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Die stille Revolution

Gemeinhin gehen große Innovationen eher von kleinen Verlagen aus. Kleinverlage -so die Volksweisheit – können knapper kalkulieren, eine Nische direkt bedienen und so etwas riskieren und wirklich neues schaffen.

Diese Volksweisheit wird gerade von Ravensburger und Hasbro auf den Kopf gestellt. Beide schicken sich an, die Spielelandschaft nachhaltig zu verändern.

Bei Ravensburger ist diese Revolution in Spielerkreisen weitestgehend unbemerkt eingeleitet worden und auch eher nur potentiell vorhanden. Das Potential heißt Tiptoi und der Einsatz ist bislang auf Kinderspiele beschränkt. Bei Tiptoi handelt es sich um einen Stift, auf dem Software geladen werden kann. Dann wird der Stift dazu benutzt unlesbare Informationen auf einem Spielbrett (oder in einem Buch) in vorgelesenen Text umzuwandeln. Dabei ist der Stift sehr empfindlich: In einem Buch unterscheidet er z.B. klar das Knie, den Fuß und das Schienbein eines kleinen Jungen, der nur ein Element von vielen in einem großen Bild ist. Bei Spielen vereinfacht der/die/das Tiptoi den Umgang mit geheimen Informationen: Bei einem Quizspiel etwa kann man direkt auf die Antwort auf einer Quizkarte drücken und der Stimmt bestimmt ob richtig oder falsch. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass TipToi auch bei Erwachsenenspielen einen Platz finden könnte – etwa wenn auf Plättchen geheime Wege markiert sind (oder eben nicht) und ähnliches. Zudem sehe ich keinen Grund warum man den Stift (der eh eine Speichereinheit hat) nicht mit einer Funktion ähnlich Insel/Wer wars ausstatten kann. Dann hätte man zusätzlich die Option des „intelligenten Ablagestapels“ ohne das riesige und in der Produktion sicherlich nicht unaufwendige elektronische Spielbrett.

Das sind viele „wenns“ und „könnte“. Wie gesagt, das Potential vom Tiptoi-Stift ist da, aber ob es sich entfalten kann liegt in erster Linie bei Ravensburger. Die beschränken Tiptoi im Moment  ausschließlich auf Kinderspiele. Wenn der Stift tatsächlich für eine kleine Revolution sorgen soll, dann muss das Potential auch für Erwachsenenspiele genutzt werden. Und es wäre gut, wenn Ravensburger Lizenzen an andere Verlage abgibt, die ihre Zielgruppe bedienen können. Dann sehen wir in Zukunft Spiele, die rein mechanisch bislang nicht ohne enormen Aufwand denkbar waren!

Hasbro wurde bislang nicht gerade mit Innovation assoziiert – Ja, es gibt neue Versionen von Monopoly, Cluedo & co, aber das sind letztlich nur Bearbeitungen. Im Spätherbst kommt aber ausgerechnet von Hasbro ein Produkt auf den Markt, dass etwas völlig neues wagt und die Grenzen zwischen Kunst und Spiel weiter verschiebt: Risiko Revolution.

Gut, es ist natürlich in erster Linie Risiko. Das Neuartige an Revolution: Mit jeder Partie ändert sich das Spielmaterial nachhaltig: Da werden Aufkleber geklebt, Karten geschnitten und neue Regeln und Elemente (aus versiegelten Umschlägen) kommen ins Spiel. Was wie und wann ins Spiel kommt hängt von den Entscheidungen der Spieler ab. Das Resultat: Am Ende der Kampagne ist jedes Risiko anders. Und zwar regeltechnisch und von den Einheiten her. Das ist für Sammler sicherlich  ein Alptraum, als Spieler finde ich die Idee, Entscheidungen, die über eine Partie hinausgehen treffen zu müssen sehr reizvoll. Zudem schreibt der Autor, dass das Spiel immer komplexer und strategischer werden wird.
Klar, obs was taugt weiß ich auch nicht. Aber allein der Wille etwas derartig neues zu versuchen (das einzige vergleichbare Spiel war die Wundertüte „Eine gegen eine“, das Spiel ohne Regeln) verdient meinen Applaus. Wer befürchtet es gäbe nicht neues in der Welt der Spiele mehr, wird eindrucksvoll wiederlegt.

Gleichzeitig beschämt Hasbro auch die kleineren und mittleren Verlage. Die bringen tolle Spiele heraus, keine Frage. Aber wirklich Neue Konzepte sind selten. Sicherlich, ein unoriginelles, gutes Spiel ist sicherlich besser als ein originelles schlechtes. Aber ein unorginelles bleibt auch schneller unbeachtet.

Hasbro und Ravensburger haben dank Kapital vorgelegt. Kleinverlage dürfen jetzt mit ihrer Kreativität nachlegen.

ciao

peer

 

Peer Sylvester
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6 Kommentare

  • >Und es wäre gut, wenn Ravensburger Lizenzen an andere Verlage abgibt, die ihre Zielgruppe bedienen können.
    Ting verfolgt ein ähnliches Konzept und ist offener, da mehr Verlage (u.a. Haba und Kosmos) daran beteiligt sind. Es gibt auch was für Erwachsene, allerdings bislang nur Sprach- und Reiseführer.

  • Ich persönlich fände es schade, wenn die Welt der Gesellschafsspiele zunehmend elektronisiert wird. Ich habe leider keine Erfahrung mit dem Tiptoi, aber wenn er wirklich eine Revolution starten sollte, befürchte ich, dass viele Verlage mehr und mehr elektronische Tools mit in ihre Spiele einbauen werden. aber wenn es soweit sein sollte, lasse ich mich da auch gerne eines besseren belehren.

    Zu Hasbro: Hört sich sehr interessant an. Ich bin ein großer Risiko-Fan, aber ich spiele, zumindest bei der Welteroberung, immer eine ähnliche Strategie. Wenn sich jetzt aber von Spiel zu Spiel das Spiel verändert, finde ich das sehr reizvoll. Vielleicht bekommt man in Essen einen Einblick, wie es genau realisiert wird.

  • Naja „zunehmend elektronisiert“ wäre übertrieben. Ich glaube nicht, dass Tiptoi oder ein anderes System die Brettspiele ersetzt. Aber es kann die Möglichkeiten erweitern – Spiele ohne sie wird es aber weiter geben. Damit wäre Tiptoi ein Werkzeug wie der Würfel, die Kramerleiste oder (abstrakter) der Deckbaumechanismus. Und mehr Werkzeuge sind erstmal gut :-)

  • Für mich besteht die Revolution bei Hasbro, dass das neue Risiko über Heidelberger vertrieben wird, was deutlich macht, das Hasbro den Markt einzuschätzen weiß und die Zielgruppe so besser bedient. Hut ab.

  • Naja. Also der schwerpunkt liegt imo doch sehr stark auf „still“ und ganz wenig auf „Revolution“. Also weder der Stift noch das neue Risiko sehe ich als Innovation an. Der stift ist eine Technische hilfe, die nicht wirklich was neues bringt. Nur auf eine neue technische Art. Risiki Revolution ist ganz einfach Risiko, wo 15 Spiele lang immer ein paar neue Regeln dazu kommen. Ob mal das überhaupt will? – Ich für meinen Teil tendiere dazu die ersten 15 Spiel egleich zu überspringen und gleich die „Vollversion“ zu spielen.

  • Naja die Vollversion soll es ja gerade nicht geben, sondern eben x verschiedene (theoretisch 2^15, aber da werden einige Kreuzungen drin sein). Die Frage wird sein, wie unterschiedlich die sind. Sinds nur marginale Unterschiede oder große? Wenn bei dir die Runden Einheiten am Ende Bunker sind und bei mir U-Boote o.ä. dann ists schon interessant (im Rahmen dessen, dass es eben Risiko ist).

    Und der Stift bringt die Möglichkeit mit sich neuartige Spiele zu machen – ob sie genutzt wird muss die Zeit zeigen.