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Der Zweck heiligt die Mittel?

Früher konnte man ein einigermaßen gutes Gewissen haben, wenn man sagte: „In der Spieleszene werden Spielideen nicht geklaut, man muss keine Angst haben“. Heute kann man das Anfängern auch noch sagen. Was etablierte Spiele betrifft, hat sich der Wind allerdings leicht gedreht, wie man an drei jüngeren Beispielen sieht (Kunterbunt/Dobble lasse ich mal außen vor, da ich da eher von einer Paralellschöpfung als von Absicht ausgehen. Ich habe mich hier mit dem Fall beschäftigt) :

1.) Das erste Beispiel passt auf den ersten Blick nicht unbedingt, aber bald ergibt sich ein Muster: Ruhm für Rom erschient kürzlich in diversen Ländern, u.a. in Deutschland. Uchronia ist nun fast dasselbe Spiel mit minimalen Änderungen und wurde als „besseres Ruhm für Rom“ angekündigt. Nun kann man sagen: Wenn der Autor (Carl Chudyk) sich quasi selbst kopiert und dasselbe Spiel zwei Verlagen anbietet, hat das nichts mit Plgiaten zu tun. Das ist aber nur zum Teil richtig. Zum einen ist Chudyk anscheinend nicht der einzige Autor. Zum anderen ging es anscheinend speziell darum, gerade so viel zu ändern, dass die beiden Spiele hinreichend unterschiedlich sind. (Die Darstellung von Ed Carter findet sich hier (englisch), leider keine Gegenseite).

2.) Full Métal Planéte ist was man als „Kultspiel“ bezeichnen könnte. Es gilt als hervorragendes Spiel und anders als bei anderen Kultspielen  wird es keine Neuauflage geben, weil sich die Autoren untereinander zerstritten haben. In die Bresche springt jetzt der TV Verlag mit Autor Rainer Habekost (Händler von Full Metal Teilen, also ein Spezialist für das Spiel). Der hat das Spiel TF 22 angekündigt und das macht aus seiner Verwandschaft keinen Hehl. In der Ankündigung heißt es „At its core,TF22 is the same as Full Métal Planète, but a review of the rules shows enough differences to consider it a reimplementation of that design. (Hervorrehebung von mir)“ Auch hier geht es also wieder darum, „genug“ zu ändern, um ein eigenständiges Spiel vor sich zu haben. Ob das gelungen ist, kann ich nicht beurteilen, hier wird darüber gestritten, ob es zu 85%, 90% oder 95% dem Urspiel entspricht (ebenfalls englisch). Eine interessante Variante ist die Rechtfertigung -auch einiger Spieler – dass eine solche Kopie schon irgendwie Ok ist, da das Urspiel ja nicht mehr verfügbar wird. Das mit so einer Argumentation das Recht des Autoren über sein Werk zu bestimmen (und eben auch zu entscheiden es nicht mehr zu veröffentlichen) mit Füßen getreten wird, liegt auf der Hand. Und warum eine solche Argumentation zumindest kurzsichtig ist, zeigt der nächste Fall:

3.) Das Spiel Packeis am Pol hat zwei Autoren, die sich dafür entschieden, die Lizenz für die russische Variante nicht (mehr) an Zvezda (in Deutschland nennen die sich Sirius und werden von Hutter Trade vertrieben) zu vergeben (siehe Nachtrag 1). Nach dem Motto „Wir können das Spiel leider nicht mehr liefern, da die Autoren das nicht wollen und daher machen wir unsere eigene Version, die gerade genug abweicht“ (kein Zitat, aber nicht weit von der Wahrheit entfernt) brachte der Verlag seine eigene Version heraus und verwendet exakt dasselbe Argument wie in Fall 2. Die Änderung in diesem Fall: Ein Hai, der zufällig Schollen frisst. Auswirkungen auf den Spielverlauf: Sehr gering.

Wie oben versprochen ergeben die Fälle ein Muster: Es handeln sich jeweils um erfolgreiche Spiele (Neulinge brauchen also nach wie vor keine angst zu haben, ihren Proto an einen Verlag zu geben), es wird immer explizit auf die Vorlage verwiesen (so dass es unstrittig ist, dass es ums nachmachen ging und es sich nicht um Parallelschöpfungen handelte) und es wurde immer versucht das Spiel leicht abzuwandeln.

Generell ist es natürlich immer eine Frage, ab wann ein Spiel mit anderen Regeln als eigenständiges Spiel gilt. Für mich ist hängt es am Spielgefühl: Wenn die Regeln ähnlich sind UND das Spielgefühl ist identisch, sind die Spiele nicht wirklich unterschiedlich (kleine Regeländerungen können ja große Wirkungen haben). Insbesondere ist der Kernmechanismus interessant – ist der gleich geblieben, ist es mit hoher Sicherheit ein Plagiat. Nun sind alle drei Fälle ja gerade so umgebaut, dass das Spielgefühl und das grundsätzliche Regelgerüst unangetestet blieb – darum ging es ja. Die Regeländerungen fallen da bestenfalls unter „Bearbeitung eines Werkes“ ergeben aber kein neues Werk. Wie man es dreht und wendet: Das ist ein Verhalten, das man verurteilen muss. Alle Autoren entscheiden über ihr Werk, nicht ein einzelner, nicht der Verlag und auch nicht Vox Populi.

Das eigentliche Problem geht aber tiefer: Im Zeichen der Internationalisierung wird es solche Spiele noch häufiger geben. Der Wettstreit unter Verlagen ist härter   geworden und verlorene Lizenzen tun weh. Den Autoren sind die Hände gebunden – zu unterschiedlich (und unsicher) ist die Rechtslage in den unterschiedlichen Ländern, zu aufwendig ist es Rechtstreits im Ausland zu führen. Die Autoren sind hier tatsächlich praktisch hilflos.

Was kann man tun? Nun, da ist das Internet hilfreich und die Community, die doch unterm Strich altruhistisch eingestellt ist und durchaus einem Verlag mit derartigen Praktiken boykotieren könnte. Obs ausreicht darf aber bezweifelt werden. Mithelfen müssen die Verlage und Vertriebe die mit schwarzen Schafen nicht mehr zusammenarbeiten. Auch hier fehlen aber noch Strukturen und Selbstverpflichtungen. Doch wie soll das konkret aussehen?  Ich bitte um Vorschläge!

Nachtrag 1: Wie mir mitgeteilt wurde, war die Sachlage etwas anders, was anber unterm Strich nichts ändert. Hier die korrekte Darstellung: Zvezda ist der russische Betriebspartner von Phalanx. Die Autoren entschlossen sich das Spiel künftig an Fantasy Flight zu lizensieren (statt Phalanx). Und die haben einen anderen Vertriebspartner in Russland. Es ist aber nicht so, dass sich die Autoren bewusst gegen Zvezda entschieden hätten.

ciao

peer

 

Peer Sylvester
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8 Kommentare

  • Habe mal eine „Geeklist“ angefertigt, nachdem beim SAZ-Treffen in Göttingen das Problem heftig diskutiert worden war.
    http://www.boardgamegeek.com/geeklist/68755/plagiarism-games-very-similar-to-others

    Die SAZ ist im Übrigen seit einiger Zeit dabei, einen „Ehrenkodex“ zu erstellen, der hier zumindest eine Sensibilisierung befördern könnte.

    Aber aus bereits genannten Gründen (internationales recht, etc.) ist es sehr schwer, den genannten und ähnlichen Fällen beizukommen.

    Es geht glaube ich auch, am ehesten über die Kunden, d.h. Einzel- wie auch Online-Shop-Kunden, die solche Spiele (am besten gleich: Verlage) boykottieren.

  • Diese Entwicklung ist tatsächlich besorgniserregend, auch für die Verlage, welche ja Angst haben müssen keine Spiele mehr zu bekommen. Eigenverlage unterstützen dass ja.

    In wie weit fällt den der Fall da rein, wo Amigo die Lizenz für UNO verloren hatte und daraufhin das doch sehr ähnliche Solo ins Programm nahm? Das war vor etwa 18 Jahren.

  • Problem ist, wann ist ein Spiel schon eine Weiterentwicklung und wann eine blanke Kopie, damit ein Plagiat. Keine leichte Frage.
    Aber die Macher von Stromberg müssen jetzt auch ein Honorar an die Schöpfer von Office zahlen, weil es zu nah dran war am britischen Konzept. Aber Rechtssicherheit in Russland?

  • Wirklich neu ist das Problem nicht. Richtig ist, dass nur erfolgreiche Spiele betroffen sind. Man denke nur mal an all die Vier-gewinnt-Ausgaben oder die von Jenga – mittlerweile kann man diese Spiele als public domain bezeichnen.

    Ende der 90er Jahre gab es z.B. auch ein Plagiat von „Plitsch-Platsch-Pinguin“ von einer holländisch-chinesischen Firma, die damit sogar ToysRUs belieferte. Damals konnte ich als zuständiger Produktmanager bei Ravensburger mit Hilfe des Lizenzgebers und des Messeanwalts den Stand dieser Firma bei der Spielwarenmesse in Hongkong von diesem Plagiat räumen lassen. Bei klaren Nachweisen der Urheberschaft kann man sich also durchaus wehren.

    Neu ist, das nun auch Spiele betroffen sind, die sich eher an die Vielspieler-Szene richten. Der gegenwärte Boom an Verlagsgründungen vor allem im Ausland erinnert mich an die New Economy Zeiten um 2000 mit den entsprechenden unrealistischen Erwartungen an die Gewinne und den daraus folgenden Auswirkungen auf das Geschäftsgebahren.

  • @derdrei:
    Auch Bearbeitungen und Umgestaltungen bedürfen zur Veröffentlichung der Erlaubnis des Urhebers: http://www.gesetze-im-internet.de/urhg/__23.html
    (Google auch mal nach ‚Laras Tochter‘ der unautorisierten Fortsetzung des Dr.Schiwago-Romans)

    Ich sehe 4 unterschiedliche Fälle:
    1. Es ist das selbe Werk
    2. Es ist eine Bearbeitung des Werks

    3. Es ist von der Vorlage lediglich inspiriert
    4. Es ist ein völlig anderes Werk

    1. und 2. bedürfen einer Einwilligung, 3.und 4. nicht.
    Die Schwierigkeit besteht generell darin, zwischen 2. und 3. zu unterschieden, nicht zwischen 1. und 2.

    Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Hai-Version nach auf http://www.diced.ru veröffentlichten Angaben der (ehemaligen?) PR-Sprecherin von Zvezda auf den Markt gebracht wurde, um Bestellungen unseres Spieles zu erfüllen:

    „Das Spiel wird von unseren Käufern stark nachgefragt und wegen des Auslaufens des Vertrags mit Phalanx drohte uns die Nichteinhaltung unserer gegenüber den Käufern eingegangenen vertraglichen Lieferverpflichtungen in Bezug auf dieses Spiel.

    Da bestellten wir eine Bearbeitung des Spiels mit selber Thematik beim neuen Autor Sergej Djatschuk (Autor von Tatschki). Das Spiel bestellten wir mit genau dem gleichen Namen, aber mit kardinalen
    Änderungen. Im Spiel erschienen ein Würfel, ein Hai sowie ein Spielbrett. Somit ist dies zum heutigen Tag ein anderes Spiel und wir werden es in Russland vertreiben, vom juristischen Standpunkt
    ist der Vorgang absolut transparent und von einem Plagiat kann hier nicht die Rede sein.“
    (direkter Link: http://diced.ru/?control=pages&action=view_page&n=200 per Google lässt sich der Text einigermaßen verständlich übersetzen).

    Ich persönlich denke, dass die Änderungen nur kosmetischer Natur sind und es eindeutig ein Plagiatsfall ist. Aber unabhängig von dieser Frage macht das Beispiel deutlich, dass jeder Verlag und jeder Autor damit rechnen muss, dass Zvezda den Wechsel eines erfolgreichen Spiels zu einem anderen Verlag dadurch erschwert, dass es ein Spiel auf den Markt bringt, dass zum Original so ähnlich ist wie ‚Hey! That’s my Fish!‘ zu ‚Hey! That’s my Fish!‘.

  • Ich stimme Günter zu, das sieht nach einem klaren Plagiat aus. Juristisch ist dem wohl nur unter großen und risikoreichem Aufwand – nicht nur in solchen Ländern – beizukommen. Also bleibt nur Öffentlichkeitsarbeit, um Autoren und mögliche Verlagspartner zu sensibilisieren, mit Zvedza keine Geschäftsbeziehungen aufzunehmen und so Zvezda die rote Karte zu zeigen.

    Bei kriminellem Vorgehen hilft leider auch die SAZ-Aktion mit dem „Kodex zu Urheberrechtsfragen nichts. Aber ein solcher Kodex kann zu einer Allianz der Gutwilligen führen, der es schwarzen Schafen schwerer macht.

  • Ja, du, Günther Cornett, du hast recht, zwischen Bearbeitung des Werkes und Inspiration durch ein Werk besteht eine große Grauzone. Vielleicht hast du Glück und bekommst Recht, aber vor russischen Gerichten?