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Wir zwei sind auch ne Crowd – Part 3 (Zugabe!)

OK, um alle Leute, die sich für das Thema „Crowdfunding“ nicht interessieren endgültig abzuschrecken, gibt es noch einen Bonus-Teil. Ab nächste Woche gibt es dann wieder den üblichen Kessel Buntes. Und vielleicht mag sich ja der eine oder andere mit der neuen Strasbourg-Rezi trösten.

Abschließend -jetzt wirklich – in dieser kleinen Reihe wollte ich noch ein paar Dinge für alle loswerden, die gerne selbst eine Kamapgne machen wollen. Wohlgemerkt aus User-Sicht. Gerhard Juncker hat bereits seine Erfahrungen aus Projektstartersicht online gestellt.

Als erstes ist es natürlich wichtig zu zeigen, was man zu bieten hat. Zwar sind auch schon nichtssagende Projekte mit tollen Werbevideos erfolgreich geworden, aber diese Erfolge  werden abnehmen, wenn die potentiellen Käufer Kickstartererfahrener werden. Wichtig finde ich vor allem zweierlei:

1. Es muss einfach sein, einen Überblick über das Spiel zu bekommen.

Ich hab schon Projekte gesehen, aus denen nicht einmal ersichtlich ist, für wie viele Spieler das Spiel eigentlich ist. Bei anderen bekommt man das Regelheft nur als Backer, 1-2 besonders mutige Pioniere hatten „ein PDF-File der Regeln“ sogar als Funderlevel für 10$ im Angebot… Nein, so nicht, meine Herren! Da ich keine Probepartie wagen kann und Rezis normalerweise auch Fehlanzeige sind, möchte ich schon noch die Regeln sehen, um mir ein Bild zu machen. Und das sollte mir auch nicht allzu schwer gemacht werden, also möglichst ein Link in der Beschreibung oder gleich ein Abdruck (dabei können sich durchaus Details später noch ändern, aber grundsätzlich sollte das Spiel ja schon stehen, sonst ist es für eine Kampagne eh zu früh).

Was das Video betrifft, gilt ähnliches: Es sollte mir einen Einblick vermitteln, um was es geht. Und ich möchte keine dreistündigen Tutorials nebst Philosophie des Autoren zu Gott und der Welt durcharbeiten müssen – wie in Essen auch sollte mich der Verlag innerhalb von 5 Minuten überzeugen können, einen zweiten Blick auf das Projekt zu werfen. Es gibt zu viele Projekte, als das ich mich mit jedem interessanteren Projekt stundenlang beschäftigen könnte.

2. Ich muss wissen, was ich eigentlich bekomme

Das klingt trivial, aber es ist erstaunlich wie wenig Projekte klare „Funding Level“-Beschreibungen haben. Hey, Projektmacher, Ihr wollt etwas von UNS! Macht es uns nicht so schwer herauszufinden, was wir dafür bekommen! Das hängt natürlich auch mit Frage 1 zusammen, hat aber noch mehr Fallstricke. Das Wichtigste: Der Großteil der Leute, die“Backen“, wollen das Spiel. Daher sollte das auch der wichtigste Level sein- darüberhinaus kann man noch Luxusversionen u.ä. anbieten, aber abgespeckte Versionen oder gar Erweiterungen ohne Grundspiel oder T-Shirts ohne Spiel oder ähnliches machen wenig sinn. Ebenso übrigens wie  die meisten „Absoluten Luxus-Level“. Sind die eigentlich nur als Gag da oder was? Ich finde es eher unseriös, wenn der Co-Autor für 1800$  einen Blick auf die Prototypen wirft (Hey, ich tue das auch gerne schon für 1000$!) oder die Verlagsarbeiter für 15.000$ zum Geburtstagsspielen kommen. So ein Krams ist nur Füllstoff und erschwert mir, das zu finden, was ich eigentlich will: Das Spiel. Wenn ich runterscrollen muss, um zu wissen, wieviel das kostet, bin ich schon genervt und damit ein klein wenig weniger gewillt, Geld auszugeben.

Unübersichtlich wird es oft durch die Stretch-Goals: Wenn x Geld zusammenkommt, gibt es neue Backing-Level, was die Sache verkompliziert. Ich bin vermutlich in der Minderheit, aber mir wäre es prinzipiell lieber, wenn das Geld direkt in das Spiel fließt (also bessere Graphik, besseres Material etc) als wenn davon eine Erweiterung oder sonstiger Schnickschnack finanziert wird, der dann extra gekauft werden muss. Dann habe ich nämlich erschreckend wenig davon, dass der Verlag sein Zwschenziel erreicht hat. Außerdem muss ich dann meinen Fundinglevel ändern, was umständlich ist. Und wie bei jedem Verkauf gilt auch hier: Man sollte es dem Kunden so einfach wie möglich machen, Geld auszugeben. Wer nachdenkt, spart nämlich… :-)

Was Porto betrifft: Grundporto sollte immer im Backer-Bereich enthalten sein, wenn es auf einen anderen Kontinent geht, addiert man eben ein paar Dollar. Verwirrend wird es, wenn Porto nachträglich extra bezahlt werden muss (doch, doch, das gibt es tatsächlich) oder wenn der Backer sein Porto selbst berechnen muss (das auch, gerade bei vielen Stretch Goals, die erreicht wurden). Und eine Abholmöglichkeit in Essen ist gerne gesehen und erhöht die Backing-Chancen nach meiner Erfahrung enorm.

Darüber hinaus ist es auch schön zu wissen, warum das Projekt per Crowdsourcing finanziert werden soll und warum man nicht den normalen Weg über einen Verlag geht. Bzw. Warum der Verlag das Spiel nicht regulär finanziert – so lassen sich Vorwürfe, man würde nur die Werbung nutzen, vermeiden. Allerdings ist es kontra-produktiv in die Beschreibung reinzuschreiben, dass das Spiel auch veröffentlich wird, wenn es nicht finanziert wird (Hallo, Minion Games!). Irgendwie fehlt dann die Motivation…

Auch sollten allzu hohe Finanzierungsziele soweit möglich vermieden werden – Kunden schätzen die Chance ab, dass ein Projekt erfolgreich ist, bevor sie „backen“. Und wenn 100.000$ erreicht werden sollen sind mehr Leute abgeschreckt, als wenn nur 1000$ erreicht werden muss. Also lieber knapp kalkulieren und das Spiel ggf. mit Hilfe der Stretch Goals aufhübschen. Hier liegt ja auch die eigentliche Stärke des Crowdfunding aus meiner Kundensicht.

Wenn man vorhat irgendwann noch ein weiteres Projekt einzustellen, dann ist es damit nicht getan, sondern es gibt noch zwei weitere Punkte, die man beachten sollte, damit die Kunden auch irgendwann wiederkommen:

Transparenz

Was passiert gerade mit dem Geld? Wo bleibt mein Spiel? Es kann immer sein, dass sich etwas verzögert. Gerade wenn im Ausland produziert wird, ist dies eher die Regel als die Ausnahme. Das ist auch OK, so lange man den Kunden darüber informiert. Wenn der monatelang nicht weiß, woran er ist, kommt er nicht wieder. Darüberhinaus stärken Updates auch die Kundenbindung. Tasty Minstrel z.B. sind nicht umsonst so erfolgreich im Crowdfundingbereich (und das trotz der hohen Portokosten nach Europa)!

Ehrlichkeit

Das Wichtigste. Wer Verspechungen macht, die er nicht hält, wird kein zweites Projekt mehr auf die Beine bekommen. Das gilt nicht nur für ambitionierte Zeitpläne oder begeisternde Spielbeschreibungen, sondern auch für Dinge wie „Exklusivität“. Wenn ich ein Spiel zwei Wochen nach Erhalt in einem Webshop für den halben Preis sehe, den ich bezahlen musste, habe ich mein letztes Projekt für diesen Verlag gebacked. Und wenn exklusive Goodies drei Monate später in den Handel gelangen, ist das vielleicht kein Beinbruch, hinterlässt bei mir aber einen schalen Geschmack im Mund. Angelogen werden mag ja niemand. Dann lieber ehrlich sagen. dass die Goodies umsonst sind oder schneller beim Kunden als über die üblichen Kanäle.

Soweit so gut. Garantiert habe ich Hunderte von Dingen vergessen, aber irgendwie muss man ja auch anfangen…

ciao

peer

 

Peer Sylvester
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1 Kommentar

  • Hallo Peer,

    bestimmt werden mir zum Thema Crowdfunding die Kommentare auch irgendwann ausgehen. Doch bevor es soweit ist, noch dieser:

    Einerseits soll die Präsentation des Spiels einen „fertigen“ Eindruck vermitteln: der Projektstarter meint es ernst damit, steckt sogar eigenes Geld hinein. Und die Supporter möchten wahrscheinlich auch wissen, was sie für ihre Unterstützung erhalten. Andererseits löst das eben auch das besagte Glaubwürdigkeitsproblem aus: wenn der Projektstarter es „so“ ernst meint, dass das Spiel auch bei nicht erfolgreichem Crowdfunding trotzdem veröffentlicht wird.

    Doch wo zieht man da in der Vorbereitung und Planung die Grenze?

    Kann das Spiel auch als Prototyp vorgestellt werden, der zwar ausgetestet aber nicht (komplett) gestaltet ist? Oder sogar zu einem noch früheren Zeitpunkt? Ich meine, ja. Dafür sollte zum Ausgleich aber ein möglichst bekannter Autor bzw. Verlag hinter dem Projekt stehen, der für den noch fehlenden Teil quasi mit seinem Namen einsteht. (Ob das Spiel bahnbrechend Neues bietet, lässt sich ja nur erahnen.)

    In meinem Fall war es bspw. so, dass ich noch keine – finale – Coverillustration hatte (und auch immer noch nicht habe). Hätte ich das explizit sagen müssen; oder war es ausreichend, einfach „nichts“ in die Kamera zu halten? Spielplan und Spielmaterialien waren (und sind) ja fertig gestaltet gewesen. Als Autor habe ich zudem noch keine Veröffentlichung vorzuweisen, was das einstehen mit dem Namen sicherlich erschwert hat. Aber (erfolgreiche) Debüts gab und gibt es ja immer wieder. Darum glaube ich, dass es daran nicht lag, dass es bei mir nicht gereicht hat.

    Gerade damit sich Autoren – gleichgültig ob bekannt oder nicht – künftig wagen können, eines ihrer Spiele auf einer solchen Crowdfunding-Plattform „unfertig“ zu präsentieren, wäre es wichtig zu wissen, wie viel Ausgestaltung die potenziellen Supporter erwarten … Im Normalfall kennt man ja die Videos der handgemachten Prototypen und weiß genau, ok, da werden noch feine Illustrationen dazu gemacht und dann ist das mal (zumindest optisch) ein tolles Spiel. Und der Verlag wird sich schon darum kümmern, dass es auch spielerisch überzeugt. Das spannende daran ist und wird sein, ob die Finanzierung dieser Aufgabe(n) künftig verstärkt die Supporter sprich „die Käufer“ übernehmen wollen – und per Crowdfunding so zum Mitgestalter werden …

    Ach, und danke für deine äußerst gehaltvolle Zugabe! :-)

    Dreiteilige Grüße
    Gerhard