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Kreatives neues Jahr!

Das Jahr ist noch jung und da bin ich über einen alten Vortrag von John Cleese über Kreativität gestolpert. Der hat zwar rein gar nichts mit Spielen zu tun, aber irgendwie doch sehr viel mit Spiele erfinden. Da Cleese viele Dinge sagt, die man fast 1:1 auf das Erfinden von Spielen übertragen kann, will ich ein paar Kernpunkte herauspicken. Aber erst einmal den Vortrag selbst: Den gibt es hier komplett. Die wichtigsten Kernpunkte gibt es hier zusammengefasst.

Vielleicht die wichtigste Aussage ist, dass das Gehirn  im Prinzip zwei Stufen hat, den „offenen“ Modus und den „geschlossenen“ Modus. Ersterer ist sehr kreativ aber nicht konstruktiv, letzterer konstruktiv aber nicht kreativ. Als „kreativ“ geltende Leute haben nun gelernt besonders gut zwischen diesen beiden Moden zu wechseln. Es ist also nicht so, dass einige Leute per se kreativer als andere wären , kreative Leute können ihre Kreativität nur besser nutzen. Das entspricht auch den Aussagen von Prof. Wiseman (Psychologieprofessor in England) im Buch 59 Seconds, der meinte das Unterbewusstsein ist kreativ, wird aber vom logisch denkenden Teil mit unkreativenund halbgaren Lösungen niedergeschriehen. Daher muss man den unkreativen Teil für die Ideenfindung irgendwie ablenken, so dass das Unterbewusstsein Lösungen produzieren kann, die man dann anschließend weiterverarbeitet.

Das entspricht auch meinen Erfahrungen. Lese ich z.B. einen Artikel in der Spielbox über Panic Station, denke: „Hey so ein Spiel will ich auch machen“ und setze mich dann an den Schreibtisch mit dem Versuch auf Biegen und Brechen ein Spiel mit paranoider Grundathmosphäre aus den Boden zu stampfen, so kommt zwar was raus, aber das landet recht schnell wieder in der Tonne. Der Trick ist vielmehr sich erstmal „in Stimmung“ zu bringen und es so hinzubekommen, dass man frei assoziieren kann, Ideen durchspielt, auch wenn sie verrückt sind usw. Hat man dann ein paar kreative Ansätze, dann ist es geschickt in den Arbeitsmodus zu wechseln, um tatsächlich auch ein Spiel draus zu machen. Im offenen Modus ist man zwar kreativ aber nicht konstruktiv und ein Spiel hat viele Aspekte, die logisch erarbeitet werden müssen (Wobei ich in kreativen Phasen durchaus auch immer an Prototypen denke, die schon fast oder ganz fertig sind, denn manchmal fallen ein dann neue kreative Ansätze ein, die das Spiel verbessern können).

Wie man in den offenen Modus kommt ist natürlich eine recht persönliche Angelegenheit. Wichtig ist – wie Cleese erwähnt – das man sich selbst eine Ruhezeit schafft, in der man nicht befürchten muss, gleich wieder rausgeholt zu werden. Und noch wichtiger ist der dritte Punkt: Geduld: Man sollte sich genügend Zeit lassen, dass man auch nach der ersten Idee nicht aufhören muss, kreativ zu sein. Dann ist es wichtig (Punkt 4 ), dass man tatsächlich auch verschiedene Wege ausprobiert, auch Wege, die erst einmal unsinnig erscheinen. Deswegen immer mein Rat: Immer alles aufzuschreiben, was man an Ideen produziert. Manchmal kann man eine Idee auch wieder für ein ganz anderes Spiel nutzen, aber vor allem führt nach meiner Erfahrung allein die Beschäftigung mit „alten“ eigenen (vagen) Ideen in den offenen Modus – Ideen gebähren Ideen. Ja, da hat man viel Krams, den man nie umsetzen will oder kann, aber wer kreativ tätig wird, sollte nicht auf Effizienz setzen. Wenn aus 10 Ideen ein halbwegs fertiges Spiel wird ist das zumindest für mich schon eine ordentliche Quote :-)

Wie bereits gesagt: Wer rein konstruktiv rangeht und nur nach einer direkten Lösung sucht, wird aller Wahrscheinlichkeit etwas produzieren – aber kein Spiel das über das rein mechanische „Funktionieren“ hinausgeht. Das habe ich in der Vergangenheit bereits öfter angesprochen: Es ist nicht schwierig sich hinzusetzen und irgendwas mechanisches zusammenzukloppen. Aber ohne den offenen Modus wird das Ergebnis nichts sein, dass man -wenn man ehrlich ist – spielen würde, wenn es sich ein anderer ausgedacht hätte. Und die endgültige Messlatte ist immer: Ist der eigene Prototyp tatsächlich etwas, was ich spielen würde, wenn ich es mir gekauft hätte? Und das ist imho nur mit dem offenen Modus erreichtbar.

ciao

peer

P.S. Dixit Jinx wurde rezensiert.

Peer Sylvester
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3 Kommentare

  • Oh, doch, ich denke doch, dass kreative Menschen per Se kreativer sind, sie mehr und bessere Ideen als andere haben. Offenheit bezieht sich doch nicht auf die eigenen Ideen, sondern die Offenheit bezieht sich auch auf die Interessenlage. Wenn man sich geistig auf XY festgenagelt hat, kann man nicht mehr so kreativ sein. Wer beispielsweise nur Star Wars kennt, fällt es wahrscheinlich schwieriger, eine neue, geile Space Opera zu schreiben, die alle aus den Socken haut, als jemand, dessen Interessen breitgefächterter sind, der sich beispielsweise auch für Tiefseefische interessiert.

    Wahrscheinlich ist dir deine Panic Station-Look-a-like gescheitert, weil du ein Me-to machen wolltest. „Ich will auch mal.“ So etwas funktioniert nicht.

  • Als Ergebnis sind kreative Menschen natürlich kreativer – wenn man den Output misst. Wenn man den Weg berücksichtigt, sind erst mal nur relativ wenige Unterschiede erkennbar (so zumindest die psychologische Fachliteratur zum Thema ;-) ). Und ich habe nicht wirklich ein Panix-Station-Spiel gemacht oder versucht, war nur ein Beispiel :-)

  • Nur wenige nutzen den Weg durch fast unpassierbare Wildnis, wenn sie doch den gut gepflasterten Wanderweg nebenan haben.