessant. Es kommt eben sehr auf die Betonung an, um dem anderen mitzuteilen, um welche Karte es geht“ Mal sehen wie es unter diesen Umständen um den Wiederspielreiz bestellt ist.

Damit sind wir schon beim Knackpunkt: Es kommt immer das Argument: Das Spiel ist zu ungewöhnlich /zu kompliziert / zu regellastig. Das wird ein Flop. Oder: Das Spiel ist zu trivial/zu bekannt, das interessiert keinen. Wie kann man herausfinden, ob das zutrifft? Verkaufszahlen helfen nur bedingt, denn man weiß ja nicht ob das Spiel auch gespielt wird. Persönliche Anekdoten sind schön und gut, aber die Mehrzahl von Anekdote ist nun einmal nicht „Datenlage“. Und Wenigspieler tragen ja schon per Definition keine Eindrücke bei Boardgamegeek ein.

Aber vielleicht ja bei Amazon. Immerhin gibt es dort eine Rezensionsmöglichkeit und Amazon bildet auch einen Schnitt. Sicherlich ist eine Untersuchung der Amazon-Noten nicht das letzte Wort in dieser Frage, aber die beste Möglichkeit, die mir einfällt. Zwei Dinge gilt es aber zu beachten:

1.) Selection Bias: Verheiratete leben überdurchschnittlich lang. Nicht weil die Ehe so gesund ist, sondern weil  Leute nur heiraten, wenn sie noch nicht gestorben sind, wenn sie volljährig sind. Die Untergruppe „Eheleute“  beeinflusst durch ihre Wahl bereits das Ergebnis. Das bedeutet „Selection Bias“. Für unsere Untersuchung bedeutet dies, dass ältere Spiele potentiell eine höhere Wertung haben, als neuere. Die Spiele, die noch verfügbar sind, sind es deswegen, weil sie beim Markt besser ankamen, als die Titelträger, die nicht mehr am Markt sind. Eine Aufstellung nach Jahrzehnten wird also (vermutlich) zeigen, dass die Spiele aus den 80er Jahren höhere Wertungen haben, als die aus den letzten 10. Nicht, weil jetzt schlechtere Spiele prämiert werden, sondern weil die schwächeren Vertreter nicht bei Amazon gelistet sind. Zudem weiß ein Spieler, der heute Sagaland kauft, was er kauft. Er kauft es nicht (oder selten) wegen des Titels, sondern wegen des Rufes. Also haben wir hier bereits eine ausgewählte Gruppe. Dasselbe gilt für den Kennerpreis: Wer den kauft, erwartet ein (etwas) kompexeres Spiel. Die Leute, die von Spielregeln leicht verwirrt sind, werden ausgefiltert. Auch hier erwarte ich (ohne es jetzt nachgeprüft zu haben) eine etwas höhere Durchschnittswertung als beim Hauptpreis. Eine enstprechende Frage („Was kommt besser an?“) ist nicht per Amazon-Wertung zu entscheiden.

2.) Es ist nicht das Ziel der Jury, dass ihr Spiel überall geliebt wird. Zumindest nicht wirklich – es soll ja die Spielkultur gefördert werden. Zwar darf der Titelträger nicht durchfallen und soll möglichst begeistern, aber es wäre diesem Zweck nicht gedient, bereits beliebte Spiele wie Activity, Top Trumpf oder ein Pokemon-Spiel in einer Neuauflage auszuzeichnen.

So aber genug der Vorrede. Hier die Titelträger seit 2000 mit mindestens 20 Bewertungen und deren Durchschnittswert, der Anzahl der Bewertungen und der Weight-Wertung bei BGG (Maß für die Komplexität, siehe Sebastians Analyse)

2000: Torres – Nicht genügend Bewertungen, Weight: 2,9
2001: Carcassonne: 4,7 mit 147 Bewertungen Weight: 2,0
2002: Villa Paletti – Nicht genügend Bewertungen W: 1,2
2003:Palast von Alhambra 4,3 mit 57 Bewertungen, W: 2,1
2004: Zug um Zug: 4,5 mit 76 Bewertungen, W: 1,9
2005: Niagara: 4,0 mit 62 Bewertungen, W: 1,8
2006: Thurn & Taxis: 4,0 mit 76 Bewertungen W: 2,3
2007: Zooloretto, 3,7 mit 55 Bewertungen, W: 1,9
2008: Keltis 3,8 mit 167 Bewertungen, W: 1,6
2009: Dominion 4,4 mit 258 Bewertungen, W 2,4
2010: Dixit 4,3 mit 178 Bewertungen W 1,3
2011: Qwirkle 4,6 mit 363 Bewertungen 1,7
2012: Kingdom Builder 4,2 mit 127 Bewertungen W 2,1
Für Hanabi ist es eigentlich noch zu früh, der Run auf den Titelträger hat noch nicht eingesetzt, die Zielgruppe ist nicht aktiv. Im Moment steht Hanabi mit 20 Bewertungen und einer Note von 4,4. Ich berücksichtige es dennoch nicht.

Wer hätte das gedacht? Qwirkle hat den zweithöchsten Schnitt UND die meisten Bewertungen! Selbst wenn man berücksichtigt, dass Amazon immer mehr Verbreitung findet (daher die deutlich gestiegende Rezianzahl ab 2008) ist das Ergebnis doch überraschend. Nicht zuletzt auch, weil es ja komplett abstrakt ist. Vielleicht sollten wieder mehr abstrakte Spiele gemacht werden, statt ein beliebiges Thema überzustülpen?
Die Liste führt Carcassonne an, was wohl nicht weiter überraschend ist – das Spiel gilt ja, als erfolgreichstes SdJ seit Siedler. Am unteren Ende liegen mit Zooloretto und Keltis auch nicht unbedingt die Kandidaten, die ich vermutet habe. Aber natürlich ist der Schnitt von 3,7 immer noch knapp an vier Sternen – ein richtiger „Durchfaller“ ist nicht unter den Preisträgern.

Besonders interessant ist natürlich die Verknüpfung mit der Weight-Wertung. Kommen einfache Titelträger besser an? Schlechter? Für beides gibt es Hinweise: Am schlechtesten schnitten Spiele mit niedrigerem Weight ab (davon gibt es aber auch viele). Die Spiele mit Weight über 2 bekammen allesamt (außer Torres) eine 4 vors Komma. Aber mit Torres und Villa Palletti fiel gerade das Spiel mit dem besten und das mit dem schwächsten Schnitt aus der Wertung.

Hier habe ich einmal die Weightwertungen (x-Achse) mit den jeweiligen Bewertungen in Beziehung gesetzt:

Sehen Sie eine Korrelation? Ich nicht. Offensichtlich spielt die Komplexizität eines Spieles keine Rolle – im Rahmen des üblichen Bereiches (1,3 – 2,4 in diesem Fall) jedenfalls. Eine -wie ich meine schöne Erkenntnis.

Zum Abschluss noch eine kleine Zahlenspielerei: Die letztes Jahr ebenfalls nominierten Eselsbrücke und Las Vegas kamen nur auf 15 (!) bzw. 57 Bewertungen – Kingdom Builder hat mit 127 also locker doppelt so viele wie die beiden anderen Nominierten zusammen. So viel zur Bedeutung des Hauptpreises.

Alle weiteren Analysen überlasse ich dem Leser!

ciao

peer

Peer Sylvester
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2 Kommentare

  • Hier kann man doch schön sehen, wie das Selection Bias zugeschlagen hat:
    Bei Amazon wird i. A. nur gewertet, wenn das Produkt gekauft wurde. Ein Produkt wird gekauft, wenn es sowieso für gut gehalten wird ODER wenn es billig genug ist, um es mal so nebenher in den Warenkorb zu schieben…
    Und dann gibt es auch noch den Effekt (kommt in der Spieleszene m. E. sehr oft bei limitierten Vorbestellspielen vor), dass gekaufte Produkte gut sein „müssen“, da man sonst ja zugeben müsste, etwas falsch gemacht zu haben! ;o)

  • Wobei mein Argument ist, dass viele Leute das SdJ kaufen, weil es das SdJ ist. Daher kann man die zumindest untereinander vergleichen – aber eben (wie du sagst) nur schwer mit anderen Dingen.